"Backe, backe, Kuchen, der Bäcker hat gerufen!", hörte ich die Kinder amüsiert vor sich hinsingen, während meine Kollegin sie auf der Gitarre begleitete. Ich setze mich auf eines der Sofas neben die vielen Kinder und sang mit, während wir alle gemeinsam wie einstudiert zu dem Kinderlied gestikulierten. Mit ihren lieblichen Kinderstimmen sangen sie mit und alberten herum, während sich am anderen Ende des Raumes zwei Kinder darum stritten, wer auf der Trommel zum Takt trommeln durfte. Als sie lauter wurden, begab ich mich augenblicklich dorthin und schlichtete den Streit, indem ich aus der Musikkiste eine Rassel zückte und sie dem kleinen Mädchen namens Elif überreichte. Plötzlich strahlte sie bis über beide Ohren und ihre großen braunen Augen glänzten förmlich vor Freude. Sie freute sich herzlich darüber, weshalb sie mit ihrem neuen Prachtstück augenblicklich prahlte, indem sie es ununterbrochen schüttelte.
Es war immer so lebendig und das liebte ich an meinem Beruf. Es war immer etwas los und niemals ruhig. Ich beschrieb es als eine zweite Familie, da man von den Kindern unglaublich viel Liebe geschenkt bekam. Man bekam immer wieder aufs Neue zu spüren, dass diese unschuldigen Kinder keinen Funken von Bosheit in sich trugen und sich mit den einfachsten Dingen dieser Welt zufrieden gaben. Man konnte sie mit Kleinigkeiten unfassbar glücklich machen, sie besaßen so ein großes Herz.
Gegen Schluss meiner Arbeitszeit spielten die ganzen Kinder aus allen Gruppen miteinander im Hof und wir, die Erzieherinnen, beaufsichtigten sie und warteten darauf, dass sie abgeholt wurden. Wir unterhielten uns über übliche Sachen und immer wieder kamen einige Eltern, um ihre Kinder abzuholen. Jedoch konnten die Kinder nur schweren Herzens den Kindergarten verlassen, da sie das gemeinsame Spielen im Hof und generell den Kindergarten liebten.
Ich kannte die Eltern meiner Schützlinge und wechselte oft einige Worte mit ihnen, was mir sehr gefiel, da die Eltern wirklich sehr nett waren.
Es waren nun nicht mehr viele Kinder da und aus meiner Gruppe war es nur noch Elif. Da sie die Jungen und Mädchen aus den anderen Gruppen nicht gut kannte, kam sie nach kurzer Zeit traurig zu mir. "Ich will nicht mit denen spielen.", sprach sie trotzig mit ihrer zuckersüßen Stimme, während sie mit ihrem klitzekleinen Zeigefinger auf die herumrennenden Kinder deutete und vergeblich versuchte, sich neben mir auf die Bank zu setzen. Ich half ihr dabei, indem ich sie kurzerhand hochhob und neben mir platzierte. "Dann warten wir auf deinen Papa, freust du dich schon auf zu Hause?", fragte ich sie lächelnd und sie erzählte mir von ihrer neugeborenen kleinen Schwester, auf welche sie sich ganz besonders freute. "Das ist ja toll!", strahlte ich. Sie begann erneut, mir vollster Motivation Geschichten zu erzählen, als von hinten eine erfreute Stimme erklang, welche nicht die ihres Vaters war. "Elif!", rief die Stimme und augenblicklich drehten wir beide uns um. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als ich den jungen Mann erblickte, welcher mich am Tag zuvor in der Klinik dumm angemacht hatte. Elif sprang förmlich von der Bank runter und rannte dem mir unbekannten Mann in die Arme, welcher sie glücklich hochhob und durch die Luft wirbelte. Ich erhob mich nun auch von der Bank und Schritt näher an die beiden heran. "Wo sind deine Sachen mein Schatz? Hol sie, dann können wir gehen.", sprach er ihr zu, woraufhin sie direkt loseilte. "Wohin wollt ihr gehen?", sagte ich ernst, wodurch er seinen Kopf schlagartig in meine Richtung drehte. "Du schon wieder?", kam es aus seinem Mund. "Ich bin ihr Onkel, ich kann sie wohl vom Kindergarten abholen."
"Das Problem ist, dass ihre Eltern mir nicht gesagt haben, dass sie heute von ihrem Onkel abgeholt wird."
"Das war spontan. Hör zu, ich habe keine Zeit für deine scheiß-"
"Ich kann sie dir nicht mitgeben. Es ist nicht so vereinbart worden."
Er schritt näher an mich heran und musterte mich mit seinem bedrohlichen Blick, welcher unangenehm auf mir lastete.
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sah zu ihm auf. Er war unglaublich groß, was mir erst jetzt bewusst wurde. "Es ist mit ihren Eltern abgemacht, es war spontan. Spiel dich hier nicht so stur und zickig auf.", sprach er genervt und noch immer ruhte sein gefährlicher Blick auf mir. "Könntest du in einem angemessenen Ton mit mir sprechen?"
"Könntest du in einem angemessen Ton mit mir sprechen?", äffte er mich voller Übertreibung nach und machte mich noch wütender, als ich es bereits war.
"Ist alles in Ordnung, Eda?", sprach mir meine Kollegin zu und schritt näher an das Geschehen heran. "Nein, nichts ist in Ordnung. Dieser junge Mann möchte Elif mitnehmen, jedoch war es nicht mit ihren Eltern vereinbart. Er ist wohl ihr Onkel."
"Ja, das stimmt. Herr .."
"Herr Yilmaz.", stellte er sich außergewöhnlich freundlich vor und schüttelte die Hand meiner russischen Kollegin.
"Herr Yilmaz, Eda. Ich würde vorschlagen ihr ruft einfach die Eltern an, um das abzuklären."
Verwundert über seine plötzlich nette Art, nickte ich ihr bloß zu und sie verschwand wieder. "Vedat!", rief die kleine Elif, während sie auf uns zurannte. "Hey!", erwiderte er liebevoll und kniete sich runter zu ihr. Während er mit Elif sprach und sie unzählige Male küsste, marschierte ich in den Kindergarten rein und tätigte vom Arbeitstelefon aus einen Anruf. Ich suchte auf der Liste nach der Nummer von Elifs Vater und wählte sie anschließend. "Hallo!", meldete er sich erfreut, was ich mit einem "Hallo Herr Yilmaz!", erwiderte. "Oh, hallo Eda. Es tut mir leid, ich kann Elif heute nicht abholen kommen, mir ist etwas dazwischen gekommen. Mein Bruder sollte das machen, ist er etwa immer noch nicht da? Das ist typisch für ihn, es tut mir-" "Um ehrlich zu sein, er ist da. Ich wollte nur noch mal sicher gehen, ob er sie heute wirklich abholen sollte, da wir nichts besprochen hatten."
"Das geht klar Eda, du kannst dem Idioten vertrauen."
Lachend verabschiedeten wir uns und ich lief wieder in den Hof. "Herr Yilmaz hat das bestätigt.", sprach ich in einem neutralen Ton und erblickte im nächsten Moment sein triumphierendes Lächeln. Seine Anwesenheit machte mich unfassbar wütend und genervt verabschiedete ich ihn, doch Elif umarmte ich zuvor und winkte ihr anschließend noch zu.
"Was war denn bei euch los?", fragte mich meine Kollegin verblüfft.
"So ein Idiot!", fluchte ich.
"Der schien doch ganz nett zu sein, was hast du denn für ein Problem mit ihm?"
"Zu dir ist er vielleicht nett Ivana! Zu mir ist er ein Arschloch!", beschwerte ich mich und brachte sie somit zum lachen. "Kennt ihr euch?", wollte sie nun wissen.
"Naja" erwiderte ich "Ich habe ihn gestern in der Klinik gesehen. Du weißt gar nicht, wie er mich angepampt hat!"
Ich erzählte ihr von dem gestrigen Geschehen und schrieb somit auch ihr die Fassungslosigkeit ins Gesicht. "Und ich habe mich schon gefragt, wieso ihr euch dort fast in die Haare gekriegt habt.", sagte sie lachend mit ihrem russischen Akzent und gemeinsam vertrieben wir noch die restliche Zeit mit Plaudern, bis wir schließlich Feierabend hatten.
Nachdem ich zu Hause war, lud ich meine beste Freundin per Telefon zu mir ein, was sie glücklich annahm und nach nicht allzu langer Zeit bei mir zu Hause erschien.
Es klingelte an der Tür, woraufhin ich aus der Küche in Richtung Haustüre steuerte und vor mir meine bezaubernde Sibel erblickte. "Hey Eda!", strahlte sie und wir umarmten uns daraufhin herzlich zur Begrüßung. "Guten Abend!", rief sie in die Runde rein, wodurch meine Eltern auf sie aufmerksam wurden und sie ebenfalls lieb begrüßten. "Wie geht es dir mein Kind?", fragte meine Mutter nach ihr. "Sehr gut und dir?", erwiderte sie und somit führte meine beste Freundin ein kurzes Gespräch mit meiner Mutter. "Hast du Hunger?", wollte sie nun wissen, was Sibel jedoch mit einem "Nein danke, ich habe zu Hause gegessen.", abwies. "Na gut, dann geht in euer Zimmer meine Süßen.", sagte sie nun und verpasste uns beiden einen gefühlvollen Kuss auf die Wange. Sie war ein Engel auf Erden und schritt nun herzhaft lachend in die Küche, während Sibel und ich in mein Zimmer gingen.
