Kapitel 4 | I

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Kapitel 4
Donach im Jahre 1308


Pechschwarze Stille. Elizabeth hatte sich immer vor der Dunkelheit gefürchtet, denn ihre beste Waffe waren ihre Augen — stürmisches, eiskaltes Ozeanblau. Kombinierte man sie mit ihrem inneren Hass, der in ihr loderte, seit ihr Herr Vater das erste Mal die Hand gegen sie erhoben hatte, machten sich sogar die Krieger auf Windsor Castle ins Hemd.

Deswegen hieß sie das orangerote, flackernde Licht willkommen, als sie blinzelte. Unscharfe Umrisse setzten sich zu ihrem bereits bekannten Zimmer zusammen. Mit jedem Atemzug kehrte ein Stück Realität zurück. Die Realität nahm Fahrt auf. Plötzlich stürzten alle Erinnerung auf Elizabeth ein.

Zelle sieben, Lady Victoria. Backpfeife. Und ...

Elizabeth setzte sich eilig auf. Sie war eingeschlafen — vor Schwäche. Weil sie zu schwach gewesen war, sich und Victoria aus dem Verlies in ihr Zimmer zu bringen. Victoria!

Ihr Blick huschte ruckartig durch ihr Zimmer. Das orangerote Licht hatte sie inzwischen als Feuer im Kamin und an den Kerzen identifiziert und direkt vor ihrem Fenster, auf dem Fenstersims, sah sie Victoria.

Ihr zimtbraunes Haar schimmerte rötlich. Sie wusste nicht, ob es an der Farbe oder an dem Feuer lag, machte sich jedoch auch keine weiteren Gedanken mehr darum, als Victoria anfing zu blinzeln. Elizabeth wollte eigentlich sofort zu Victoria, ermahnte sich allerdings. Victoria brauchte ihre Ruhe und Abstand.

»Wie geht es Euch?«, fragte Elizabeth ruhig, nachdem Victoria sich einigermaßen sicher aufgesetzt hatte.

Victoria schwieg.

Elizabeth wollte sie zu nichts drängen. Wenn sie nicht reden wollte, würde sie sie nicht dazu zwingen. Sie fragte sich, wie der Laird sich das vorstellte. Wie sollte Victoria Kinder unterrichten, wenn sie kein Wort sagte? Möglicherweise konnte sie es den Kindern aufschreiben. Aber dafür müssten jene erst einmal lesen können und Elizabeth wusste nichts über die Bildung dieser Kinder. Dennoch kam ihr bei dieser Idee ein Gedankenblitz.

»Könnt Ihr schreiben?«, erkundigte sie sich. Sie würde sich in Zukunft Mühe geben, ihre Fragen als Ja-Nein-Fragen zu formulieren, sodass Victoria nur mit dem Kopf schütteln oder nicken musste. Jetzt nickte sie.

»Der Laird ließ Euch von mir holen, damit wir die Kinder des Clans unterrichten können. Ihr könntet die Buchstaben auf ein Blatt Pergament schreiben, damit die Kinder es zuhause lernen können. Das Sprechen übernehme ich. Wäre das für Euch in Ordnung?« Wieder nickte sie.

Wild entschlossen eine Aufgabe für Victoria zu finden, damit sie nicht in ihren Gedanken ertrank, stand Elizabeth auf. Sie selbst kannte das Gefühl viel zu genau, wenn die Gedanken einem die Kehle zuschnürten, als wollten sie einen erdrosseln. Durch eine Ablenkung würden diese Gedanken nicht verschwinden, aber wenigstens für eine kurze Zeit in den Hintergrund rücken.

Elizabeth durchsuchte die Schränke nach Pergament und einer Feder. In dem Dritten wurde sie fündig und ging auf Victoria zu. Kurz vor ihr blieb sie stehen und legte fragend den Kopf schief, und als Victoria nickte, legte sie ihr die Schreibutensilien auf den Schoß. Victoria blickte zu ihr hinauf und der dankende Ausdruck in ihren haselnussbraunen Augen erwärmte Elizabeths Herz.

Dann drehte sie sich um und während sie zur Tür ging, sagte sie: »Ich bin sehr hungrig. Möchtet Ihr auch etwas essen?«

Allein gegen HighlanderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt