𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟏𝟎

46 3 0
                                    

Die nächsten zwei Wochen zeigte sich der Herbst so richtig. Es gab keinen einzigen Tag, an dem es nicht eine Unwetterwarnung ab. Zusätzlich wurden wir mit einem Test von unserer Chemielehrerin überrascht.

Am Donnerstag stand ich bei den Fahrradständern in der Schule. Gerade als ich mit meinem Fahrrad losfahren wollte, entdeckte ich einen Platten. Nicht nur, dass ich heute eine fünf in der Chemieabfrage bekommen hatte, nein. Irgendein Arschloch hatte mir ein Loch in meinen Reifen gepiekt.

Frustriert ließ ich mich gegen die Wand sinken und lehnte meinen Kopf dagegen. Vielleicht konnte ich einfach warten, bis es aufhörte und dann nach Hause gehen.

Um zum Haus meiner Eltern zu kommen, bräuchte ich ca. 45 Minuten, was ich in dem strömenden Regen nicht gewillt war zu gehen. Ich hätte Lous oder Dis Eltern anrufen können, entschied mich aber dagegen.
Bestimmt hörte es bald auf zu regnen.

Aber es hörte nicht auf wie aus Eimern zu schütten. Nach einer viertel Stunde saß ich immer noch da, mittlerweile total unterkühlt.

Ich hatte meine Stirn auf meinen Knien abgelegt und versuchte mich irgendwie zu wärmen. Von weiter weg konnte ich ein paar Fußschritte und Gelächter hören, aber ich blickte nicht auf.

"Wohnst du jetzt hier" ,wandte sich eine vertraute Stimme an mich und ich zeigte ihm nur den Mittelfinger. Wieso muss er immer in den unangenehmsten Momenten auftauchen.

"Kannst du nicht einfach abhauen", entgegnete ich und hob den Kopf. Doch anstatt das übliche Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen, war da ein Ausdruck der Besorgtheit.

Er war mitten im Regen stehen geblieben und sah auf mich hinunter. Seine braunen Augen musterten mich mit einer Wärme, die irgendwas in mir aufflackern ließ. Den Regen schien ihn nicht zu kümmern, denn die Tropfen liefen seine scharfen Gesicht Konturen hinunter und landeten anschließend auf dem weißen Sportoberteil, was er anhatte. Es klebte an ihm wie eine zweite Haut und betonte jeden seiner Muskeln, die sich unter dem T-Shirt verbargen.

"Hey, hier oben sind meine Augen", rief er mir zu und deutete mit zwei Fingern auf besagte Körperteile. Er machte einen Schritt auf mich zu und hielt mir die nasse Hand hin.

"Komm, ich fahr dich heim."

Nach einer kurzen Bedenkzeit ergriff ich seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen. Ich klopfte den Regen an meiner Hose ab und folgte Flynn zu seinem Auto. An der rechten Schulter trug er eine Sporttasche.

So wie es aussah, kam er gerade vom Training oder aus unserem schuleigenen Fitnessraum.

Wir gingen zu einem ziemlich schäbig aussehenden Ford. Ganz wie ein Gentleman hielt er mir die Beifahrertür auf und ich nahm Platz. Sobald er das Auto gestartet hatte, drehte er die Heizung volle Kanne auf. Besorgt umfasste er meine Hände.

"Gott, die sind ja ganz eingefroren. Wie lange saßt du da?"
Sein Blick ruhte auf mir und meine Haut fing an zu kribbeln. Ich bildete mir ein, dass es auf Grund der Wärme war, die sich im Auto ausbreitete. Aber tief im inneren wusste ich, dass es nicht daran lag.

"Ist ja nicht so schlimm. Immerhin lebe ich noch" ,witzelte ich, doch Flynn lachte nicht. Die Augenbrauen hat er zusammen gekniffen und er kaute auf seiner Unterlippe.

"Also", schien er aus seiner Trance erwacht zu sein, Wo soll es hingehen? Nach Hause?"

Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen das Armaturenbrett. Meine Haare fielen mir ins Gesicht, als ich mich zu Flynn umdrehte und ihn anschaute.

"Können wir bitte irgendwo anders hinfahren?"
Er schien kurz zu überlegen, dann fasste er einen Entschluss.

"Kein Problem, MyLady. Euer Wunsch ist mir Befehl, gab er zurück und manövrierte den Wagen aus der Parklücke.

Eine viertel Stunde später hielten wir vor einem Plattenbau, der in den grauen Himmel ragte. Das Gebäude wirkte total trist und farblos.

"Warte...wohnst du hier", fragte ich etwas nervös und schnallte mich ab. Durch die Fahrt waren mir meine Gliedmaßen wieder aufgetaucht. Zusätzlich hatte Flynn noch an einem kleinen Café gehalten. Sich selbst hatte er einen Kaffee gegönnt und mir einen Tee geholt. Und er hatte darauf beharrt, zu bezahlen.

"Ich habe doch gesagt, ich würde dich meiner Mutter vorstellen", erklärte er nur mit einem Grinsen. Ohne ein weiteres Wort stieg er aus und öffnete mir die Tür. Ich zog die Kapuze meiner Jacke über meinen Kopf. Zusammen liefen wir durch den Regen zur Eingangstür des Hauses. Der Regen prasselte um uns herum, doch ich hörte nur seine wundervolle Lache.

Im fünften Stock angekommen schloss er die Haustür auf. Ich gelangte in einen orange gestrichenen Gang, der mit einem ziemlich flauschigen Teppich ausgelegt war. Von unten her hörte ich ein Mauzen. Um meine Beine strich eine graue Katze und rieb ihren Kopf an mir. Mit einem Lächeln folgte ich Flynn, der das kleine Fellknäul aufhob und ihm einen Kuss auf den Kopf drückte. Hinter mir schloss ich die Tür und streifte meine Schuhe ab.

"Geh schon mal vor in die Küche. Muss mich nur schnell umziehen, oder willst du dabei auch zuschauen?
Kokett grinste er mich an und verschwand dann in hinter der Tür links von mir.

Planlos und wie ein begossener Pudel stand ich nun alleine da. Der Flur war relativ lang, aber nicht sonderlich weit. Auf jeder Seite zweigten sich jeweils zwei Zimmer ab. Am Ende des Ganges schien es noch ein Zimmer zu geben und da dies das einzige mit offener Tür war, entschied ich mich kurzerhand für das.

Es entpuppte sich als das Esszimmer und die Küche. Der hintere Teil war die Küche, mit allen nötigen Dingen, welche dann zu einem kleinen Tisch, mit zwei Stühlen führte. Auf einer der beiden Stühle saß ein Mädchen, die Flynn nicht besonders ähnlich sah. Sie hatte zwar blonde Haare, aber ihre stahlgrauen Augen hatten nichts von der Wärme, die seine ausstrahlten.

Hinter mir hörte ich, wie sich eine Tür öffnete. Flynn kam zu uns und schob sich an mir vorbei.

"Hey Mom, hab uns Besuch mitgebracht", begrüßt er sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich zu mir um und drückte mir einen seiner Pullis in die Hand.

"Hier, zieh den an, falls dir immer noch kalt sein sollte."
Dankend nahm ich ihn an und zog ihn mir über mein Sweatshirt.

"Na dann lass ich euch beide mal alleine" , sagte sie und drehte sich dann zu mir um.

"Ich nehme an, du kennst ja meinen Sohn schon, aber hier mit gebe ich dir offiziell die Erlaubnis, ihn in den Wahnsinn zu treiben." Sie zwinkerte mir zu, genauso wie es Flynn immer tut und entlockt mir damit ein Lächeln.

"Das hab ich gehört" ,rief er über seine Schulter. Er hat uns den Rücken zugewandt und wäscht gerade irgendwas im Spülbecken.

Kopfschüttelnd verschwand seine Mom aus dem Zimmer. Unschlüssig stand ich im Raum und blickte mich um. Es hingen zwei Küchenschränke über der Anrichte. Auf dem Fensterbrett standen ein Haufen Kräuter und eine bunt bemalte Gießkanne.

"Ich weiß, es ist nicht das größte, aber ich hoffe trotzdem, du fühlst dich hier wohl", sprach Flynn und kratze sich am Hinterkopf. Warte, war Flynn, der Typ mit dem riesen Ego, etwa verlegen?! Grinsend betrachte ich nochmal den Raum mit dem kleinen, süßen Holztisch an der rechten Wand.

"Es ist wundervoll hier", antwortete ich nur und stellte mich dann zu ihm.

"Hast du denn schonmal irgendwas gekocht" , fragte er und trocknete die Hände an einem Handtuch ab. Ich schüttelte den Kopf. Er riss die Augen auf und betrachtete mich dann für einen Moment. Unter seinem Blick verlernte ich glatt zu atmen und spürte, wie mir unter seinem Pulli immer wärmer wurde.

"Da haben wir noch viel Arbeit vor uns" , meinte er und klatschte freudig in die Hände.

..........................
Wie versprochen, heute kommt noch ein Kapitel online.
Ehrlich gesagt, ist das (mit dem nächsten Kapitel) eins meiner Lieblinge. Was haltet ihr davon und was passiert an diesem Abend wohl noch so alles 👀
Schreibt mir doch gerne, wie ihr es fandet und ich hoffe, ihr  hattet einen tollen Tag 🥰
-Larry

Hate and LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt