Agatha |2|

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Der Tag nach dem Hurricane verlief anders als erwartet. Er begann damit, dass ich von John Bs Stimme geweckt wurde. Zunächst war ich ein wenig orientierungslos. Murrend kugelte ich mich weiter zusammen und versuchte mit der Decke, die über mir lag, das Tageslicht abzuschirmen. Mein Verstand war noch benebelt von den Gedanken an meine Traumwelt. Ich hatte einen seltsamen Traum gehabt auch wenn die Erinnerung dran bereits verblasste. Irgendetwas von Stürmen, Überflutungen und irgendwelchen Surfmanövern über unter Wasser stehende Städte. Es war alles durcheinander, doch ich wusste, dass meine Freunde bei mir gewesen waren. Langsam klarte mein Geist auf und ich bemerkte, dass sich etwas warmes um meine Taile geschlungen hatte. Nicht nur das. Eigentlich war mir im allgemeinen warm. Es war angenehm, da ich sonst oft am Morgen frohr. Trotz der Hitze am Mittag und Abend war es in der Nacht, sowie in den frühen Morgenstunden recht frisch. Ich genoss das Gefühl von wohliger Wärme. Angestrengt versuchte ich wieder in den Schlaf abzudriften. Leider blieb dieser Versuch erfolglos. Plötzlich spürte ich wie sich das was sich um meine Taile gelegt hatte bewegte. Erschrocken zuckte ich zusammen. Reflexartig versuchte ich Abstand zu gewinnen. Ich riss die Augen auf, sodass ich von dem weißlichen Morgenlicht geblendet wurde. Sofort kniff ich sie wieder zusammen und versuchte es kurz darauf wieder. Bedächtig blinzelte ich gegen das Licht an. Mein Atem ging stoßweise. Orientierungslos suchte ich nach Anhaltspunkten, die meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen könnten. Ich lag nicht in meinem Bett in meinem Zimmer, dennoch erkannte ich die Umgebung. Mein Herzschlag normalisierte sich. Als ich schließlich JJ neben mir auf dem Bauch schlafen sah wurde ich endgültig ruhig. Mit einer Hand auf meiner Brust sank ich zurück in das Polster. Scheinbar war ich tatsächlich während JJs Erzählungen auf dem Sofa eingeschlafen.
Im Nachhinein kam ich mir dumm vor mich so erschrocken zu haben. Das war albern. Allerdings war ich es schlicht und ergreifend nicht gewohnt neben anderen Menschen aufzuwachen. Mein ganzes Leben lang war ich eine Einzelgängerin gewesen. Ich war nie auf Pyjamapartys und hatte lediglich oberflächliche Freundschaften unterhalten. Abgesehen davon war ich am Morgen noch nicht zurechnungsfähig.

John B kam auf uns zu. Er hielt mir eine dampfende Tasse hin, die ich dankend annahm ohne zu wissen was genau drinne war. Es stellte sich als schwarzer Tee heraus. JJ schlug er mit leichter Gewalt auf den Rücken. Dieser gab lediglich ein murrendes Geräusch von sich und vergrub sein Gesicht im Kissen, welches er umklammert hielt. Ich muste bei diesem Anblick schmunzeln. Während sich JJ zunächst einmal nicht weiter bewegte machte sich unser Freund auf den Weg nach draußen. Vermutlich wollte er sich die Sturmschäden ansehen. Das es nach der letzten Nacht welche gab bezweifelte ich nicht. Bei dem Wind und den Regenfällen musste die Gegend hier im Cut schlimm aussehen und im Gegensatz zu Figure Eight würde dies für die nächste Zeit so bleiben. Hier waren wir auf uns selbst gestellt.

Bedacht darauf nichts von meinem Getränk zu verschütten rappelte ich mich vom Sofa auf. Ich stellte die Tasse auf dem Küchentresen ab. Mein erster Weg führte mich ins Badezimmer. Dort stellte ich fest, dass der Strom nach wie vor nicht funktionierte. Na super. Die kommenden Tage würde niemand die Generatoren für die South Side der Insel prüfen. Erst kam die North Side an die Reihe. Fantastisch. Es kämen somit einige Abendessen bei Kerzenschein auf uns zu. Sehr romantisch.

