Kapitel 6. Das Orakel

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„Aua!", schrie Merrottli. Sie lag auf dem harten Boden und ihre braunen Haare waren ganz durcheinander. Sie stand auf und strich ihr gelbes Kleid glatt. „Das geht so nicht!", sagte sie mahnend zu Bob, der neben ihr auf dem Rücken lag und musterte ihn streng mit ihren schlauen braunen Augen. Sie half ihm wieder auf die Beine. „Du bist jetzt schon das vierte Mal gegen einen Baum geflogen. Es ist ja schön, dass du anscheinend verliebt bist, aber wir müssen vorankommen!", sagte sie und klopfte Bob auf den runden Kopf. Er sah noch röter aus als sonst aus. Merrott schwang sich wieder auf den Rücken des beschämt dreinblickenden Marienkäfers und flog den anderen hinterher.

„Kommt, Kommt!", sagte Wawildi, der auf Helena voranritt, „Wir sind bald da!" Die Freunde kamen schon bald zu einer Lichtung. Sie war umzäunt von lauter Trauerweiden, deren Blätter, wie Seidengewänder zu Boden fielen. Tausende weiße Lilien schmückten das grüne, kniehohe Gras. Die Sonne spiegelte sich im kristallklaren Wasser eines wunderschönen Sees, in der Mitte der Lichtung, sodass Firenah geblendet wurde.

„Das war's dann wohl.", sagte Wawildi traurig, „Es war nett mal Gesellschaft gehabt zu haben!" Eine kleine glitzernde Träne lief über seine Wange. „Bitte weine nicht!", sagte Firenah und lief zu ihm hin. Sachte streichelte sie seine Moosbewachsene Schulter. „Ich war die letzten zweitausend Jahre alleine.", schluchzte das Moosmännchen, „Vor zweitausend Jahren war Wundo da, er hat mich geliebt, doch er wurde von der bösen Hexe gefangen genommen und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Ich habe eintausend Jahre gebraucht nicht geschlafen und gehungert. Dann habe ich mich entschlossen, mir Freunde zu suchen, doch alle, die mich gesehen haben, hatten Angst vor mir. I- Ich wollte nur mit jemandem reden, ich wollte, dass ich wieder von irgendwem akzeptiert und geliebt werde." „Wir sind deine Freunde!", sagte Firenah und gab ihm ihr seidenes weißes Taschentuch, „Wenn du möchtest, kannst du gerne mit auf unsere Reise kommen!" Wawildi schnaubte in das Taschentuch und entgegnete: „Es wäre mir eine Ehre. Danke! Ihr wisst nicht, wie glücklich mich das macht!"

Ein Rauschen ließ die Gruppe aufschrecken. „Seht ihr das?", fragte Josko, „Im See tut sich ein Strudel auf!" Nebel zog auf. „Ich kann nichts mehr sehen!", meinte Firenah und kniff die Augen zusammen. Sie erkannte ein Licht, dass über dem See aufstieg.

„Kommt ruhig näher!", ertönte die laute Stimme einer Frau. Zögerlich gingen die Freunde auf den See zu. Der Nebel legte sich wieder. Vor ihnen schwebte eine Gestalt, die aus Nebel bestehen zu schien. Sie kehrte den Besuchern den Rücken zu. Das Orakel hatte Weiße Flügel und lange wellige Haare. Ihr elegantes weißes Kleid spielte um ihren Körper, als sie sich umdrehte. Salya stockte der Atem, als sie sie sah.

„Shizria?", fragte sie erstaunt und wich einige Schritte zurück. Die ehemalige Walküre war nun noch schöner geworden. „Nein, Shizria war einmal. Ich möchte nicht über die Vergangenheit sprechen. Da ich mich für dich geopfert habe, Salya, ist meine Seele nun hier. Ich bin nun Valenia, das Orakel des Waldes und der verlassenen Inseln im Norden. Ich freue mich, euch hier, an meinem Kristallsee willkommen zu heißen!", sagte sie und musterte ihre Gäste mit ihren eindrucksvollen Augen, „Also, Firenah, Salya, Merrottli, Josko und Wawildi, was wollt ihr hier?"

„Wir wollen das Lichtamulett finden.", entgegnete Firenah. „Hmm, natürlich wollt ihr das, wegen der Elfenprinzessin! Ich kann euch helfen, muss euch aber warnen! Auf dem Weg gibt es viele tödliche Gefahren, denn die große Macht des Amuletts erfordert großen Schutz.", antwortete Valenia mit ernster Miene, „Vor fünftausend Jahren gab es einmal den mächtigen Zauberer Harrion. Er besaß das Amulett und benutzte es nur mit äußerster Vorsicht. Wellori ist genau so eine mächtige Zauberin, wie er es einmal war, deshalb kann sie alleine damit umgehen. Doch selbst Harrion starb eines Tages. Nach seinem Tod gab es großen Streit um das Amulett. Viele mächtige Zauberer wollten es haben, doch sie waren alle zu machtsüchtig. Darum versteckte es Harrions Bruder sehr gut. Ich habe hier eine Karte, die ich euch geben werde, denn ich erachte euch als würdig, doch es braucht einen Schlüssel um die Schatulle zu öffnen, in der das Lichtamulett verschlossen ist. Es gibt ein Rätsel dazu:

Arm an Geld, doch an Liebe reich,

welch Sonnenhaar und großes Herz,

Quelle der Magie, macht jeden weich,

Kennt kein Aufgeben, keinen Schmerz.

Ich hoffe, ich konnte euch helfen! Auf Wiedersehen, liebe Freunde!"

Das klare Wasser des Kristallsees wirbelte wieder auf. Valenia verschwand mit einem weisen Lächeln erneut im Nebel. Das blendende wieße Licht leuchtete wieder auf. Und der graue Nebel verzog sich.

"Was ist das?", fragte Salya, als sie ein Stück Papier vom Boden aufhob. "Lass mal sehen!", sagte Wawildi. "Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die Karte zum Amulett. Die Karte zum Ziel!", entgegnete Merrottli mit einem Lächeln auf ihren vollen rosigen Lippen.

Allorgan - Das Amulett des LichtesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt