Kai
Ich rutschte unruhig auf meinem Platz herum und versuchte, meine Nervosität etwas zu unterdrücken. Die ganze Mannschaft saß versammelt vor unserem ersten Wm-Spiel der Gruppenphase in der Umkleide und Hansi ging vor uns auf und ab während er die Taktik erklärte. „Japan ist ein ungemütlicher Gegner. Ballbesitz ist für uns heute das wichtigste und wir werden eher defensiv stehen. Versucht, Chancen rauszuspielen aber bleibt notfalls lieber in unserer Hälfte und wählt immer den sicheren Pass. Uns reicht ein Tor, um zu gewinnen, mehr brauchen wir nicht. Wenn Japan die Chance zum Tor bekommt, nutzen sie sie auch. Ich werde euch jetzt die Startelf sagen aber wie ihr wisst haben wir einen breit aufgestellten Kader und wenn mir jemand von euch auf dem Platz nicht gefällt werde ich nicht zögern, ihn direkt auszuwechseln, auch in der ersten Halbzeit."
Meine Aufregung wuchs immer weiter. Im Grunde hatte ich meine ganze Fußballkarriere auf das größte Fußballturnier - die WM - hingearbeitet; und jetzt war ich hier.
Unfassbar. Hansi ließ seinen Blick über uns wandern und fing dann an, die Spieler für die erste Halbzeit aufzuzählen.
„...Manu, Julian und Kai."
Freudig flog mein Blick zu Jule. Wir waren beide in der Startelf bei so einem großen Spiel! Er grinste glücklich aber schien nicht wirklich überrascht. Hatte er es etwa schon gewusst?
Ich sah ihn fragend an doch er grinste nur weiter und fing dann an, sich umzuziehen.
Dieser Idiot. Ich streifte mir ebenfalls mein Trikot über den Kopf und verließ anschließend gemeinsam mit Jule die Kabine.
„Gibs zu, du hast schon gewusst, dass wir zusammen in der Startelf sind!"
Er zuckte mit den Schultern: „ Schon möglich."
Ich lachte ungläubig und wollte ihn schon schimpfen aber wir waren beim Spielertunnel angekommen, wo wir unbedingt einen seriösen Eindruck machen mussten. Schließlich sollten die Japan-Gurken nicht denken, wir wären leicht zu schlagen. Ganz im Gegenteil, wir würden sie sowas von fertigmachen!
Daher verschränkte ich nur die Arme vor der Brust, hob das Kinn und versuchte, möglichst angsteinflösend auszusehen.
Julian sah mich von der Seite an und prustete los. „Bist du jetzt n Superheld oder was?"
Ich wuschelte durch seine blonden Haare. „Wenn du dich schon nicht benehmen kannst, stör mich wenigstens nicht dabei, meine gute Erziehung auszuleben!"
Er lachte nur noch lauter und ich musste auch ein bisschen schmunzeln. Zum Glück war zwischen uns beiden nun alles wieder wie vor dem Kuss, bis darauf, dass sich bei seinem Lachen noch immer ein warmes Kribbeln in mir ausbreitete. Aber das würde mit der Zeit bestimmt weggehen.
Ich zupfte ein letztes Mal an meinem Trikot, dann war es soweit.
Wir liefen hinter den Schiedsrichtern auf den Platz und ich sah mich staunend um. Das Stadion war riesengroß und jeder einzelne Platz war besetzt. Die Menge tobte und die Stimmung war unbeschreiblich. Wie beflügelt lief ich weiter und stellte mich neben meine Mannschaft. Die Nationalhymnen bekam ich gar nicht mit, so sehr faszinierte mich die Kulisse um uns herum.
Dann gingen wir auf unsere Positionen und der Anpfiff ertönte. Die ersten zwanzig Minuten verliefen ziemlich ereignislos; wir hatten deutlich mehr Ballbesitz aber dafür noch keine wirkliche Torchance.
Doch dann, nach einem Doppelpass mit Julian konnte ich das erste Mal einen Torschuss abgeben, den der Keeper von Japan gerade so noch aus dem oberen Eck fischte. Ich klatschte mich trotzdem mit Jule ab und wir begaben uns wieder auf Position. Dieser dumme Ball würde heute auf jeden Fall noch den Weg ins Tor von Japan finden, dafür würde ich schon sorgen.
Zur Pause gingen wir mit einem 0:0 in die Kabine. Hansi lobte uns, verlangte aber etwas mehr Torgefahr in der zweiten Hälfte. Die Aufstellung veränderte er zum Glück erstmal noch nicht.
Daher lief ich kurze Zeit später neben Jule zurück auf den Platz und stellte mich auf meine Position an der Spitze. In der zweite Hälfte würden wir aufs Tor vor der Japan-Tribüne spielen und hatten somit unsere Fans im Rücken. Hoffentlich konnte das zusätzlich helfen. Wie peinlich wäre es bitte, in der Gruppenphase schon zu fliegen?
Schnell verscheuchte ich den Gedanken wieder was auch gut war, weil in diesem Moment der Anpfiff ertönte.
Es ging fast genauso weiter wie in der ersten Halbzeit, was mich immer frustrierter werden ließ. Durch die gegnerische Abwehr kamen wir mittlerweile so gut wie gar nicht mehr durch aber sie bei uns zum Glück auch nicht.
Was für ein lahmes Spiel. Hansi am Spielfeldrand wurde immer unruhiger und wechselte bereits zum dritten Mal in der 77. Minute. Erfreulicherweise waren Julian und ich beide noch auf dem Feld.
Erneut gelangten wir in Ballbesitz und versuchten, den Ball immer weiter nach vorne zu bringen. Jetzt war Joshua am Ball und kickte ihn zu mir. Ich beschleunigte und sah, dass Julian neben mir einen Sprint hinlegte und eine gute Lücke in den Abwehrreihen von Japan fand.
Ich wartete noch zwei Sekunden, bevor ich den Ball zu ihm passte und gespannt die Luft anhielt. Jule hatte einen hervorragenden ersten Kontakt und mit dem zweiten zog er ab, direkt in Japans Tor.
Jubelnd riss ich die Arme in die Luft, rannte zu meinem besten Freund und umarmte ihn fest von hinten. Unsere Fans feierten und jubelten mit uns und Glücksgefühle durchströmten mich. Wir hatten unseren ersten Sieg in der Tasche, wenn wir die letzten 10 Minuten kein Gegentor mehr kassieren würden.
Ich presste meinen Kopf glücklich gegen Jules Schulter, ehe ich von ihm abließ und wir alle uns langsam wieder auf Position begaben. Die letzten Minuten spielten wir mit viel Ballbesitz herunter bis dann endlich der Schlusspfiff des Schiedsrichters ertönte.
Ich verlangsamte meinen Lauf und drehte mich zu Julian um, der bereits lächelnd auf mich zukam.
Unwillkürlich musste ich ebenfalls grinsen und schloss ihn kurz in meine Arme. Obwohl die Berührung nur wenige Sekunden dauerte, durchfuhr mich eine Wärme, die ich bis vor wenigen Monaten noch nicht gekannt hatte.
Erst als ich für Jule diese nervigen Gefühle entwickelt hatte, war diese zum ersten Mal in mir aufgekommen.
Ich schüttelte den Gedanken ab und meinte stolz zu ihm: „Echt geiles Tor. Ich wusste nicht, dass du so einen starken linken Fuß hast."
Julian lachte leicht und erwiderte: „Deine Vorlage war aber auch nicht schlecht."
Ich war noch damit beschäftigt, sein schönes Lächeln anzuschmachten als ein paar unserer Mitspieler zu uns stießen und dadurch den Moment zerstörten.
Ich klatschte mich mit allen ab während ich mich langsam in Richtung Kabine begab.
Als letztes begegnete ich Hansi der mir zunächst gratulierte und mich anschließend leider noch zu den Interviews schickte.
Ein wenig unmotiviert ging ich also zu dem zugewiesenen Interviewer und ließ mich verkabeln, bevor ich mich vor die Kamera stellte.
Der Typ von Zdf begann: „Guten Abend Herr Havertz und herzlichen Glückwunsch zum ersten Sieg im ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft!" Ich nickte kurz und zog meine Mundwinkel nach oben.
Er fuhr fort: „Als erstes möchten wir von ihnen natürlich wissen, was sie zum spektakulären Tor ihres Teamkollegen Julian Brandt sagen, welches sie so schön technisch stark vorgelegt haben."
Bei der Erwähnung von Jule schlug mein Herz direkt ein paar Schläge schneller. Ich hielt mir das Mikro vor den Mund und begann: „Jule hat mit seinem Tor der Mannschaft sehr geholfen, aber auch sonst hat er heute ein Wahnsinnsspiel gemacht und ich.."
Kurz hielt ich inne und wägte meine nächsten Worte ab. Am liebsten hätte ich erzählt wie unheimlich stolz ich auf meinen besten Freund war und dass er diesen Erfolg in meinen Augen mehr verdiente als jeder andere. Dass er wunderschön war, wenn dieses stolze Lächeln sein Gesicht erstrahlen ließ; und dass ich ihn stundenlang einfach nur ansehen könnte.
„.. freue mich für ihn", schloss ich so kurz wie möglich ab, damit mir nicht versehentlich die Wahrheit herausrutschte.
Der Zdf-Typ stellte noch ein paar weitere Fragen zum Spiel bevor er mich endlich in die Kabine gehen ließ.
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Für eine Verspätung von über 8 Monaten gibt es wohl keine Entschuldigung mehr aber hoffentlich sind immer noch ein paar von euch an der Geschichte interessiert und ich werde versuchen, sie bis Silvester zu beenden. :)
Kai denkt oft an Jule...🤔
Mal sehen wie das Spiel am Mittwoch wirklich ausgeht. 😅
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Stargazing
FanfictionJule & Kai sehen sich nach zwei Jahren bei der WM 2022 wieder. Anfangs wissen sie es noch nicht, doch dieses Turnier wird alles verändern...