Aus dem Auge, aus dem Sinn

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Schon bevor die Sonne über den Hügeln scheinen konnte und die ersten Vögel ihre Nester verließen waren Faith und Jane auf den Beinen. Sie begannen damit jede einzelne Sache, die auf eine gemeinsam verbrachte Nacht hinwies zu verschleiern. Säuberlich legte Jane das zweite Nachthemd zusammen während Faith draußen die Gartenmöbel und die Decken wieder so herrichtete, als wäre nie jemand auf der Terrasse gewesen. Als die Uhr gerade 8 Uhr anzeigte hörte Jane das Bimmeln der Haustür. Als diese öffnete sah sie vor sich eine strahlende Beth, die scheinbar gerade erst von Jonathan wieder hergebracht wurde. „Und, wie war die Nacht?", fragte Jane sie in verschwörerischem Flüstern. „Sie war wundervoll.", flüsterte Beth zurück und nahm Jane lachend für einen kurzen Augenblick in die Arme. Faith kam gerade aus der oberen Etage und machte vor Beth einen kleinen Knicks. „Das Frühstück ist fertig.", sagte sie ehrfürchtig und deutet auf das kleine Esszimmer gleich neben dem alten Arbeitszimmer von Janes Vater. „Perfekt, danke.", sagte Beth und ging überschwänglich glücklich auf das Zimmer zu. Sie musste wirklich eine gute Nacht gehabt haben. Jane lächelte verstohlen, als sie sich selber an ihre Nacht erinnerte. Der Gedanke daran, dass niemand außer ihnen beiden von der Nacht wusste war aufregend, aber gleichzeitig auch traurig, weil Jane Beth eigentlich genauso gerne von ihrer Nacht erzählen würde. Doch die Gefahr war zu groß, dass Beth sie nicht verstehen und verraten würde. Das Frühstück beendet und gut vollgegessen machten sich Jane und Beth auf bereits weitere Möbel aus dem Haus zu schaffen bis Theodore endlich ankam. Er hatte sich für 9 Uhr angekündigt, doch er ließ auf sich warten. Um halb 10 war er immer noch nicht da und Beth wurde so langsam langweilig. Sie hatten alle Zimmer ausgeräumt bis auf das Arbeitszimmer und Beth wollte nun auch dieses in Angriff nehmen, doch Jane schaffte es immer wieder sie mit anderen Dingen davon abzuhalten. Sie wollte, dass Theodore den Brief fand, denn wenn Beth ihn finden würde, würde das den Plan noch komplizierter machen, als er sowieso schon war. Endlich, um 10 Uhr 15 fuhr die Kutsche mit Theodore in die Einfahrt. Erleichtert Beth nun nicht mehrbeschäftigen zu müssen und gleichzeitig genervt von der Verspätung ging Jane aus der Haustür und begrüßte den jungen Mann. Von ihm kamen jedoch keine Worte der Entschuldigung, sondern eine halbherzige Begrüßung. Nun konnten sie also das Arbeitszimmer ausräumen. Jane und Faith waren aufgeregt und warfen sich immer wieder nervöse Blicke zu. Theodore sah sich zuerst im Raum um und teilte dann ein was mitkommen sollte und was nicht. Der Sekretär des Vaters sollte nicht mitgenommen werden, allerdings die Akten und Aufzeichnungen in ihm. Doch der Schlüssel fehlte. Kein Wunder, Faith hatte ihn ja versteckt. „Jane!", rief Theodore durch den Flur, „Wo hatte dein Vater den Schlüssel?", fragte er und deutete auf den alten Tisch. „Ich weiß es nicht. Er hatte nur immer gesagt, dass er ihn verstecken würde, damit niemand an seine Unterlagen kommt.", antwortete Jane und fügte hinzu: „Aber er muss hier im Raum sein.". „Na dann los. Sucht mit!", hallte die befehlende Stimme des Mannes durch den Raum. Es dauerte nicht lange bis er selber triumphierend den Schlüssel in der Hand hielt und die Suche für beendet erklärte. Er wies Faith an eine Box zu holen in der man die Papiere transportieren könnte und öffnete gleichzeitig die vier Schubladen. Papier für Papier sah er sich an, sortierte, scheinbar in brauchbar und nicht brauchbar und verzog dabei keine Miene. Bis Jane aus dem Augenwinkel sah wie er stutze. Er hielt einen Brief in der Hand. Nach allem was Jane erkennen konnte musste es der Brief sein, den Faith in die Schublade gelegt hatte. Theodore blickte sich verstohlen im Raum um und steckte schließlich den Briefumschlag in seine Manteltasche. Verwirrt sah Jane zu Faith, die die Szenescheinbar auch beobachtet hatte doch was bleib ihnen übrig als abzuwarten? Kurz danach fuhren sie ab. Das Haus verschwand wieder hinter dem Hügel und nur kurz nachdem sie losgefahren waren fing es an in weiter Entfernung zu Donnern und bald darauf auch wie aus Eimer zu regnen. Wenn das mal kein Omen für die nahe Zukunft war.

Weiße Rosen frieren nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt