Kapitel 5. Das Moosmännchen Wawildi

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Das große Tor des Waldelfendorfes schwang auf, als die Freunde angeritten kamen. „Endlich wieder zu Hause!", sagte Firenah lachend und nickte den Wachen zu. Sie ritten hinein. Alles war so, wie es Firenah in Erinnerung hatte: die Baumhäuser, der Markt, die Schmiede,...

„Hier wohnst du nun also?", fragte Salya Firenah. „Ja, alle hier sind wirklich nett.", antwortete sie und winkte einem kleinen braunhaarigen Jungen mit einem kleinen Pony zu, „Das ist Rukob, Joskos kleiner Bruder, er ist mir sehr ans Herz gewachsen! Oh, da wären wir auch schon!"

Sie stiegen von ihren Pferden und zwei der Waldelfen führten die Rosse in die Ställe. Die Freunde steuerten auf den großen Saal zu, in dem sie damals Salyas Befreiung geplant hatten. Der Chief saß auf seinem hölzernen Stuhl. „Ich habe euch erwartet. Natürlich werden wir alles tun, um die kleine Elfenprinzessin zu retten. Setzt euch doch!", sagte er und deutete auf den festlich gedeckten Tisch, „Ich hörte von dem Amulett. Es wird schwer, es aufzutreiben. Schon seit hunderten von Jahren versucht unser Stamm, es zu finden!" „Danke Chief, das ist wirklich eine großzügige Geste von dir!", sagte Firenah dankbar und setzte sich zu seiner Linken, „Es bedeutet wirklich sehr viel für uns!" „Das ist doch selbstverständlich!", entgegnete der Chief lächelnd und tätschelte etwas unbeholfen ihren Arm, „Aber nun lasst uns diesen Festschmaus verzehren!"

Diesen Abend schlich sich Firenah heimlich aus dem Haus. „Psst.", sagte eine Stimme hinter ihr und sie wirbelte herum. „Salya! Erschrick mich doch nicht so!", sagte sie lachend, „Ich wollte euch nicht aufwecken!" „Wo gehst du hin?", fragte Salya flüsternd. „Ich kenne da einen Ort, wo ich immer hingehe, wenn ich nachdenken muss. Möchtest du mitkommen?", entgegnete Firenah leise. „Ja, hört sich gut an! Ich hab das nötig!", antwortete Salya dankbar.

Die Freundinnen gingen auf Zehenspitzen durch das stille Elfendorf und hinaus in den Wald. Sie liefen mit den nackten Füßen über den kalten Waldboden. „Wo gehen wir hin?", fragte Salya. „Komm mit, ich zeige es dir!", entgegnete Firenah und zog Salya hinter sich her. Sie bogen um die Ecke. Die Freundinnen standen nun auf einer Lichtung. Glühwürmchen schwirrten leuchtend über einem kleinen Bach, der in ein Loch im Boden floss. Es war ungefähr so groß, wie ein kleiner Teich. Das Wasser, das sich darin befand, strahlte ein blaues Licht aus und blubberte und brodelte.

„Komm!", sagte Firenah aufmunternd. Sie zogen ihre Kleider aus und ließen sie am Rande des Loches liegen. Die Freundinnen stiegen hinein. Das warme Wasser ging Firenah bis zu den Schultern. Es fühlte sich wunderschön auf der Haut an. „Danke, dass du mich hergeführt hast!", sagte Salya, „Ich habe Ablenkung wirklich nötig. Ich muss immerzu an Kenos denken. Es ist schwer, ihn verloren zu haben. Ich vermisse ihn so sehr!" „Mit meinen Gedanken bin ich ständig bei Wellori. Vielleicht ist es schon zu spät und ihre Magie gerät in diesem Augenblick außer Kontrolle!", entgegnete Firenah. „Ich glaube nicht, dass es zu spät ist. Wir schaffen es! Da bin ich mir sicher.", antwortete Salya. „Das sagt Josko auch immer zu mir, doch um ehrlich zu sein, ist meine Hoffnung nicht sehr groß.", sagte Firenah traurig, „Das Amulett gilt nicht um sonst als verschollen! Keiner weiß, wo es ist!" „Das stimmt nicht. Es gibt da noch das Orakel!", entgegnete Salya tröstend. „Aber das muss auch erst einmal gefunden werden!", meinte Firenah, „Ich habe aber leider das ungute Gefühl, dass nicht einmal Merrottli weiß, wo es sich befindet."

Plötzlich ertönte nicht weit entfernt ein Knacken. „Was war das?", fragte Salya und fuhr herum. Dort stand ein kleines Männchen. Als es merkte, dass es beobachtet wurde, versteckte es sich schnell hinter einem Baum. „Hallo? Wer bist du?", rief Firenah, „Du brauchst keine Angst zu haben!" Das Männchen kam zögerlich hinter dem Stamm hervor. Er war gerade einmal so groß, wie ein Kind und sein langer grauer Bart reichte bis zum Boden und war gefüllt mit Laub und Ästen. Das Männchen trug einen Mantel aus grünem Moos, aus dem lauter bunte Pilze und Gräser herauswuchsen. „I- I- Ich...", stammelte er, „Ich bin Wawildi, ein Moosmännchen! Ich lebe hier im Wald und bin meistens alleine. Als ich eure Stimmen vernahm, wollte ich nachsehen, wer da ist und habe gehört, dass ihr das Orakel sucht!" „Ja, das tun wir durchaus!", entgegnete Firenah, „Kannst du uns hinführen?" „Das kann ich, gnädigste Frau.", entgegnete er und spielte nervös mit seinen kleinen Fingerchen, „Kommt morgen einfach zu meiner Hütte! Sie ist nicht weit weg von hier!"

Am nächsten Morgen war viel los: Die Elfen hatten sich alle versammelt, um Josko, Merrottli, Bob, Salya, Haer und Firenah zu verabschieden. Die Freunde ritten auf ihren vollgepackten Pferden aus dem Tor hinaus. „Bis bald!", rief Josko. „Bring nächstes Mal meine Nichte mit!", schrie Rukob noch, bevor sich das Tor hinter ihnen schloss.

„Kommt mit!", sagte Firenah, die auf ihrer weißen Stute voranritt, „Wawildi muss hier irgendwo wohnen. Ich hoffe, er will uns immer noch helfen!"

„Seid gegrüßt werte Gäste!", hieß Wawildi die Freunde etwas nervös willkommen, „Wenn ihr bereit seid, kann ich euch jetzt zum Orakel führen!" Er schnalzte laut und eine riesige Schmetterlingsdame kam auf sie zugeflogen. „Das ist Helena, sie ist eine treue Begleiterin von mir. Komm, Helena! Lass uns losfliegen!", sagte das Moosmännchen, doch die Schmetterlingsdame hatte nur Augen für Bob.

Allorgan - Das Amulett des LichtesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt