DieDämmerung brach an. Die ersten Sonnenstrahlen legten sich wie ein blutorangenerTeppich über die Ländereien der Cussings und erweckten die Pflanzen und Tierezu neuem Leben. Jane war die Erste, die im Gewächshaus die Augen aufmachte unddirekt in das Gesicht von Faith sah. Sie richtete sich auf und sah auf denPlatz, auf dem die Beiden geschlafen hatten. Als sie gestern Nacht zu müdewaren um auch nur noch ein Auge aufzuhalten, legten sie eine Decke gefaltet aufden Boden und benutzten die zweite als normale Decke. Sie war groß genug fürzwei Personen gewesen, aber so eng wie Faith und Jane gekuschelt hatten, hätte auch eine Decke füreine Person gereicht. Jane sah auf Faith hinunter. Sie empfand doch tatsächlichdasselbe für sie wie sie selber für Faith. Ein Lächeln schlich sich auf ihrGesicht und sie legte sich zurück zu der kleineren Frau. Jane fuhr langsam mit dem Zeigefinger die Konturenvon Faiths Gesicht entlang. Ein paar Haarsträhnen strich sie ihr dabei aus demGesicht, was wohl auch an Faiths Nase vorbeiging, denn auf einmal krümmte siesich und musste laut niesen. „Hui, Gesundheit." „Danke.", sagte Faithverschnupft und sah schläfrig zu Jane. „Guten Morgen.", kam es gleich danachaus ihrem Mund. „Entschuldige ich bin morgens immer ein bisschen verschnupft."Jane lachte. „Keine Sorge. Ich finde es niedlich." „Hey, ich bin nichtniedlich.", ärgerte sich Faith und knuffte Jane in die Seite, die aber nur inein schallendes Gelächter ausbrach, als Faith ihre Unterlippe vorschob und einGesicht machte, als wäre sie ein Welpe. Als sie sich wieder beruhigt hatte,schaute sie aus dem Fenster. Man konnte nicht viel erkennen, weil die Scheibenden Blick verschwommen machten, aber die Sonne war nicht zu übersehen. Siestand bereits zur Hälfte über dem Horizont. „Weißt du wie viel Uhr es ist?",fragte Jane Faith. „Ich habe eine kleine Sonnenuhr außen angebracht, da kannich die ungefähre Uhrzeit ablesen. Warte kurz." Sie stand auf und ging zur Tür,öffnete sie und sah nur mit dem Kopf um die Ecke. Jane spürte einen leichtenkalten Windzug, der sie zittern und sich die Decke enger umwickeln ließ. DieTür schloss mit einem leisen Quietschen. „Es ist ungefähr halb sieben." Beideschwiegen. Sie wussten, dass sie aus dem Gewächshaus hinaus und Jane in ihrZimmer und Faith zu ihrer Arbeit musste. „Ich muss um sieben Uhr in der Küche sein.",sagte Faith und blickte auf, zu Jane. „Wir dürfen das niemandem sagen.", sagteJane mit kleiner Stimme. „Ich weiß.", erwiderte Faith. „Können wir dastrotzdem, also naja... wiederholen?", fragte Jane und griff nach Faiths Hand.Faith fing an zu lächeln. „Nichts lieber als das." Sie standen auf und gingenzusammen zu Tür. „Warte-", sagte Faith und zog Jane noch einmal an sich heran,legte die Hand auf ihre Wange, sah sie kurz an und küsste sie noch einmal. Alssie sich lösten sagte sie: „Noch einmal bevor die Realität kommt." Und wieFaith es angekündigt hatte erfasste sie die Realität mit einem großen Schwung.Der erste Windzug, der Jane ergriff nachdem sie und Faith sich auf dem kleinenWeg auf dem sie gekommen waren getrennt hatten, blies ihr die Realität direktins Gesicht und zwar in Form von Beth, die wie ein Windhund auf siezugeschossen kam. Mit einem letzten Seufzer verabschiedete sie sich von derNacht und machte sich bereit auf den kommenden Tag mit all seine Fallen undIntrigen.
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Weiße Rosen frieren nicht
Historical FictionJane Poltman, aufgewachsen im England des 18. Jahrhunderts, soll nach dem Tod ihres Vaters auf seinen letzten Wunsch hin mit Theodore Cussing verheiratet werden. Jane hält nichts von diesem Plan, doch als sie auf Drängen der Tante und Einladung der...