Kapitel 2 | I

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Kapitel 2
Huntford im Jahre 1308

Verschlafen kuschelte sich Elizabeth noch ein wenig tiefer in die aufgewärmten Felle. Obwohl es den Tag über angenehm warm wurde, war sie nun in der Früh über die wärmende Felle dankbar– ebenso wie über die dicken Felle, die auf dem Boden ausgebreitet waren und sie deutlich mehr wärmten, als die Decken bei ihrer Anreise nach Barnard Castle. Möglicherweise war es Engländerart, dass sie keine Felle benutzen, da es zu unzivilisiert war. Und dennoch war Elizabeth einen kurzen Moment froh, mit Schotten, statt Engländern unterwegs zu sein. Allerdings auch nur solange, bis sie ihre Augen geöffnet hatte und sah, dass unzählige Schotten umher liefen, die allesamt für ihre Gefangenschaft verantwortlich waren.

Bei diesen Überlegungen erwachte ihr Verstand nun vollständig, sodass an eine weitere Runde Schlaf nicht mehr zu denken war. Sich langsam aufrichtend betrachtete Elizabeth das in reger Aufregung vor ihr liegende Lager. Da sie Cuilén nirgendwo ausfindig machen konnte, wusste sie nicht, an wen sie sich sonst wenden sollte, also blieb sie unter ihren gemütlichen Fellen sitzen. Gedankenverloren kämmte sie sich mit gespreizten Fingern durch ihre Haare, tatsächlich in der Hoffnung, etwas Ordnung hineinzubringen.

Jedoch gab Elizabeth dieses Vorhaben nach kurzer Zeit auf, zumal sie nun Cuilén auf ihr Nachtlager zukommen sah. Der junge Schotte blieb vor ihr stehen, lächelte und reichte ihr dann seine beiden Hände, an denen sie sich hochzog. Ganz anders als der Griff des Anführers gestern war seiner sanft und bedacht, wohingegen ihr gestern fast wegen des groben Griffes der Kiefer gebrochen worden war.

Während Cuilén Elizabeth Nahrung zum Frühstück gab und die beiden es mit angenehmen Schweigen aßen, beobachtete Elizabeth die Schotten, die das Lager zusammen packten und auf den Karren oder in Satteltaschen verstauten. Elizabeth genoss den erfrischenden, morgendlichen Wind, bevor jener über den Tag durch die Sonne in eine warme Brise getaucht werden würde. Über Nacht hatten sich kleine Wassertropfen auf den Gräsern abgesetzt, welche in der Sonne wie Glas glitzern und als Elizabeth einen tiefen Atemzug nahm, roch sie das sattgrüne Gras.

Augenblicklich löste es eine Gefühlswelle in ihr aus. Der Duft kitzelte ihr in ihrem Bauch, Erinnerungen an ihre Kindheit stiegen auf, strömten über ihr Herz, ihr lachendes, unbeschwertes, inneres Kind wirbelte in diesem mit auf, angekommen in Elizabeths Gesicht zauberte ihr dieser Duftmoment ein wohliges Lächeln ins Gesicht. In diesem kurzen Moment spürte sie tiefes Glück, Freude und Geborgenheit in sich, während sie an die Sommer in dem Landsitz der Königsfamilie dachte. Wie sie mit Gilbert in den angrenzenden Garten gelaufen war, in dem es nur so von Obstbäumen wimmelte. Es roch herrlich nach Sommer. Gilbert und Elizabeth hatten Fallobst gesammelt und bauten Verstecke für Igel. Und tatsächlich konnten die Kinder am nächsten Tag kleine Igel beobachten. Sie waren so stolz und glücklich, ebenso wie es Jean gewesen war, als sie auf ihre Schwester und ihren Sohn geschaut hatte. Mit Gilbert hatte sie Marienkäfer von ganz nah beobachtet, verschiedenste Blumen gepflückt und den Landsitz damit geschmückt oder die Schmetterlinge beobachtet, die sie zu einer kleinen Reise aufgemuntert hatten.

Auf dem Landsitz hatte Elizabeth stets nahezu alles aufgesogen, was ihr die Natur geboten hatte – frische Gartenfrüchte, duftendes Heu, Stallduft und der Geruch und Geschmack von frischer Milch. Wenn sie nun als bereits verwitwete Frau die Augen schloss, den Geruch von Gras in sich aufnahm, träumte sie von ihrer Kindheit auf dem Landsitz, als sie noch ein naiv-unbelastetes Kind war und nicht wusste, was sie später im Leben einmal erwarten würde.

»Elizabeth?«

Völlig neben sich kroch Elizabeth langsam aus ihren hinreißenden Gedanken und Erinnerungen heraus und blickte zu Cuilén, welcher nun aufstand. Sie tat es ihm gleich und während sie ein breites, seliges Lächeln auf den Lippen trug, welches ihr niemand jemals nehmen könnte, ging sie Cuilén hinterher. Er steuerte den Anführer an und blieb vor ihm stehen. Elizabeth kam keinen Augenblick zu früh wieder in der Realität an, denn sonst wäre sie in Cuilén hinein gelaufen. Um ihre noch so schönen Gedanken loszuwerden, schüttelte sie den Kopf, wobei ihre Lockenmähne hin und her schwang.

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