Kapitel 8
Luna
Sie unterhielt sich locker mit vielen Gästen der Versammlung und erfuhr, dass einige hier auch neu waren und das ganze Treffen sehr ungezwungen zu sein schien. Es würden ein paar Flyer aufgeteilt zu einer Party und die Organisatoren fragten an, wer ein Transparent anfertigen würde, doch ansonsten schien es eher darum zu gehen, sich auszutauschen, Spaß zu haben, die Gemeinschaft zu genießen und einfach Kontakte zu knüpfen. Nur V saß mit ablehnend verschränkten Armen in eine Ecke und schenkte diesen Gemeinschaftsgeist kaum Beachtung. Dabei wurde weder hitzig irgendetwas diskutiert, noch ein Regierungs-Putsch geplant, wie es Veronica zuerst befürchtet hatte. Es waren sogar einige Leute da, die auch nicht wirklich von Diskriminierung betroffen waren und einfach dabei waren, weil sie die Sache unterstützen wollten. Allerdings war Luna die Einzige, die eine Polyamore Beziehung zu haben schien.
„Und ihr denkt wirklich über Kinder nach?", fragte Ben, denn Luna eben kennengelernt hatte und eigentlich nur hier war, weil eine Freundin von ihm der Meinung war, er müsste nach einer bösen Trennung mal wieder unter Leute. Sein Freund hatte ihn betrogen und er litt darunter sichtlich. Sein eigentlich hübschen, kantiges Gesicht wirkte eingefallen und seine Augen irgendwie glanzlos, war Luna so stark an Veronica erinnerte, dass es in ihrem Herzen zog.
„Ja, irgendwie schon. Findest du das schwierig?" fragte sie, weil Luna immer noch irgendwie Bestätigung brauchte für das, was sie tat.
„Nein, wieso? Weil es zwei Väter haben wird? Das haben doch viele Kinder, dessen Eltern sich irgendwann einmal haben scheiden lassen und dann neue Partner gefunden haben. Es wird unterm Strich sogar besser sein, weil das Kind nicht hin und hergeschoben wird. Ein Heim, ein Zimmer, eine Familie. Ich finde das schön" sagte er und seine beste Freundin, kam mit etwas zu trinken zurück und setzte sich neben Luna. Abby, das Mädchen, dass sie auf dem Campus abgefangen hatte, schien im allgemein sehr quirlig zu sein und lief schon die ganze Zeit durch den Raum um alle neuen Gesichter überschwänglich willkommen zu heißen. Sie war irgendwie lustig.
„Was ist eigentlich mit deiner Freundin da. Hab gehört sie ist eine bekannte Skandalkünstlerin, aber sie sieht aus, als wäre sie in einen Brunnen voller schlechter Laune gefallen", meinte er und Luna nickte nur, als er auf V deutete.
„Ich glaube, das ist eine Art verspäteter Liebeskummer. Sie hat ihren Ex wiedergetroffen und scheint irgendwie alles jetzt erst durchzumachen, als hätte sie das vorher verdrängt, oder so. Gerade ist sie in ihrer Wut-Phase. Nehmt es bitte nicht persönlich. Ich mache mir nur Sorgen um sie. Sie ist dünner geworden und tut nur noch zwei Dinge."
„Essen und heulen", riet Bens Freundin neben Luna, aber sie schüttelte den Kopf.
„Saufen und ficken", maulte Veronica unwirsch selbst als Antwort dazwischen, griff sich den Becher Limonade und Ex-te das süße Getränk.
„Klingt nach keiner gesunden Therapie", erwiderte Bens Freundin etwas bedauernd, aber V warf ihr einen sehr vernichtenden Blick zu und betrachtete dann Luna.
„Jeder heilt auf seinen Weg", gab V scharf zurück, aber Ben schüttelte den Kopf.
„Du wirst so nicht heilen", gab er mit einer zitternden Stimme zu, die deutlich machte, dass er dasselbe durchmachte, doch Veronika bemerkte das nicht wirklich.
„Und was soll ich dann machen? Mich von diesem Mistkerl wieder an die Leine legen lassen und ihn 'Daddy' nennen und so tun, als hätte er mich nicht einfach sitzen lassen? Ganz sicher nicht!" sagte sie und offenbarte damit mehr, als Luna je gedacht hätte. Doch bevor sie sich über den Erfolg freuen konnte, dass ihre Freundin begann endlich über das alles zu reden, trat noch ein neues Gesicht auf sie zu.
„Ein 'Daddy' lässt sein kleines Mädchen nie sitzen!", kam dann eine hübsche blonde Frau zu ihnen und mischte sich in ihr Gespräch ein. Etwas was hier absolut normal zu sein schien. An ihren Gesichtszügen war deutlich zu erkennen, dass sie einmal ein Mann gewesen ist, ein sehr attraktiver noch dazu, aber Luna bewunderte eher, mit welcher Eleganz sie in diesen Schuhen balancierte. Ob sie Unterricht gab? Gott, wusste, dass Luna ein paar Stunden bei dieser Frau gebrauchen konnte. Und das Make-up! Halleluja, wenn sie so einen dramatischen Lidstrich ziehen könnte, würde sie sich definitiv selbstbewusster fühlen.
„Was weißt du davon? Du siehst nicht so aus, als würdest du einen Daddy haben", meinte Veronika scharf und die Frau kam auf sie zu und legte einen Arm um Veronikas Taille und grinste sie an.
„Süße, ich habe keinen Daddy, ich bin ein Daddy. Aber wenn du mich 'Mami' nennen willst, bin ich dafür auch zu haben", hauchte sie/er denn Luna wusste kurz nicht, als was sie ihn sehen sollte und wahrscheinlich war auch genau das der Punkt, den sie aus dem Kopf bekommen musste. Ein Mann der gerne Frauenkleider trug und sich anzog wie eine Diva und dennoch, sich dennoch eindeutig als Mann fühlte. Faszinierend.
V aber verzog nur das Gesicht bei seiner/ihrer Anmache und rollte nur mit den Augen. Sie hatte schon immer weniger in Schubladen gedacht als Luna, die sich hier gerade wie ein Kind fühlte, dass das erste Mal ein Märchenland betrat. Alles war neu, skurril und absolut faszinierend. Obwohl die meisten hier sehr normal schienen, waren es ihre Geschichten nicht und Lunas Autorenseele sog alles in sich auf, wie ein Schwamm. Es war wunderschön, ständig entdeckte neue Facetten, die nie für möglich gehalten hätte. Dieser Abend war für sie definitiv eine Offenbarung, und zwar eine sehr positive. Nichts passte in ein Bild und das war auch gut so.
„Ich verzichte", meinte V und schob ihn/sie beiseite, doch grinste er nur absolut entwaffnend.
„Weil du verliebt bist, meine Hübsche. Du willst es nicht und hasst dich dafür, dass er diese Gefühle in dir wachruft, deshalb bist du wütend auf dich selbst und projizierst das auf andere. Dabei sehe ich genau, wie absolut faszinierst du von all dem hier bist. Du sahst die ganze Zeit in der Ecke da drüben und hast finster drein geblickt, aber eigentlich willst du dich auskotzen. Also, Zuckerbärchen, erzähl Robin alles und dann sag ich dir, wie du mit deinem Daddy umgehen musst", sagte Robin und legte V einen Arm um die Schulter und schleppte sie mit sich, während Luna nur blinzelnd hinterher sah.
Das lief besser als gedacht. Viel besser.
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Take it deep, Babygirl - Adventskalender 2021 (Kurzgeschichten)
Short StoryLuna, Zed und Cole suchen jeweils ihren Platz in ihrer ungewöhnlichen Beziehung zu Dritt. Doch wenn die Welt sich gegen sie stellt und ihre Liebe erlischt, dann verschwindet auch Vertrauen und Hoffnung. 2 Kurzgeschichten. Lesen des Hauptwerkes zwing...