Prolog | I

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Prolog
Windsor im Jahre 1308

Kerzengerade saß Prinzessin Elizabeth auf dem beigen Sessel in ihrem Gemach, die Hände sorgfältig in ihrem Schoß gefaltet, und starrte ihr Dienstmädchen Maida an, welche allerdings konstant zu Boden schaute. Seit Elizabeths Rückkehr aus Trier vor zwei Monaten hatte sie kaum ein Wort mit Maida gesprochen und wenn es nach Elizabeth gegangen wäre, wäre es auch dabei geblieben. Doch sie wusste, dass Maida es niemals wagen würde, sie zu stören, wenn es nicht wirklich dringlich wäre.

»Eure königliche Hoheit, Euer Bruder verlangt nach Euch«, teilte Maida Elizabeth den Grund für ihr Kommen mit. Elizabeth nickte abwartend, sodass Maida fortfuhr: »Seine königliche Majestät erzählte mir nicht den Grund, weshalb ich Euch holen soll.«

Da sie es sich in Anwesenheit ihres Dienstmädchens erlauben konnte, verdrehte Elizabeth ihre Augen. Sie hasste es, wenn ihr werter Bruder sie zu sich beordern ließ, anstatt selbst auch nur einmal auf die Idee zu kommen, zu ihr zu gehen. Aber wer war sie schon, dass sie sich gegen die Befehle des mächtigsten Mannes Englands stellen konnte?

»Wann soll ich bei ihm erscheinen?«

Eine Tasse Kamillentee mit Honig stand unberührt vor Elizabeth auf dem kleinen Tisch. Nebelartiger Dampf stieg sachte daraus empor, doch sie ignorierte die Tasse. Sie war nicht daran interessiert, auf die Höflichkeit ihres Bruder Edward II einzugehen. Er hatte sie enttäuscht und ihrem Vater Edward I sogar noch zugestimmt, Elizabeth in das Heilige Römische Reich zu schicken. Da würde sie auch ihr Lieblingstee nicht zur Vergebung anregen.

»Er sagte, dass Ihr noch vor dem Abendmahl erscheinen sollt. Da die Sonne bald untergehen wird, solltet Ihr in der nächsten Sonnenänderung aufbrechen«, erklärte Maida. Am englischen Königshof wurde das Abendmahl stets dann eingenommen, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Elizabeth schaute aus ihrem Fenster heraus und sah, dass die Sonne bei ihren nächsten zwei Bewegungen verschwand.

Elizabeth verknotete ihre Finger ineinander. So ungerne sie es auch zugab, es fiel ihr schwer, die nächsten Worte auszusprechen. »Ich werde also nun zu meinem Bruder müssen, mit ihm reden und dann ebenfalls beim Abendmahl anwesend sein?« Es sollte mehr eine Feststellung, als eine Frage sein und dennoch nickte Maida zaghaft.

Elizabeth ließ ihren Blick über ihr Dienstmädchen gleiten. Sie hegte keine negativen Empfindungen gegen Maida, aber mögen tat Elizabeth sie ganz sicher nicht. Dies war Maida nicht würdig.

Maida trug ebenso wie sie ein fußlanges und langärmeliges Unterkleid, welches man Cotte nannte. Nur bei Elizabeth war die Cotte aus feinster Seide gesponnen, wohingegen Maidas Stoff aus Leinen bestand. Über ihren Unterkleidern trugen beide das Surcot – ein langes, ärmelloses Oberkleid. Bei Maida war jenes schlicht grau, denn eine Färbung war zu teuer und aufwändig für die Bediensteten. Das Surcot von Elizabeth hingegen strahlte aufgrund von Blaubeerensaft in einem satten Dunkelblau. Weder die Prinzessin, noch sonst eine andere Frau waren Sympathisanten ihres Mieders. Aber als Frau war es Pflicht dieses enge Korsett zu tragen, wodurch die Brüste in die richtige Richtung gepresst wurden und die Taille ansehnlich dünn wurde. Maidas Mieder war ebenfalls grau und der Gürtel, den man unter dem tiefen Ausschnitt des Surcots trug, weswegen die Brüste noch weiter in die Höhe gedrückt wurden, war schlicht braun. Elizabeth trug ein schwarzes, enganliegendes Mieder und ihr weißer Gürtel war mit Diamanten bestickt worden. Wenn man die beiden jungen Damen verglich, sah man sofort, wer es sich erlauben konnte, etwas zu sagen und wer nicht.

»Ihr könntet natürlich auch Euer Gemach wieder aufsuchen, allerdings würde es sich für eine solch kurze Zeit zwischen dem Gespräch und dem Abendmahl kaum lohnen«, sagte Maida, während sie unruhig an ihrer Cotte herumspielte. Natürlich war es für sie eine wahrlich ehrenvolle Aufgabe, dass Dienstmädchen der jüngsten Königstocher zu sein, allerdings stand sie stets unter enormen Druck, denn sie durfte sich keinen einzigen Fehltritt erlauben.

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