"Morgen ist endlich Freitag!"
Man konnte die Erleichterung in ihrem Tonfall deutlich heraushören.
"Freu dich.", antwortete ich augenrollend und fuhr anschließend lustlos fort. "Ich darf wieder vier Stunden in der Klinik verbringen."
"Och Eda!", schmollte sie. "Ich komme dich besuchen, dann wird das nur halb so langweilig.", meinte sie kichernd und zauberte mir somit auch ein Lächeln ins Gesicht. "Die Dialyse wird immer wichtiger, ich muss ab jetzt auch sonntags hin.", beschwerte ich mich energisch.
"Hey, das ist halb so schlimm.", versuchte sie mich aufzumuntern. "Deine Gesundheit ist am wichtigsten."
Ich lächelte sie leicht an, woraufhin sie in ein neues Thema einstieg. Sie wusste genau, dass ich nicht sonderlich gerne darüber sprach.
"Wie läuft bei dir die Arbeit zur Zeit?"
"Wie immer, ich liebe es!", schwärmte ich. "Und bei dir?"
"Frag nicht, mega stressig!"
Sibel hatte eine Ausbildung zur Medienkauffrau absolviert und eigentlich war das genau ihr Ding. Wieso sie sich beschwerte, schien mir fragwürdig.
"Was ist denn los?", fragte ich sie, während ich ihr behutsam über das Knie strich.
"Ach, es ist einfach sehr viel los und mein Chef setzt mich oft unter Druck."
Sie seufzte und erzählte mir schließlich alles detaillierter, was mich fassungslos machte. Wir diskutierten ziemlich lange miteinander und sie beschwerte sich über ihren neuen Kollegen, welcher wohl ein ziemlicher Idiot war. Als sie mir weis machen wollte, was das doch für ein Arschloch sei, fiel mir plötzlich das Aufeinandertreffen mit dem Typen ein, welcher vermutlich Vedat hieß. Wutgeladen erzählte ich ihr von seiner idiotischen Persönlichkeit, seinem inakzeptablem Verhalten, seinem unfassbar negativem Auftreten und schließlich von seiner provokanten Art.
Als Sibel plötzlich begann zu lachen, erntete sie zu Recht verständnislose Blicke meinerseits und ein verwirrtes "Was ist so witzig?"
"Ihr habt euch einfach nur dämlich verhalten.", prustete sie mir entgegen. Ich stutzte meinen Blick und antwortete ihr empört. "Er hat sich dämlich verhalten!" Eine ganze Weile lang lachte sie und sprach schlussendlich wieder in ihrem normalen Zustand "Hast du dich mal gefragt, was er überhaupt in der Klinik gesucht hat?"
Kopfschüttelnd sah ich ihr entgegen und musterte ihr schmales Gesicht. Sie lächelte nun, wodurch ihre Mundwinkel in die Höhe schossen und ihre Bäckchen zum Vorschein kamen. Ihr gepflegtes Gebiss zierte ihren breiten Mund und ihre großen braunen Rehaugen machten ihre Schönheit vollkommen.
"Was denkst du?", fragte ich sie nun neugierig über ihr plötzliches Lächeln.
"Keine Ahnung.", erwiderte sie schulterzuckend und mit erhobenen Augenbrauen. "Denkst du, er hat etwas?"
"Wahrscheinlich schon, was sollte er dort denn sonst suchen?"
Ich zuckte mit den Schultern und dachte zum ersten Mal ernsthaft darüber nach, ob er sich womöglich in einer ähnlichen Situation wie ich befinden könnte. Ich wünschte es keinem Menschen auf dieser Welt, es war schrecklich.
Und erneut merkte ich, wie ich förmlich nach Sauerstoff hechelte und in Luftnot geriet, Nierenversagen ist unglaublich ätzend!
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Unsterblich
Teen Fiction"Gibt es in meinem Leben überhaupt einen Platz für Hoffnung? Oder hat diese verdammte Krankheit bereits über mein Schicksal entschieden?", entgegnete ich ihm verzweifelt und unterdrückte währenddessen den stechenden Schmerz, welcher sich in meinem g...