Ich beeilte mich, um John B zur Hilfe zu eilen bei was auch immer er gerade machte. In meinem Zimmer zog ich mich eilig um. Bikini, die für mich seit meiner Ankunft im Endeffekt die Unterwäsche ersetzten, Shirt, Shorts und geschlossene Sportschuhe. Meine Haare band ich noch im Nacken zusammen und fertig war ich für den Tag. Inzwischen war mein Tee auf Trinktemperatur abgekühlt. Genüsslich nippte ich an der Flüssigkeit. Kopfschüttelnd nahm ich zur Kenntnis, dass JJ sich nicht vom Fleck bewegt hatte. Ob er überhaupt richtig wach war? Nach einigen weiteren Schlücken stellte ich die leere Tasse in die Spüle. Mit einem Grinsen auf den Lippen hockte ich mich neben die Coach. Meine Arme legte ich auf der Lehne ab. Auf Augenhöhe betrachtete ich JJs wirre Haare. Einzele Strähnen standen wild von seinem Kopf ab. Obwohl er äußerst friedlich wirkte bemerkte ich seinen nicht ganz gleichmäßigen Atem. Er bewegte sich auch zu viel, um sich im Tiefschlaf zu befinden. Mit einer Hand kratzte er sich an der Nase.

"Erwischt!", kicherte ich. "Steh auf, Dornröschen!"

Behutsam rüttelte ich an seiner Schulter. Sobald ich sah, dass er sich leise fluchend auf den Rücken drehte und seine Beine vom Sofa schwang stand ich auf. Ich trat auf die Terasse. Der Morgen war erstaunlich schwül. Die Luftfeuchtigkeit würde dazu führen, dass meine Haare sich stärker wellen würden als für gewöhnlich. Aus dem Fenster hatte ich nur einen Bruchteil der Verwüstung zu sehen bekommen. Überall lagen Äste und Blätter herum. Hier und da noch ein Brett, oder Dachziegel. Es würde Tage dauern wieder Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Hoffentlich war das Dach nicht undicht geworden. Einer von uns müsste demnächst dort hoch, um nachzusehen. Vermutlich sollte ich das tun. Bei den Jungs hatte ich immer Bedenken, dass sie sich bei solchen Aktionen das Genickt brechen könnten. Über das nasse Gras rannte ich zu John B hinüber, der gerade dabei war das Motorboot von heruntergefallenen Ästen zu befreien. Zum Glück sah es nicht danach aus, dass es einen Schaden davongetragen hätte.

"Wir sollten nach dem Hahn sehen. Nich das es ihn erwischt hat.", nuschelte JJ im Hintergrund.

John B und ich tauschten einen amüsierten Blick aus und verdrehten die Augen. JJ liebte dieses Tier. Allerdings war seine Idee nicht die Schlechteste. Wir sollten sicher stellen, dass der kleine Hühnerstall nicht beschädigt worden war und es seinem Bewohner gut ging. Ein wenig Futter könnte auch nicht schaden. Ich sah zurück zur Veranda auf der JJ an einen Balken gelehnt stand und an einem Joint zog. Der weiße Rauch quoll zwischen seinen Lippen hervor. Es war mir ein Rätsel wie er ständig kiffen konnte, ohne den Eindruck zu erwecken 24/7 high zu sein. Scheinbar steckte er diese Substanzen recht gut weg. Allerdings sollten wir nochmal überlegen ob wir ihn fahren lassen sollten. Auch wenn er recht zurechnungsfähig wirkte war es vermutlich eine schlechte Idee.

"Ernsthaft, JJ? Es ist acht Uhr morgens."

"Reg dich ab! Das ist bloß... eine Kleinigkeit um mir den Start in den Tag zu versüßen. Willst du auch ziehen?"

Trotzdessen, dass er mehrere Meter von mir entfernt stand hielt er mir den glimmenden Stummel entgegen.

"Nein, danke.", lehnte ich ab.

Ich kiffte nicht, hatte ich noch nie. So wie ich mich kannte würde ich mir auch lediglich die Lunge aus dem Leib husten.

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Outer BanksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt