Hold me right - Jikook

Kapitel acht - Druck von Oben

Jimin

Eigentlich hätte ich in jedem normalen Fall am Wochenende in der Tanzschule im gemieteten Raum trainiert. Aber ich hatte keine große Lust gehabt, dorthin zu gehen. Ich wollte nicht an Jungkook erinnert werden. Sicherlich war er nicht dort, um zu trainieren, aber dass wir zusammen dort trainiert hatten, reichte doch schon aus, um mich an diese Schmach zu erinnern. Ohne Musik gestaltete sich das Training am Wochenende nicht so schön, aber solange mir Jungkook keine lieferte, würde ich ohne trainieren müssen. Mal schauen, ob er heute ein Lied mitbrachte. Ich war gespannt darauf was er sich ausgesucht hatte.

„Hallo, Jimin", begrüßte mich mein jüngerer Tanzpartner, als ich den Raum betrat. Man muss sagen ich war positiv überrascht. Er war sogar überpünktlich. Ich war schon zehn Minuten früher da, doch er stand hier schon fertig umgezogen, augenscheinlich schon warm und gedehnt und lächelte mich nicht mehr ganz so schüchtern wie sonst an. „Hoseok hat mit mir trainiert.", meinte er schaute mich stolz an. Wurde er jetzt arrogant? „Er hat mir am Wochenende gezeigt wie unterschiedliche Hebefiguren gehen. Ausgereift sind meine Fähigkeiten natürlich noch nicht, aber ich denke damit können wir anfangen."

Ich nickte nur, nahm zur Kenntnis was er gesagt hatte. „Ein Lied hast du?", fragte ich und das Lächeln fiel aus seinem Gesicht. Aha. Ein Lied scheint er also nicht zu haben. „An sich ja, aber ich weiß nicht, ob es dir gefällt.", gestand er und tanzte zur Stereoanlage herüber. In mir breitete sich ein seltsames Gefühl aus. Wie er tanzte, passte mir irgendwie nicht. Er tanzte doch so kurze Zeit erst. Wie konnte er das? Ein Musikstück begann. Es begann so stürmisch, dass ich mich fast erschrocken fühlte, bevor eine traurige Stimme einsetzte. Himmel! Das war geeignet für, für, für alles aber kein Ballett! „Das ist ja grauenhaft.", hätte ich am liebten gesagt, aber ich riss mich zusammen. Schließlich hatte ich ihm das aufgetragen. „Hast du noch andere Lieder?", fragte ich und hoffte darauf.

„Sie folgen dann. Ich möchte dir meine Tanzideen dazu auch zeigen.", erklärte er und ich schaute ihm dabei zu wie er in die Mitte zurücktrat und die Augen schloss. „Hoseok meinte, dass es erlaubt ist auch Gegenstände beim Tanzen zu benutzen. Ich dachte wir könnten ein Tuch oder so nutzen, um noch mehr Ausdruck zu kreieren, in etwas hier." Ich schluckte und starrte ihn fassungslos an. Das war ja nicht zu glauben. Er tanzte kein korrektes Ballett, tat so als würde er ein Band in der Hand halten und strahlte wieder etwas aus, dass ich nicht wirklich benennen konnte. Nein, das was er tanzte würde ich nicht als Ballett ansehen. Da waren schritte, Drehungen, Wendungen drin die ich noch nie jemanden in Ballett tanzen hab sehen.

„Das ist aber kein Ballett.", meinte ich, doch er stoppte keinen Augenblick. „Nun, wir machen die Choreo doch zusammen, oder? Da kannst du dann entscheiden, was Ballett ist und was nicht." An diesen Worten konnte ich nichts aussetzten. Ich lauschte den Liedern, während ich mich umzog und warm machte. Nebenher schaute ich Jungkook zu wie er durchs Zimmer tanzte. Obwohl er die Augen geschlossen hatte, schien er immer genau zu wissen, wann der Raum endete, wo ich mich aufhielt und wo unsere Taschen lagen. Die Lieder waren absolut nicht Ballett geeignet. Es waren modernere Poplieder, ruhig in ihrer Art und doch irritierten sie mich. Zu solchen Liedern wurde kein Ballett getanzt. Das man es durchaus konnte zeigte mir Jungkook gerade eindrucksvoll.

Es fühlte sich falsch an Jungkook dabei zuzuschauen wie er Ballett verschandelte und doch irgendwie etwas kreierte, dass genauso viel Eleganz hatte wie Ballett. Das Tuch aber, welches ich mir nun nur Vorstellen musste, konnten wir gerne einbauen. Das konnte vielleicht Jungkooks nicht vorhandenen Künste retuschieren und uns so eine bessere Performance geben. „Ich finde das Tuch ist keine schlechte Idee", teilte ich ihm mit, während er eine Pirouette drehte. „Das freut mich. Ich denke wir können Hoseok fragen, ob er solch ein Tuch hat." „Wird nicht nötig sein, ich habe ein eigenes", erklärte ich. Erst jetzt stoppte und schaute mich überrascht an. „Hast du schon mal mit einem getanzt?" Bestätigend nickte ich.

Es war nicht gut von irgendwem abhängig zu sein. Jungkook schien sehr von Hoseok abhängig zu sein und ich wusste nicht, ob es mir gefiel. Er hatte von diesem Privatstunden bekommen, stand nun hier und lächelte. Ehrlich wusste ich nicht genau, ob ich mit diesem Jungkook besser klar kam, als mit dem anderen. Immerhin war dieser hier nicht mehr so schweigsam wie der andere. „Das war das letzte Lied", sagte Jungkook und riss mich so aus meinen Gedanken. Wirklich abgewinnen konnte ich keinem Lied etwas. Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass unsere Stunde gerade erst begonnen hatte. „Ich muss drüber nachdenken. Kannst du mir die aufschreiben?", fragte ich, um möglichst diplomatisch meine Entscheidung später daheim treffen zu können. Ich musste nun mit einem der Lieder leben. Irgendwie würde ich das überleben. Warum bockte ich mir das sonst ein? Herausforderung? Eindeutig. Jungkook war meine neue tänzerische Herausforderung.

So wie Dad sagte, such dir neue Herausforderungen, um dich zu trainieren. Jungkook, definitiv, war eine davon. „Lass uns heute noch mal Schritte und Synchrontanzen trainieren und nächstes Mal Hebefiguren und so." Jungkook lächelte breit: „Klar!" Gott, hatte der gute Laune...