Kapitel sechs - ein Schritt vor, zwei zurück

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Jimin

Es war einer der wenigen Tage, bei denen ich keine Lust auf Training hatte. Genau konnte ich nicht sagen, woran es lag, oder doch warte. Ich hatte schlechte Laune und einen scheiß Trainingspartner mit dem ich ein Wettbewerb zu gewinnen hatte! An sich hatte der Tag ganz gut begonnen. Mit einem leckerem Frühstück, einer lustigen ersten Unterrichtsstunde und einer Freistunde in der meine Freunde und ich Basketball gespielt hatten. Danach war aber irgendwie alles den Bach runter gelaufen. Ich war mir sicher die unangekündigte Mathehausaufgaben-Überprüfung verhauen zu haben. Ich hatte noch immer Kopfweh von dem Schuh der unsanft gegen meinen Kopf geflogen war, weil Sechstklässler es mal wieder nicht lassen konnten, sich zu prügeln und ich Pausenaufsicht hatte.

Der Berg Hausaufgaben, der nun daheim noch auf meinem Platz lag, an den wollte ich gar nicht denken, der ist nicht erwähnenswert. Meine Laune hatte sich auch nicht verbessert, als ich auf den Weg zur Tanzschule in den Regen kam und den Bus verpasste. Jetzt aber auch noch mit nassem Haar in dem Raum zu sitzen, dehnend, ich war schon n warm und auf einen sich verspäteten Jungkook zu warten machte es nicht besser. Auch meine Meinung von ihm würde er so definitiv nicht ändern können. War es so schwer pünktlich zu sein? Selbst ich war pünktlich! Und ich hatte den Bus verpasst!

„Tut mir leid! Ich war so schnell wie ich konnte, aber...", stolperte, wenn man vom Teufel spricht, der schwarze Wuschelkopf in den Raum. Jetzt aber klebte sein Haar tropfend an seiner Wange. Sehr unsexy, wenn man mich fragte. „Du machst den Boden nass!", unterbrach ich ihn und sah, wie er erschrocken dreinschaute. Er hatte seine Sportsachen -bis auf die Schuhe- schon an, auch wenn diese sämtliche nasse Flecken aufwiesen. „Ich...", stotterte er und schien mal wieder nicht zu wissen was er sagen wollte. „Nimm das Handtuch da!", wies ich ihn an und wechselte die Seite.

Zu gerne würde ich grand jeté einbauen. Sicherlich kannte Jungkook diesen Begriff ebenso wenig wie die anderen. Aber ich mochte die Spagatsprünge. Sie waren schön elegant und ließen sich auch toll springen, wenn man genug gedehnt war. Früher hatte ich Probleme gehabt hoch genug zu springen, doch mein hartes Training hatte sich ausgezahlt. Ich sah Jungkook zu wie er ein bisschen irritiert das Handtuch ergriff, sich die Haare ein bisschen rubbelte, sodass sie ihm nun vom Kopf anstanden als hätte ein nasser Vogel drin genistet und dann en Boden putzte.

„Während du dich warm machst, mache ich die Lieder an, dir mir persönlich am besten gefallen und teile dir meine Ideen mit.", wies ich ihn an und sah, wie er nickte. Ich hatte nicht vor, die ganze Choreo allein zu machen. Geschweige denn allein auszuwählen zu was für Musik wir tanzten. Das wäre sinnlos. Wenn einer von uns keine Verbindung zum Rhythmus des Liedes oder zur Choreo aufbauen kann können wir uns auch gleich selbst aus dem Wettbewerb entlassen und auf den letzten Platz stellen.

Ich hatte mich auf drei potenzielle Lieder festgelegt. Ich ließ sie einmal von vorne anspielen, bevor ich sin die Mitte skippte, um ihm auch diesen Teil zu zeigen. Nebenher erklärte ich ihm was ich so andachte zu tanzen und welche Hebefigur mir vorschwebte. Die Stücke waren alle ungefähr gleichlang und sogar recht kurz, also sollte er an der Länge nichts zu meckern haben. Abwartend schaute ich ihn nach dem letzten Lied an. „Ist etwas da dabei das du magst?", fragte ich. Er schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich." War das sein Ernst? Saß ich wirklich die ganze Nacht lang am Sortieren, um dann zu hören zu bekommen, dass ihm nichts gefällt?

Gerade als ich ihn auffordern wollte, sprach er weiter: „Irgendwie, da fehlt mir Gefühl. Das sind schöne Stücke, keineswegs und deine Ideen sind grandios, aber... irgendwie..." Er seufzte, schaute für einen Moment aus dem Fenster. Wirklich sehen konnte man nichts. Regen donnerte gegen die Scheibe und verwischte die ganze Welt da draußen. Für einen Moment glaubte ich meinen Namen gehört zu haben, aber es war wahrscheinlich nur der Donner von draußen. „Was irgendwie?!", fragte ich nun ungeduldig nach und sah aus dem Augenwinkel wie Jungkook zusammenzuckte. „Du musst deinen Satz schon beenden, wenn du irgendwas sagen willst."

Mein Partner nickte langsam. „Es ist Gefühl... All das was du gesagt hast, die Choreos und so, die Musik, da fehlt eine Geschichte, dass was wir ausdrücken wollen...", murmelte er schließlich, wagte es aber immer noch nicht mich anzuschauen. Himmel, ich war nicht giftig anzuschauen. Er sprach von Ausdruck! Dabei konnte er ja nicht mal tanzen! „Fein! ", rief ich und schnaubte. „Dann schlag du deine Überlegungen vor", versuchte ich mich zu beruhigen. Er regte mich einfach auf. Er dehnte sich gerade nicht mal, um dann mit dem Training beginnen zu können. Mensch, meine Muskeln wurden wieder kalt! Doch wieder sah ich ihn nur nicken. „Kannst du auch etwas anderes als nicken?!", fuhr ich ihn an.

„Immer nur nickst du hier, Stotterers rum, kannst dich nicht mal ordentlich warm machen und kommst zu spät! Wenn du mehr Gefühl haben willst, bitte! Such du das Lied aus! Denk dir eine Story! Ich bin Tänzer, kein Autor!" Eilig packte ich meine Sachen. „Ich trainiere daheim weiter.", sagte ich noch, bevor ich den Raum verließ. Nein. Noch länger würde ich ihn nicht aushalten. Nicht an diesem Tag.

Nicht heute.

Hold me right - JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt