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Das Sumpfwasser war trüb und grünlich und alles andere als kristallklar, was meine Sicht nicht unbedingt verbesserte. Das viele Surfen hatte meine Arme stark gemacht. Ich war eine hervorragende Schwimmerin. Mit geübten Zügen pflügte ich durch das Wasser. Immer tiefer tauchte ich hinab zum Boden. Langsam begann ich den Druck in meinen Lungen zu spüren. Mir blieb nicht viel Zeit zum auskundschaften. Ohne Taucherbrille war alles was ich erkennen konnte der verschwommene Umriss des Bootes, das bereits begann im Schlick zu versinken. Nur mit einem sehr belastbaren Kran würde man es noch zurück an die Oberfläche bekommen. Das markellose Weiß schimmerte durch das Wasser. Vorsichtig schwamm ich näher heran. Meine Hände strichen über die glatten Außenseiten. Keine Seepocken, keine Ablagerungen. Es konnte erst kürzlich gesunken sein. Vermutlich hatte der Sturm es gestern erwischt. War jemand an Board gewesen? Hatte es sich von einem Steg, oder Hafen gelöst? Die Mehrheit der Kooks verstand nichts davon ein Boot festzumachen. Wenn einer von ihnen meinte es selbst sichern zu können anstatt einen Angestellten darum zu bitten wäre es kein Wunder, wenn Agatha es mit sich gerissen hätte. Es musste nur weit genug rausgetrieben und dann später hier gelandet sein. Das offene Meer war nicht weit entfernt und durch die Strömungen und den Wind von gestern Nacht wäre es hier gelandet. Mir ging langsam aber sicher die Luft aus. Über mir lagen mehrere Meter Wasser, die mich von dem nächsten Atemzug trennten. Zu schnell dürfte ich nicht auftauchen. Das wäre bereits bei dieser Tiefe nicht unbedingt gut für mich. Obwohl alles in mir danach verlangte ins Innere zu sehen musste ich widerwillig nachgeben. Ich brauchte Luft. Ich stieß mich vom Boot ab und tauchte angetrieben von kräftigen Beinschlägen auf. Das ungefilterte Licht brannte in meinen Augen, die vom Seewasser benetzt waren. Keuchend lächtzte ich nach Sauerstoff, wobei ich mich bereits wieder unserem fahrbaren Untersatz nährte. Meine Freunde starrten mich erwartungsvoll an.
"Und? Irgendwelche Leichen gefunden?", harkte JJ nach. Er kaute auf einem Zahnstocher herum.
Ich begann zu grinsen.
"Noch nicht, aber das müsst ihr euch ansehen! Es ist ein Schmuckstück und nigelnagelneu."
Das ließen sie sich nicht zwei Mal sagen. Kie sprang als Erste zu mir ins Wasser. Wir warteten nicht auf die Jungs, sondern tauchten direkt ab. Kurze Zeit nach mir erreichte sie das Wrack. Dieses Mal hielt ich mich nicht mit der Fassade auf, sondern versuche direkt über das Deck zur Fahrerkabine zu schwimmen. Die Jungs kamen an. Erschrocken zuckte ich zusammen, als JJ mir auf die Schulter tippte. Ich hatte gerade versucht die Tür ins Innere des untergegangenen Boots aufzubekommen. Selbst unter Wasser erkannte ich sein Grinsen. Mit seinen Lippen formte er schließlich einen kleinen Kreis und ließ einen Ring aus Sauerstoff aussteigen. Begeistert von sich selbst und seiner Leistung deutete er darauf. So cool es auch aussah war es eine Vergoldung von wichtiger Atemluft. Die Tür klemmte. Hätte ich mehr Luft in den Lungen, oder im Idealfall eine Möglichkeit gehabt zu atmen hätte ich sie vermutlich mit Leichtigkeit aufbekommen, meine Lungen drohten erneut zu bersten. Da JJ der Einzige in meiner unmittelbaren Nähe war deute ich ihm an, dass ich auftauchen würde.
Trotz seiner Mätzchen hatte der blonde Surfer wohl mehr Luft übrig gehabt als ich, denn nach mir tauchten erst Pope und dann Kiara auf. JB und JJ bildeten gemeinsam das Schlusslicht.
"Habt ihr es gesehen?", lachte JJ atemlos. Nacheinander hieften wir uns zurück an Board. Pope ging vor und half danach Kie und mir hoch.
"Ja und es sieht aus wie neu!", Kiaras Begeisterung entsprach der meinen.
"Das ist eine Grady White. Die kostet neu locker 500.000. Und sie hat eine top Ausstattung."
Stirnrunzelnd warf JJ mir einen Blick zu.
"Da kennt wohl jemand seine Boote. Woher weißt du das?", er klang skeptisch.
Ich zog die Schultern hoch.
"Mache von uns wurden mit vielen Talenten gesegnet.", entgegnete ich, wobei ich ihm vielsagend zuzwinkerte.
"Bitte, sucht euch ein Zimmer!", stöhnte Pope, während er sich sein Hemd überstreifte.
Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an. Froh, dass John B diesen ziemlich peinlichen Moment beendete drehte ich mich zu ihm.
"Als ich im Sturm gesurft bin habe ich das Boot gesehen. Aus irgendeinem Grund muss es weggeschlagen sein."
"Du warst gestern surfen?", Kie klang geschockt. Stimmt keiner von uns hatte ihr gegenüber diese bescheuerte Aktion mit einem Wort erwähnt.
"So macht das ein echter Pouge.", triumphierte JJ.
Ich spielte mit dem Gedanken ihn daran zu erinnern, dass er nicht mitgegangen war, da selbst er es für dumm und gefährlich gehalten hatte. Ich hatte die Besorgnis in seinem Gesicht gesehen und jetzt das. Er musste von Anderen immer einen auf den großen Macker machen. So ein Idiot.
Erwartungsvoll sah ich in die Runde. Meine nassen Haare wringte ich aus, ehe ich sie in meinem Nacken zusammenband.
"Wissen wir wem das Boot gehört?""Nein, aber das werden wir.", versprach John B.
Wie wollte er das anstellen? Keiner von uns würde es schaffen lange genug die Luft anzuhalten, um eine ausgiebige Erkundungstour zu machen. Der Weg nach unten verlangte nach Zeit und Kraft.
"Es ist zu tief", gab selbst JJ zu. Seine blonden Haare standen wild in alle Richtungen ab.
Sein bester Freund zwinkerte ihm zu.
"Für die Schwachen und Lahmen JJ."
Mein Mitbwohner schnappte sich den Anker. Er wollte doch nicht-?
"Nur das das mal klar ist. Ich werde dich nicht wiederbeleben."
Wir alle, inklusive John B wussten, dass er es doch tun würde. Wir alle würden ihn reanimieren auch wenn er sich selbst in die Scheiße ritt, die dazu führte, dass dies notwendig wurde.
Zu unser aller Überraschung war es Pope, unsere Stimme der Vernunft, der nicht protestierte. Er stellte sich neben den Trottel mit dem Anker auf dem Arm und salutierte.
"Auf Tauchstation"
John B wiederholte den Gruß. Kurz darauf stieß ihn JJ ins Wasser.
Kie verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte die Jungs mit einem strafenden Blick.
"Musste das sein?", fragte sie genervt.
JJ äffte sie nach wofür der von mir den Mittelfinger zu sehen bekam. Die Geste brachte ihn lediglich zum lachend. Seufzend begaben wir Mädels uns zu den Jungs an die Stelle von der John B gesprungen war. Wir konnten kaum die Umrisse vom Boot sehen, geschweige denn seine. Keine Luftbläschen, keine übermäßigen Bewegungen an der Wasseroberfläche. Kein Lebenszeichen. Nach einer Weile wurde mir mulmig zu mute. Wie lange konnte er unter Wasser bleiben? Wie viel Zeit war vergangen? Eine Minute? Zwei? Drei? Ich bemerkte die Unruhe, die sich auch allmählich unter meinen Freunden bemerkbar machte. Nach dreißig weitern Sekunden reichte es mir. Ich war bereit ihn hoch zu holen. Von meinem urplötzlichen Kletterversuch überrascht eilte Pope mir zur Seite. Vermutlich hatte er verhindern wollen, dass ich mich verletzte, doch er bekam mich nicht mehr zu fassen. Mit einem eleganten Sprung landete ich erneut im kühlen Nass. Kaum hatte ich begonnen zu tauchen erkannte ich durch die milchigen Wassermassen hindurch eine sich nährende Silluette. John B. Als ich unter Wasser eine Rolle machte, um die Richtung zu ändern hielt ich mir die Nase zu. Fast zeitgleich tauchten wir wieder auf.
"Sieht aus als wäre meine Rettungsmission umsonst gewesen.", scherzte ich.
Ich strich einige verirrte Haarstähnen aus meiner Stirn, die durch das Salzwasser an meiner Haut klebten. Immerhin dürften die drei Tauchgänge das Bier vollends von mir abgespühlt haben. Allmählich spürte ich die leichte Anstrengung in meinen Armen und Lungen.
Anstatt zu antworten hielt John B triumphierend einen Schlüssel in die Höhe, nachdem Kiara ihn ungeduldig gefragt hatte, ob er dort unten etwas gefunden habe. Es war der Schlüssel zu einem Motelzimmer, den er an seinem Finger hin und herschaukeln ließ. Ein funkelnder Ausdruck trat in seine Augen. Dieser Schlüssel, aber vorallem das Finden einer Grady White schrie nach einem Finderlohn.
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Outer Banks
Fanfiction"Wie ist dein Name?", rief er ihr hinterher, während sie bereits wieder ans Ufer paddelte. Mit einem Grinsen sah sie ein letztes Mal über ihre Schulter zu dem blonden Surfer. "K!" "K?", harkte er verwundert nach. "Einen Buchstaben? Mehr bekomme ic...