Kapitel 3 | II

774 45 5
                                    

Kapitel 3
Donach im Jahre 1308


Nachdenklich wanderte Elizabeths Blick durch das Zimmer. Nichts hier ließ Rückschlüsse auf einen Bewohner zu, das war ihr gestern schon aufgefallen. Erst hatte sie gedacht, der Bewohner dieses Zimmers hätte alles, was ihm gehörte, sorgfältig im Schrank verstaut, doch als sie dort nichts gefunden hatte, kam ihr der Gedanke, dass dieses Zimmer sonst leer stand. Möglicherweise hatte hier vorher jemand gewohnt und nun ersetzte sie, eine englische Prinzessin, wahrscheinlich ein schottisches Clanmitglied. Sie wusste zwar nicht, wo die andere Engländerin untergebracht wurde, ging allerdings auch nicht davon aus, dass sie das Privileg besaß, in den oberen Geschossen des Palas' nächtigen zu können.

Sie hatte Kenneth noch immer nicht sprechen können. Nicht, dass sie besonders scharf auf seine Gesellschaft war. Es hatten sich nur gestern noch so viele neue Fragen zu ihren alten gesellt, dass sie gestern vor lauter Grübelei ganz müde geworden und auf dem Fenstersims eingeschlafen war — der Nebel in ihrem Kopf hatte sich trotzdem kein bisschen gelichtet.

Mit einem Seufzen legte Elizabeth sich ausgestreckt auf das Himmelbett und starrte an die Decke. Ihr Rücken schmerzte noch immer von der ungemütlichen Nacht im Sitzen.

Bereits gestern hatte sie festgestellt, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Und trotzdem wartete sie, bis man zu ihr kommen würde. Sie würde sicherlich keine Anstalten machen, die Nähe der Schotten zu suchen. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, einen Versuch zu starten, mit den Schotten zu sympathisieren, hatte sie auch nicht vor, auf einmal auf gut Wetter zu machen. Das würde man ihr nicht glauben und das Resultat wäre noch mehr Misstrauen als ohnehin schon.

Ein Klopfen an der Tür schreckte sie aus ihren Gedanken und ehe sie die Person hineinbitten konnte, erblickte sie einen blonden Haarschopf zwischen dem Türspalt. Die junge Frau, die kurz darauf in das Zimmer marschierte, war so bildschön, dass Elizabeth es mit der Angst zu tun hatte, der Heilige Herrgott hätte ihr einen Engel geschickt. Aus kristallblauen Augen, die so viel klarer und ruhiger waren als ihre eigenen ozeanblauen, wurde sie gemustert.

»Ich bin Veloria, aber du kannst mich Velo nennen«, sagte die Fremde in Engelsgestalt, »und wie heißt du?«

Als Elizabeth ihre Stimme wiedergefunden hatte, räusperte sie sich kurz, bevor sie zu sprechen begann: »Weiß nicht sowieso jeder auf dieser Burg, wer ich bin? Der Laird hat zumindest kein großes Geheimnis draus gemacht.« Fast fühlte sie sich etwas schlecht, weil sie die junge Frau ohne Grund so angefahren hatte, aber anderseits kannte sie die Frau überhaupt nicht. Sie schuldete hier niemandem etwas.

»Ich weiß, dass du Prinzessin Elizabeth Plantagenet of Gascogne bist, aber ich hatte nicht vor, dich jedes Mal so zu nennen. Daher dachte ich, du würdest dich mit einer Kurzform deines Namens vorstellen, damit man es einfacher hat, dich zu rufen«, erklärte ihr Gegenüber weiterhin freundlich und auch das Lächeln auf ihren rosafarbenen Lippen war nicht aufgesetzt.

Elizabeth schluckte, doch sie zwang sich, das Lächeln zu erwidern. Sie musste sich ja nicht gleich am ersten Tag auf Donach Feinde machen. Davon hatte sie bereits mehr, als sie zählen konnte. »Ich habe keine Kurzform meines Namens. Man nennt mich nur Elizabeth.«

Ohne ihre Miene zu verziehen musterte Velo sie, doch Elizabeth sah an ihren bebenden Schultern, wie sie ein Lachen unterdrückte. »Ihr Engländer seid so spießig, achtet immer darauf, dass niemand eine emotionale Brücke aufbaut. Rupert hatte schon recht, als er sagte, Engländer seien kalt wie toter Fisch.«

Allein gegen HighlanderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt