Kapitel 2. Prinz Haer II.

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„Ich kenne diesen Jungen nicht!", sagte Kenos stirnrunzelnd, „Bringt ihn her!" Der Diener nickte und ging hinaus. Nach einigen Minuten öffneten sich die Türen erneut und ein stattlich gekleideter junger Mann betrat den Saal. Er hatte grüne Augen und oranges Haar. Er war hochgewachsen und dünn und schlaksig. „Seid gegrüßt, Eure Hoheit. Ich bin Prinz Haer II.", sagte er und verneigte sich vor dem König, „Ihr kennt mich wahrscheinlich nicht, ich bin von weit weg her gereist gekommen. Mein Vater ist König Dalius vom Gebirge Haschira im Norden des Landes. Unsere Großväter waren Brüder." „Ich kenne dich durchaus nicht.", sagte Kenos misstrauisch. „Ich war gerade in der Nähe und bräuchte einen Ort zum Schlafen.", erklärte Haer. „Ich bin mir sicher, wir finden Platz für einen entfernten Verwandten!", sagte Salya und stand vom Tisch auf, „Bringt bitte die Sachen des Prinzen herein und macht unser bestes Zimmer für ihn bereit!"

Die Diener schleppten die Sachen von Haer nach oben. Als er sein Gemach sah, stockte ihm der Atem. Er war noch nie zuvor in solch einem luxuriösen Zimmer gewesen. Die Decken waren mit einem riesigen Gemälde mit Drachen und Wolken geschmückt. Vergoldete Ornamente waren überall angebracht. Ein riesiges Himmelbett stand in der Mitte des Zimmers. Leichte helle Seidenvorhänge schmückten den Rahmen des Bettes und Daunendecken und Kissen lagen bereit. Haer ließ sich hineinsinken.

Die Tür öffnete sich und Salya betrat den Raum. „Ich hoffe, alles ist nach Eurem Wunsch!", sagte sie, „Ich bin mir sicher, Ihr seid besseres gewöhnt!" „Oh, nein!", erwiderte Haer freundlich, „Es ist alles ausgezeichnet! Dankeschön!" „Ich muss mich für meinen Verlobten entschuldigen. Er ist ein wenig-, Nun ja- misstrauisch Fremden gegenüber.", antwortete sie entschuldigend, „Ich kann ihnen empfehlen in den Garten zu gehen oder auf den Markt, falls Ihnen langweilig werden sollte." „Das ist sehr freundlich!", entgegnete Haer dankbar, „Aber ich ziehe es vor, das Bogenschießen zu üben. Möchten Sie vielleicht mitkommen?" „Oh, gerne!", antwortete Salya und hakte sich bei Haer ein.

Die Beiden gingen hinunter zum Bodenschießplatz. Haer nahm sich einen Bogenund gab ihn Salya. „Ich weiß nicht, ob ich das hinbekomme.", sagte sie schüchtern. „Keine Sorge!", sagte Haer und stellte sich hinter sie, „Sie legen die Hand hier hin und mit der anderen greifen Sie die Sehne und spannen sie!" Er legte ihre Hände an die richtigen Stellen und half ihr einen Pfeil einzulegen. Haer war so nah an Salya, dass sie seinen Atem auf ihrer Schulter spürte. Er war merkwürdig kalt.

Sie ließ die Sehne los und der Pfeil schoss durch die Luft, geradewegs in die Mitte der Zielscheibe. „Sehen Sie? Sie sind ein Naturtalent!", sagte Haer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Am nächsten Morgen saßen Kenos, Josko und Firenah am Frühstückstisch. Es war ein unangenehmes Schweigen. Firenah, die sich gerade ein Marmeladenbrot schmierte, fragte zögerlich: „Wo ist eigentlich Salya?" Kenos, der gerade die Zeitung las, schnaubte nur. Er hatte schon den ganzen Morgen die Stirn in Falten gelegt. „Was ist los mit euch beiden?", fragte Firenah besorgt und nahm Kenos Hand, „Erzähl es mir!" „Wo Salya ist? Wahrscheinlich schon wieder mit diesem Haer unterwegs. Das gefällt mir garnicht! Es geht immer nur: Haer dies..... Haer das... Ich bin es Leid!", sagte er wütend.

Die Tür öffnete sich und Salya und Haer kamen lachend herein. Ihre Haare waren vom Wind zerzaust und ihr blaues Kleid war zerknittert. „Können wir mal reden?", fragte Kenos mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ja, na klar!", sagte Salya, „Was ist los?" „Können wir das bitte draußen klären?", erwiderte der König. „Nein, wir sind hier unter Freunden!", sagte Salya genervt, „Jetzt sag schon!" „Na schön!", antwortete Kenos aufgebracht, „Ich habe es satt. Seit Haer hier ist heißt es bei dir immer nur: „Haer ist so toll! Er ist ja so interessant!" Außerdem, was fällt dir ein, ihn einfach einzuladen, hier in meinem Schloss zu bleiben, ohne das mit mir abzusprechen. Ich bin der König, hast du das vergessen?" „Was ist dein Problem?", schrie Salya wütend, „Du kannst mir doch nicht verbieten männliche Freunde zu haben! Er hat wenigstens Besseres zu tun, als Tag ein Tag aus nur hier im Schloss zu hocken und sich auf seinem Reichtum auszuruhen!" „Ach, wenn das so ist, dann sei doch mit ihm zusammen!", entgegnete Kenos aufgebracht und ging aus dem Speisesaal. Die Tür fiel laut hinter ihm ins Schloss. Verdutzt schauten die Feunde Kenos nach.

„Huch!", schrie Firenah plötzlich. „Was ist los?", fragte Josko sofort besorgt. „Ich glaube die Fruchtblase ist geplatzt!", erwiderte Firenah und hielt sich den Bauch. „Haer, holt bitte sofort eine Hebamme und einen Arzt!", bat Salya, „Ich werde Merrottli holen. Sie weiß sicher, was zu tun ist!"

Allorgan - Das Amulett des LichtesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt