Kai
Während ich mich mit schnellen Schritten von Jule entfernte, bereute ich meine Worte bereits. Die Zweifel an unserer Freundschaft, die in den letzten Jahren immer größer geworden waren, konnte ich in diesem Moment einfach nicht abschalten. Dabei hatte ich, als ich mich von Sophia trennte gewusst, dass Julian für mich da sein würde, wenn ich ihm davon erzählt hätte. Es war so unfair von mir, ihn jetzt so abzuspeisen, obwohl er gar nichts dafür konnte.
Ich wandte mich um. Jule stand einige Meter von mir entfernt, an der selben Stelle an der ich ihn zurückgelassen hatte und sah mich enttäuscht an. Unsere Mitspieler waren längst auf dem Weg ins Hotel, wir waren die letzten. Wir setzten uns im gleichen Moment in Bewegung und blieben voreinander stehen. Jule fing wütend an: „Was denkst du von mir? Du bist mein bester Freund, du Idiot. Glaubst du ernsthaft, ich hätte.."
Weiter kam er nicht, weil ich in diesem Moment meine Hand auf seinen Mund legte, um selbst zu Wort zu kommen. „Es tut mir leid, Jule. Ich hab das nicht so gemeint. Aber ich hatte in den letzten Jahren so viele Zweifel an unserer Freundschaft.. du hast jetzt Erling und Marco und Marius und wer weiß wen noch und das hat mich wütend gemacht.. Ich hatte den Eindruck, dass du mich vergessen hast obwohl ich eigentlich weiß, dass dir unsere Freundschaft genauso viel bedeutet wie mir aber keine Ahnung... Du hast dich so selten gemeldet und wirktest glücklich ohne mich." Beschämt senkte ich den Kopf und sah auf den Boden, als gäbe es da irgendwas Interessantes zu sehen. Plötzlich schlossen sich zwei Arme um mich und Jule drückte mich fest an sich. Erleichtert umarmte ich ihn ebenfalls und vergrub mein Gesicht in seiner Trainingsjacke. „Wie schon gesagt, du bist ein absoluter Idiot", murmelte er. „Aber anscheinend bin ich das auch. Nur dass das klar ist: Ich hab dich zu keiner Zeit vergessen und ich bin sicher auch nicht glücklich ohne dich." Er schnipste mir gegen den Hinterkopf und zerstörte damit die traurige Stimmung. Ich schnipste ihn zurück und ehe wir es uns versahen befanden wir uns schon in einer freundschaftlichen Prügelei. Wir wälzten uns über den Boden und versuchten, uns gegenseitig Schlamm ins Gesicht zu schmieren. Ich war so glücklich wie seit Jahren nicht mehr.
Nach der matschigen Auseinandersetzung sahen wir beide aus als würden wir in der Wildnis leben. Dreckig aber glücklich machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Währenddessen berichtete ich Jule alles von der Trennung und er war für mich da, genau wie früher. Im Hotel angekommen wurden wir von einem entsetzten Hansi begrüßt: „Um Himmels willen, ihr seht aus wie Schweine!" Thomas, unsere alte Tratschtante, war zufälligerweise leider auch anwesend und machte sich über uns lustig, während er gefühlt hundert Fotos von uns sogenannten „Matschmonstern" machte.
Dann wurden wir endlich zu unseren Zimmern durchgelassen und mussten uns bis zum Abendessen trennen. Ich verabschiedete mich mit einem Handschlag von Julian und ermahnte ihn: „Vergiss mich bitte nicht bis zum Abendbrot!" Er erwiderte: „Ich versuchs, aber vielleicht könntest du mir eine Erinnerungsmail schicken?" Er grinste mich frech an und ich konnte nicht anders, als zurückzugrinsen: „Julian Brandt, wie er leibt und lebt. Immer einen Spruch auf Lager in der einzigen funktionierenden Gehirnzelle."In meinem Hotelzimmer lag Mats auf seinem Bett und las irgendeine Zeitschrift. Als ich eintrat, sah er auf: „Hast du das mit Jule klären können?" Verwirrt sah ich ihn an: „Woher weißt du, dass wir uns gestritten haben?" Er seufzte: „Das ganze Team hat es gemerkt. Was denkst du denn? Wenn es bei Bravertz Stress gibt, kommt man gar nicht drum rum als es zu bemerken. Ihr seid sonst immer ein Herz und eine Seele." „Okay... Naja, auf jeden Fall haben wir alles geklärt", sagte ich und legte meine schmutzige Jacke vorsichtig aufs Waschbecken. „Und um es zu klären habt ihr Schlamm gebraucht oder was?", fragte Mats belustigt. Ich schmunzelte. „Nee, der Schlamm kam erst danach."
Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, ging ich gemeinsam mit Mats nach unten. Im Essensraum war es schon ziemlich voll und es herrschte eine muntere Stimmung. Ich entdeckte Jule, der gemeinsam mit Marco, Marius, Timo, Niklas und einigen anderen an einem der Tische saß. Während ich ihn ansah hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich stehengeblieben war. Jetzt schob mich Mats von hinten an: „Na komm, geh schon zu deinem Herzblatt." Ich wandte mich um und zeigte ihm den Mittelfinger, bevor ich mich auf den Weg zum Tisch machte.
Das Abendessen verlief wunderbar normal. Wir hatten eine rege Tischdiskussion über die verschiedensten Themen, wobei am Ende hauptsächlich Jule und ich miteinander diskutierten. Manchmal fragte ich mich, wie wir beide als so unterschiedliche Personen mit so unterschiedlichen Ansichten so gut zusammen passten. Ich war so froh, ihn wieder zu haben. Für den Abend war nichts besonderes geplant, weshalb die meisten von uns sich vor der Konsole wiederfanden. Ich lieferte mir ein Duell mit Jule und Toni in Fortnite, wobei ich beide schlug. Wie konnte man bitte so schlecht in diesem Spiel sein?
Genau das sagte ich ihnen dann auch und Jule stürzte sich auf mich und nagelte mich auf dem Sofa fest. Er drückte seine Stirn gegen meine und murmelte: „Im echten Leben gewinne ich." Ich lachte, und fing an ihn zu kitzeln. Wenn man das bei Jule tat, hatte man schon so gut wie gewonnen. Er war die mit Abstand kitzligste Person die ich kannte. Um Mitternacht hing ich immer noch mit Jule, Timo, Jamal, Bernd und Toni auf den gemütlichen Sofas herum. Wir waren alle kurz vorm Einschlafen und hätten vermutlich lieber auf unsere Zimmer gehen sollen, doch diese Sofas waren einfach zu gut. Ich hatte meinen Kopf gegen Julians Brust gelehnt und mein Fuß hing direkt vor Timos Nase. Das störte diesen aber absolut nicht, ganz im Gegenteil; er schnarchte gefühlt nur noch lauter.
Plötzlich wurde das große Licht angeschaltet und irgendwer klatschte mehrmals in die Hände. Wer war dieser Vollidiot und wo konnte ich ihn verklagen? Wir alle bis auf Timo richteten uns langsam auf und blickten in Hansis extrem wütendes Gesicht. Oha, der Hauptcharakter für meinen nächsten Albtraum stand schonmal fest. Er stemmte die Hände in die Hüften: „Ins Bett! SOFORT!"
Dieser Schrei ließ sogar Timo aufwachen und wir alle entschuldigten uns kleinlaut bei unserem Trainer während wir aus dem Raum tappten. Ich verabschiedete mich von den anderen und fiel in meinem Zimmer angekommen sofort ins Bett und schlief ein.———————————
Falls ihr Wünsche oder Kritik habt, ab in die Kommentare damit ;) Ansonsten wird nach diesem Kapitel denke ich ein kleiner Zeitsprung kommen, weil der Alltag im WM-Trainingslager auf Dauer glaube ich etwas langweilig ist. Danke fürs lesen!
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Stargazing
FanfictionJule & Kai sehen sich nach zwei Jahren bei der WM 2022 wieder. Anfangs wissen sie es noch nicht, doch dieses Turnier wird alles verändern...