Josko lief unruhig immer wieder vor den schweren Türen des Krankenzimmers hin und her. Salya saß auf dem Boden und spielte nervös mit dem Zipfel ihres blauen Kleides. Sie war aufgeregt und konnte Firenahs Schrei durch die Wand hören. Salya wollte sich nicht vorstellen, einmal dasselbe zu erleiden.
Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie und Firenah früher zusammen in den Wald gegangen waren. Dort hatten sie gemeinsam Hütten aus Ästen und Blättern gebaut und waren in die höchsten Bäume geklettert. Salya konnte noch das kleine blonde lachende Mädchen vor sich sehen, dass nun erwachsen war und ihr erstes Kind gebar.
Die Türen öffneten sich und eine Krankenschwester trat heraus. „Sie können nun zu ihrem Kind!", sagte sie zu Josko, „Sie können auch mitkommen, Frau Salya!" Der neue Vater stürmte direkt hinein zu Firenah. Salya war eher zögerlich. Langsam betrat sie das Zimmer. Firenah saß in einem riesigen Bett. Sie lag ganz verschwitzt und schwach in Joskos Armen, aber die beiden sahen so glücklich aus, wie nie. Firenah hielt ein winzig kleines Bündel in den Armen. „Komm her Salya! Es ist ein Mädchen! Sag hallo zu Wellori!", sagte sie und nickte Salya aufmunternd zu, „Schau, Wellori! Das ist deine Tante Salya!"
„Hallo!", sagte Salya schüchtern zu dem kleinen blonden Mädchen, „Schön dich kennenzulernen!" Sie nahm Wellori sachte in den Arm und das Baby schloss langsam seine großen braunen Augen, während Salya sie hin und her wiegte.
Es war eine schöne Woche. Firenah und Josko hatten beschlossen etwas länger zu bleiben. Sie konnten zusehen, wie Wellori alles entdeckte und erkundete. Kenos hatte das Schloss verlassen. Niemand wusste, wo er war. Salya versuchte Haer so gut, wie möglich aus dem Weg zu gehen. So auch an diesem sonnigen Nachmittag.
„Möchten Sie vielleicht erneut mit mir ausreiten? Wir hatten doch letztes Mal so viel Spaß.", fragte er freundlich. „Nein, tut mir leid. Ich mache mit Firenah und Wellori einen Spaziergang im Schlossgarten. Vielleicht wann anders!", sagte sie und schnappte sich schnell Firenah, die das Kind gerade auf dem Arm hatte und zog sie aus dem Haus.
„Was ist denn da los?", fragte Firenah, als sie den Garten betreten hatten. „Ich möchte mich von Haer fernhalten. Ich vermisse Kenos und vielleicht hatte er auch recht.", antwortete Salya stirnrunzelnd und breitete eine Picknickdecke auf dem Gras aus. Sie setzten sich unter eine wunderschöne Weide mit tausenden Blumen um sie herum. „Das kann ich verstehen.", entgegnete Firenah und setzte Wellori ab.
„Nun ja, ich möchte jetzt ersteinmal die gemeinsame Zeit mit dir genießen!", erwiderte Salya und holte Marmeladenbrote und Tee aus ihrem Picknickkorb. Vögel sangen überall. Ein sachter Wind fuhr durch Firenahs blondes Haar. „Auf unsere Freundschaft!", sagte sie und hob die hübsche Teetasse. „Auf unsere Freundschaft!", antwortete Salya mit einem Lächeln und stieß an.
„Moment mal, wo ist Wellori?", fragte Firenah panisch, als sie sich dorthin umdrehte, wo ihre Tochter bis vor wenigen Augenblicken gesessen hatte. „Weit kann sie ja nicht gekommen sein, sie kann ja kaum krabbeln.", entgegnete Salya und stand auf, „Komm mit, wir suchen sie. Keine Sorge!" Sie nahm Firenah an der Hand und schleifte sie hinter sich her. „Wellori?", rief sie, „Wo bist du?"
Sie hatten den ganzen Garten abgesucht. Erschöpft sank Firenah auf eine Bank. „Wo kann sie nur sein?", fragte die Mutter, deren braune Augen mit Sorge erfüllt waren. „Ich weiß es nicht.", wollte Salya gerade antworten, als sie ein leises Kichern hörten. „Hast du das gehört?", fragte Firenah voller Hoffnung. „Ja.", antwortete Salya, „Es klingt, als würde es von irgendwo da oben kommen." Die Freundinnen liefen unter den Bäumen entlang. „Wellori?", rief Firenah. Ein lautes Kichern ertönte direkt über ihnen.
Und da war sie. Die kleine Wellori, in ihrem grünen Seidenkleidchen, saß auf einer Baumkrone und lachte. „Wie kommt sie da hoch?", fragte Firenah besorgt, „Und noch viel wichtiger, wie bekommen wir sie da nur runter?" Wellori fuchtelte wild mit den Händen. Grünes Licht schoss daraus hervor und traf einen Vogel, der sich sogleich in Stein verwandelte. „Irgendetwas stimmt mit ihr nicht!", meinte Salya und blickte zu Firenah, deren Mund vor Erstaunen offen stand, „Ich werde Merrottli holen!"
Ein paar Momente später kam sie mit Merrottli zurück. Die Zwergin trug ein hübsches gelbes Kleid und ihr kurzes braunes Haar, war in einen Zopf geflochten, der mit Blumen geschmückt war. „Salya hat mir erzählt, was passiert ist!", sagte sie, „Es sieht so aus, als wäre Wellori eine Magierin. Das ist sehr selten und kann sehr nützlich sein, doch in ihrem Alter ist es eher gefährlich und kann leicht außer Kontrolle geraten. Deshalb müssen wir das Amulett des Lichtes finden, um ihre Kraft bis zu ihrem 18. Lebensjahr dort einzuschließen und zu kontrollieren." „Aber gibt es dieses wirklich?", fragte Firenah, „Ich kenne es aus Fabelgeschichten, die mir meine Mutter damals erzählt hat. Aber, soweit ich mich entsinnen kann, ist es doch verschollen." Merrottli lächelte: „Das stimmt, es gilt durchaus als verschollen, doch ich kenne da einen Weg..."
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Allorgan - Das Amulett des Lichtes
FantasyIm zweiten Teil von Allorgan, geht es um die siebzehnjährige Firenah, die gemeinsam mit ihrem Freund Josko ihr erstes Kind bekommt, welches jedoch als eine Zauberin geboren wird und ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hat. Um niemandem zu schaden, bre...