Die Elterngeneration

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"Lassen Sie mich raten, was geht Sie denn das an: Sie werfen Ihren Sohn raus, weil er auf Männer steht. Warten Sie, darf ich Sie überhaupt beim Vornamen nennen? Ich fühle mich unwohl dabei."

"Was redest du da? Bist du irgendwie verwirrt oder sowas?"

"Wissen Sie, genau das hat mich der Kerl neben mir auch gefragt, als ich vor den Bus gelaufen bin. Und der Fensterputzer, als ich vom Dach gesprungen bin. Aber hey, aus Fehlern lernt man, nicht wahr?"

"Das stimmt."

"Na ja, das war eher rhetorisch gemeint. Ich weiß ja, dass Sie und Ihre Frau nicht aus Ihren Fehlern gelernt haben, sonst wäre Kyle nicht entstanden."

"Was erlaubst du dir eigentlich?!"

"Ich bin schon volljährig, also alles, was das Gesetz mir verbietet. Aber an diese Gesetze bin ich eh nicht gebunden, deswegen ist das überhaupt kein Problem."

"Zuerst dachte ich, du seist wenigstens ansatzweise sympathisch, aber dann hast du angefangen zu reden und diese Illusion war wie weggespült."

"Das müssen sich die Leser auch gedacht haben, als Ihre Figur vorgestellt wurde."

"Was denn jetzt für Leser."

"Die Typen, die dafür sorgen, dass Sie sind, wie Sie sind. Und dass Sie nicht im Papierkorb landen, wo Sie hingehören. Denn nur durch die Leser, die Interesse an der Gesichte Ihres Sohnes haben  existieren Sie überhaupt."

"Ich glaube dir definitiv, dass du verrückt bist."

"Wie nett von Ihnen, aber Ihre Meinung interessiert hier herzlich wenig. Deswegen küsst Ihr Sohn eben auch lieber Männer, als von Ihnen in ein Gefängnis gesperrt zu werden."

"Es wirkte nicht so, als würdest du meinen Sohn mögen, aber ihn schwul zu nennen, könnte dein Untergang sein."

"Drohen Sie mir gerade? Ich finde es ja sehr witzig, mich mit den Eltern der Protagonisten anzulegen, aber das habe ich nicht erwartet. Wissen Sie, Sir, wenn ich wollen würde, dass Sie ein rosa Tutu mit passender Strumpfhose und enganliegendem Unterhemd tragen, dann werden Sie das auch tun. Und wenn ich das Buch zuschlage oder wegschmeiße, dann haben Sie sowieso keinen Sinn mehr. Machen Sie sich nichts daraus; niemanden interessiert, was aus ihrem homophoben Mund kommt. Und jetzt reicht es mir endgültig, ich gehe den berühmten Mafiaboss interviewen."

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