Kapitel 1 | III

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Kapitel 1
Huntford im Jahre 1308

»Steh auf, uan milis!«, befahl die feste Stimme des riesigen Schotten und brachte erst jegliche Gespräch zum Stillstand, ehe mehrere Schotten vergnügt grunzten und andere wiederum ein amüsiert Grinsen auf den Lippen trugen. Elizabeth wusste, dass er sie angesprochen hatte, immerhin schaute er genau in ihre Richtung, aber sie wusste nicht, was er am Ende gesagt hatte. Allerdings war sie sich sicher, dass es irgendetwas lächerliches war, sonst hätten die Schotten wohl kaum gelacht.

Störrisch reckte Elizabeth ihr Kinn nach vorn, während sie schwungvoll aufstand. Sie rümpfte ihre Nase, es konnten ruhig alle wissen, wie ungern sie hier war. Als sie zu dem Schotten mit den dunkelbraunen Locken blickte, sah sie, dass er einen kleinen Schritt nach hinten gemacht hatte und mit seiner Hand in die Richtung aus dem Feuerplatz heraus deutete. Elizabeths Brust zog sich von unbändigem Zorn dominiert fest zusammen und ihre Augen verzogen sich erneut wie von selbst zu Schlitzen, während sie ihr altes Arbeitsgewand raffte und an dem Schotten vorbei marschierte. Sie wusste zwar nicht, wohin sie gehen sollte, jedoch verließ sie einfach den Kreis der Zelte und atmete die kühle, frische Luft ein, die nicht nach Feuerrauch stank.

Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er hinter sie getreten war. Sein regelmäßiger Atmen war deutlich zu hören, ebenso wie die wieder lauter gewordenen Gespräche der am Feuer sitzenden Schotten. Als er nichts sagte, drehte sie sich zu ihm um. Er stand gewiss nicht in dem von ihr gewohntem Anstandsabstand zu ihr, es war weniger als eine Armlänge Abstand zwischen ihnen und sie blickte ihm geradewegs auf seine Brust. Elizabeths Augen weiteten ehrfürchtig, als sie an ihm langsam hochblickte und schleichend wurde ihr bewusst, wie viel größer er war als sie. Er musste mindesten eineinhalb Köpfe größer sein, dabei hatte sie sich unter den anderen Damen an Hofe nie als klein beschreiben müssen.

»Was habt Ihr mit meiner Schwester Mary angestellt?«, erkundigte sie sich, nachdem er noch immer nichts gesagt hatte. Ihre Stimme klang weder panisch, aber fest gewiss auch nicht. Jedoch war sie lediglich froh darüber, dass sie nicht zitterte.

»Sie ist auf Barnard Castle mit weiteren meiner Männer zurück geblieben«, erwiderte er mit seiner tiefen, kehligen Stimme, welche Elizabeth ein Prickeln in ihren Nacken bescherte. Wusste der Heilige Herrgott, wieso.

»Warum habt Ihr sie dort gelassen und mich nicht?«, fragte Elizabeth von Neugier ergriffen weiter. Sie wunderte es wahrlich, warum sie sich so ordentlich mit einem Schotten unterhalten konnte. Aber bisher hatten sie immerhin auch erst drei Sätze miteinander gewechselt, er konnte noch immer sein wahres, unmanierliches Gesicht zeigen.

Der große Mann vor Elizabeth schnaubte verächtlich. »Ich glaube kaum, dass du in der Position bist, Fragen zu stellen.«

Elizabeth atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Schotten duzten sie seither und das hasste sie. Sie hatte bestimmt nichts dagegen, wenn andere sie duzte, schließlich hatte sie es den Mägden von Barnard Castle auch angeboten, aber trotzdem wurde sie respektvoll behandelt. Das Verhalten zwischen Elizabeth und den Mägden war stets respektvoll und akzeptierend gewesen und daher hatte sie es nicht gestört. Aber dieser Schotte hier – er war und würde es niemals würdig sein, sie duzen zu dürfen.

»Wenn Ihr nichts sagt oder fragt, stelle ich meine Fragen«, entgegnete sie sich selbst zur Ruhe zwingend, während sie sich ein Augenverdrehen verbot.

»Ich glaube wohl kaum, dass du meine Fragen beantworten wirst, oder etwa doch?«, kam es spöttisch lachend von ihm.

Dies fachte Elizabeth Ehrgeiz an, ihm zu zeigen, dass sie kein zu verängstigendes Mädchen war und sich gewiss nicht davor scheute, seine Fragen zu beantworten. Daher blickte sie ihm starr in die rabenschwarzen Augen und gab mit bemüht fester Stimme von sich. »Da habt Ihr falsch geglaubt.«

Allein gegen HighlanderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt