Kapitel 1 | II

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Kapitel 1
Huntford im Jahre 1308

Mit einem verkrampften Einatmen kehrte das erste Bisschen Wahrnehmung in Elizabeth zurück. Ihr Kopf pochte wie wild. Sie fühlte sich, als wäre sie absichtlich mehrmals gegen eine Wand gerannt und zwar so lange, bis sie von der bodenlosen Schwärze aufgenommen wurde. Elizabeth stöhnte vor Schmerz, welcher sich wie ein viel zu spitzer Speer durch ihren Kopf bohrte, als sie sich langsam aufrichtete und die Augen zusammenkniff.

Als sie ihre Augen öffnete, war ihre Sicht verschwommen, als würde sie erneut durch Wasser schauen. Doch durch jeden weiteren Atemzug klärte sich der neblige Schleier vor ihren Augen und langsam gewann ihre Umgebung an Schärfe. Jegliche Kanten verliefen nun wieder geradlinig, die Macken in dem Holz wurden sichtbar und der Stoff des weißen Leinentuch über ihr wurde aus einer Masse zu einzelnen, verstrickten Fäden.

Nach und nach erwachten auch ihre anderen Sinne wieder zum Leben. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an, ihre Ohren vernahmen das stetige Pfeifen von dem Wind, wie jener gegen den Stoff rauschte und ihn zum Flattern brachte. Allmählich sog ihre Nase den Geruch von frischem Holz und eisigen Wind ein. Sie spürte augenblicklich, wie sich die Panik in ihr breit machte und all ihre Sinne wieder für sich beanspruchte, um sich nur auf ihre Angst konzentrieren zu können.

Ihrer Umgebung zufolge befand sie sich in einem Karren, den sie sich mit jeder Menge Kästen, Säcken und Fässern teilte. Auf den zweiten Blick bemerkte sie, dass der Karren von einem Pferd gezogen und von zwei Männer, die vorn saßen, besetzt wurde.

Elizabeth war bemüht darum, nicht in Panik auszubrechen und sich stattdessen daran zu erinnern, was sie als Letztes getan hatte. Doch ihre Kopf schien, als wäre er ein schwarzes Loch, welches jegliche Erinnerungen verschluckt hätte.

Also begann sie, da sie sonst nichts im Kopf zu haben schien, die beide Männer zu beobachten. Einer der Männer hatte breite Schultern, glatte, sandsteinfarbenen Haare und hielt die Zügel für das Pferd in den Händen. Der andere, rostbraunhaarige Mann mit ebenso breiten Schultern beobachtete sie aus wachsamen Augen. Keinen Augenblick später, als sich seine lehmbraunen Augen und ihre mitternachtsblauen Augen kreuzten, kletterte ihr Beobachter in den Karren hinein, als er bemerkte, dass sie wach war.

Von Angst überrollt rutschte sie hektisch vor ihm weg. Ihr Herz pochte ihr wild gegen den Brustkorb und augenblicklich wurde ihr unsagbar heiß. Hätte sie den Mann nicht so aufmerksam im Auge behalten, hätte sie die Schweißperle an ihrer Schläfe wahrscheinlich bemerkt. Doch Elizabeth wusste weder, wer er war, noch wo sie war – und woher sollte sie wissen, dass er ihr nichts tat? Er streckte seine Hand aus, ließ sie allerdings in demselben Augenblick wieder sinken, als ihre Augen sich panisch weiteten und sie ihre Schultern zu den Ohren hochzog, in der Hoffnung, so ein wenig Schutz zu haben.

»Bana-phrionnsa«, fing er leise an zu sprechen und Elizabeth hatte nicht die geringste Ahnung, was er da gesagt hatte, was sie ihm dadurch deutlich machte, dass sie ihre Augenbrauen zusammen zog.

Der Mann wollte näher an sie heranrücken, doch Elizabeth schüttelte mit wässrigen Augen den Kopf und hob ihren ausgestreckten Arm, um ihm mit dieser Geste zu verdeutlichen, dass er ihr nicht noch näher kommen sollte. Mit ihrem anderen Arm umschlang sie ihre Körper, als könnte sie sich so selbst in Sicherheit wiegen. Sie betrachtete den Mann ein wenig näher und sah, dass er relativ harmonische Gesichtszüge hatte, die seine muskulöse Körperstatur ausglichen. Im Gegensatz zu den bisher von Elizabeth gesehenen Schotten trat ihr Gegenüber vor allem aufgrund seines Alters hervor, denn sie schätzte ihn auf Anfang zwanzig, womit er in etwa so alt wäre wie sie.

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