11. Kapitel

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Kai
Ich schloss die Tür zu unserem Zimmer auf und trat ein. Es war ein schöner, großer Raum... mit einem Doppelbett in der Mitte. Unwillkürlich schlug mein Herz schneller und ich warf vorsichtig einen Blick zu Jule. Dachte er an das Gleiche wie ich?
Scheinbar nicht, denn er stellte gleichgültig seinen Koffer neben den Schrank und fing an, ihn auszupacken. Wie konnte er bitte so kalt sein? Hatte ihm der Kuss gar nicht gefallen?
Ich wollte ihn gerade darauf ansprechen, als er sich zu mir umdrehte und murmelte: „Wir müssen reden."
Schön dass ihm das auch mal einfiel. Ich nickte angespannt und setzte mich auf die Bettkante.
Er ließ sich etwa einen Meter von mir entfernt ebenfalls darauf nieder und ich musste mich beherrschen, nicht automatisch zu ihm zu rutschen. Nähe wollte er anscheinend gerade überhaupt nicht. Unbehaglich zupfte ich an der Bettdecke und musterte meinen besten Freund von der Seite. Seine blonden Haare waren verwuschelt und ein paar Strähnen hingen nach unten. Er sah auf seine Hände und runzelte angestrengt die Stirn. Ich wollte zu ihm, wollte ihm die Haare aus dem Gesicht streichen und seine Stirn glatt küssen.
Stattdessen fühlte es sich so an, als wäre er meilenweit entfernt von mir. In diesem Moment blickte er auf und seine blauen Augen trafen auf meine. Ich musste mich beherrschen, nicht wie ein verliebter Vollidiot in ihnen zu versinken und räusperte mich verlegen: „Also... wie geht es dir mit dem, was in London passiert ist?"
Jule wollte gerade etwas sagen, als plötzlich sein Handy klingelte. Er murmelte: „Da muss ich rangehen", und verließ fluchtartig das Zimmer. „Du kannst nicht ewig vor mir weglaufen!", brüllte ich ihm hinterher. Eine Antwort bekam ich natürlich nicht.
Frustriert ließ ich mich aufs Bett sinken. Es war mittlerweile schon stockdunkel draußen und ich merkte, wie ich immer müder wurde. Als ich gerade kurz vorm Einschlafen war, kam Julian zurück. Na endlich. Ich richtete mich auf, fest entschlossen, die Sache zwischen uns endgültig zu klären. In der Dunkelheit konnte ich ihn nicht wirklich sehen, weshalb ich die Nachttischlampe anmachte. Und erschrak. Über sein schönes Gesicht liefen Tränen und er sah mich verzweifelt an.
„Was ist passiert?", fragte ich entsetzt.
„Ich hab mit Luise Schluss gemacht", brachte er stockend heraus. Verdammt. Ich zog ihn in meine Arme und wir ließen uns zusammen aufs Bett sinken. Ich hatte keine Ahnung wie wir zueinander standen, aber das war gerade auch vollkommen egal.
Jule umklammerte mich schutzsuchend und schluchzte leise. Schweigend drückte ich ihm einen Kuss auf die Stirn und strich sanft durch seine Haare. Irgendwann wurde seine Atmung ruhiger und die Tränen weniger. Vorsichtig löste er sich von mir und strich über meinen Pullover, wo seine Tränen einen Fleck hinterlassen hatten. „Tut mir leid", murmelte er. „Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest", gab ich sanft zurück. Kurz trat Stille ein, ehe er unsicher fragte: „Können wir morgen reden?" Ich nickte verständnisvoll. Gerade war nur wichtig, wie es ihm ging. Wir lagen jetzt mit Abstand nebeneinander im Bett und es war fast nicht auszuhalten. Wie sollte ich so für Julian da sein? Ich sah zu ihm und begegnete seinem Blick. Ohne uns absprechen zu müssen, rutschte er zu mir zurück und ich schloss meine Arme um ihn. So verbrachten wir die gesamte Nacht.

Am nächsten Morgen wachte ich alleine auf und entdeckte Julian, der mit verschränkten Armen am Fenster stand und ausdruckslos auf das Dach des Hauses neben unserem Hotel starrte. Die ersten Sonnenstrahlen blinzelten vom Himmel und schienen direkt auf sein Gesicht. Er trug die gleichen Klamotten wie gestern, hatte dunkle Augenringe und wirkte total müde. Es machte mich fertig, ihn so zu sehen. Normalerweise strahlte, lachte und redete er ununterbrochen, jetzt wirkte er gebrochen und traurig.
In diesem Moment drehte er sich um und erwischte mich beim Beobachten. „Du bist ja schon wach", murmelte er überrascht und versuchte etwas, was wohl ein Lächeln sein sollte aber mich konnte er damit nicht überzeugen. Jule kam zum Bett und setzte sich neben mich. Er strich sich nervös durch die Haare bevor er meinte: „Ich schätze, wir sollten jetzt endlich reden."
Ich nickte zustimmend und sah ihn erwartungsvoll an, gespannt, endlich zu erfahren wie es ihm mit dem Kuss ging, was er sich für die Zukunft vorstellte.
„Okay..", setzte er an. „Es lag am Alkohol."
Bitte was? Was redete er da?
„Wir waren beide betrunken und wussten nicht mehr, was wir machen, Kai. Ich meine, es ist doch Quatsch dass wir aufeinander stehen oder?" Mit jedem Satz, der aus seinem Mund kam, brach mein Herz ein Stück mehr.
„Wir stehen beide auf Frauen, bis gestern hatte ich eine Freundin. Außerdem sind wir Fußballer, da kann man gar nicht schwul sein. Das in London war nur ein dummer Ausrutscher, nichts weiter. "
In diesem Moment platzte mir der Kragen.  „Hörst du dir eigentlich selbst zu, Jule? Rede dir ruhig weiter ein, dass da keine Gefühle waren aber ich weiß genau, was ich bei dem Kuss empfunden habe! Und das war definitiv mehr als Freundschaft. Was wär so schlimm daran, schwul zu sein, los, sags mir!"
Beruhigend hob Jule die Hände. „Komm mal runter. Du weißt genau so gut wie ich, dass die Fußballwelt homophob ist. Eine Beziehung würde unsere Karrieren zerstören."
„Schonmal was von Geheimhaltung gehört? Man kann eine Beziehung haben, ohne sie öffentlich zu machen. Wir können heimlich zusammen sein, ich bin mir sicher, unsere Vereine würden uns dabei unterstützen", versuchte ich zu argumentieren doch bei Jule redete ich offenbar gegen eine Wand.
Er schüttelte nur den Kopf und murmelte: „Hör auf, Kai. Du machst es nur noch schlimmer."
Es war kaum zu glauben. Ich machte es schlimmer? Fassungslos lachte ich auf. Er leugnete seine Gefühle, verschloss sich vor mir, bezeichnete unseren Kuss als Ausrutscher und gab dem Alkohol die Schuld aber ich machte es schlimmer?
„Mir reicht's", flüsterte ich. Ich flüchtete aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu.
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No drama lama..
Ein fettes SORRY dafür, dass so lange nichts kam😖 Ich hatte ne ziemliche Blockade, aber jetzt geht's wieder besser. Wenns bei Bravertz nur genauso gut laufen würde...

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