Ein Schuss in der Dunkelheit

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Auf der Veranda herschte dicke Luft. Und wenn ich von dicker Luft sprach meinte ich nicht die allmählich drückend werdende Hitze. Mein Magen rebellierte. Die Handflächen waren schweißnass. Es half nicht im Geringsten sie immer wieder an meiner Kleidung abzuwischen. Meine Schuhe hatte ich schon lange abgestreift und quer über den Holzboden gekickt. Bafuß gruben sich meine Zehen in das Sitzkissen des Korbsessels. Mit den Knien an die Brust gezogen hatte ich meine Arme um meine Beine geschlungen. Die einzige Möglichkeit meine zitternden Hände ruhig zu halten war die Finger ineinander zu verschränken. Die Sitzhaltung war nicht unbedingt bequem, doch sie verlieh mir eine gewisse Illusion von Geborgenheit.
Inzwischen war ich kurz davor JJ sein Feuerzeug aus der Hand zu reißen und es in den Sumpf zu schleudern. Das klickende Geräusch des ständig auf und zu schlagenden Deckels machte mich wahnsinnig. Kie kauerte auf dem Sofa gegenüber vor mir. JB lehnte, scheinbar in seinen Gedanken versunken, an einem Balken, während Pope sein Durchdrehen damit zu kompensieren versuchte sich vor dem Haus die Beine zu vertreten. JJ hingegen schien der Einzige von uns zu sein, der die Ruhe selbst war. Seine nervige happy-go-lucky Attitüde hatte wohl für ihn auch seine Vorteile.

"Wie kannst du so ruhig dasitzen?", empörte ich mich schließlich. Die einzige Regung, die sich in seinem sonnengebrannten Gesicht zeigte war die winzige Hebung einer Augenbraue. Selbst diese kleine Geste hatte meiner Ansicht nach etwas verspottendes an sich.

"Wir haben vor weniger als einer Stunde mit angesehen wie eine geborgene Wasserleiche abtransportiert wurde. Die Leiche von dem Mann dessen verdammtes Boot wir gefunden haben. Wer weiß wie er gestorben ist? Wenn es kein Unfall war sind wir vielleicht die Nächsten."

"Du übertreibst, K! Menschen sterben nunmal. Wenn er dumm genug war bei einem Hurrican rauszufahren ist es nicht verwunderlich, dass es so enden musste."

"Du meinst so dumm wie JB und Pope es waren, als sie während des Sturms surfen waren?"

Zu meiner großen Überraschung reagierte John B, den ich mit meinen Worten hatte aufziehen wollen, nicht im geringsten. Er starrte geradeaus. An seinem abwesenden Blick erkannte ich wie es in seinem Kopf ratterte.

"Jetzt fang nicht damit an.", schnauzte JJ. Seine meerblauen Augen drehten sich in Richtung der Decke.

Anscheinend brachte ich ihn dazu seine Ruhe zu verlieren. Gut so. Vielleicht verstand er dann den Ernst der Lage.

Wo sich einer zu wenig sorgte, sorgte sich ein Anderer zu viel. Vollkommen durch den Wind stürmte Pope zu uns auf die Veranda.

"Okay, also wir haben nichts gesehen. Wir wissen von nichts. Wir haben alle eine totale Amnesie."

Schwerfällig ließ er sich auf den freien Platz neben Kie fallen. Sie schien ihn unbewusst anzuziehen wie ein Magnet.

"Genau. Pope hat recht. Dieses Mal.", JJs Zustimmung überraschte mich. Vernunft gehörte für gewöhnlich nicht zu seinen Stärken. Er stand auf. "Ich stimme zu. Leugnen, leugnen, leugnen."

Leugnen. Ja. Das klang eher nach ihm.

Mir war das alles zu viel. Ich würde lügen müssen, wenn ich behaupten würde keine Angst zu haben. Mir war es förmlich einprogrammiert Konflikten aus dem Weg zu gehen. In den Jahren seit meine Erzeugerin sich abgesetzt hatte hatte ich alles getan, um in meinem Elternhaus über die Runden zu kommen. Ich hatte alles getan, um nicht dem Zorn meines Dads ausgesetzt zu sein. Jetzt fühlte ich mich erneut, als sei ich in meinem Zimmer gefangen, verbarrikadiert, während vor meiner Tür ein Sturm tobte.

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