"Mein Schatz, du wirst so schnell wie möglich eine neue Niere bekommen, wenn Allah es so will. Alles wird gut werden, mach dir darüber keine Sorgen. Du bist doch stark, mein Kind."
Diese Worte verliehen mir unfassbar viel Kraft, welche ich einfach brauchte. Nachdem ich mich allmählich beruhigt hatte, hatte ich meiner Mutter die Situation geschildert und sie hatte es wie immer geschafft, mich aufzumuntern. Ich war dankbar. Allah war ich unfassbar dankbar dafür, dass er mir so eine wundervolle Familie geschenkt hatte. Ein letztes Mal verpasste sie mir einen herzlichen Kuss auf die Stirn und bereitete mir anschließend einen Teller mit Essen zu, welchen ich genüsslich und noch immer etwas angespannt aufaß. "Gibt es keine Medikamente gegen diese Schmerzen?"
"Nein, das schadet meinem Körper.", seufzte ich. Ebenfalls seufzend beobachtete sie mich nun beim Essen. Aus meinem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sie mich beobachtete und ihre Augen nicht von mir abwandte. Es kam mir eher vor wie ein endloses Mustern. Was sie wohl genau in diesem Moment dachte? War sie stolz auf mich? Plagte sie die Angst, mich, ihre einzige Tochter zu verlieren? Vor lauter Neugier sah ich ihr ins Gesicht und erkannte diese Kälte in ihren Blicken, die für sie nicht üblich war. Meine Vermutung bestätigte sich hiermit. Also dachte sie wirklich über einen womöglichen Verlust ihres Kindes nach? War es das, was sie belastete?
"Mama.", sprach ich leicht aufgelöst zu ihr. "Woran denkst du?", wollte ich nun gespannt von ihr wissen. Kaum hatte ich den Satz vollendet, schossen die Tränen in ihre Augen und kullerten achtlos über ihre faltigen Wangen, Angst fleckte ihr engelhaftes Gesicht. Ohne zu zögern, erhob ich mich von meinem Stuhl und nahm sie fest in die Arme, nun musste ich ihr Kraft geben. "Wieso musst du nur mit diesen Schmerzen leben? Hätte ich nur diese furchtbare Krankheit, wieso musst du sie haben? Ich wünschte, ich hätte diese Schmerzen, nicht du. Ich ertrage es nicht.", sprach sie schluchzend mit ihrem gebrochenen Deutsch und drückte mich noch fester an sich heran. "Mama, nein! Alles wird gut, vertrau mir. Gemeinsam schaffen wir das, wir halten das durch. Wir werden es schaffen, ja? Schau mich an, wir werden es schaffen,ja?"
Es war paradox. Ja, es war sehr paradox. Ich glaubte nicht daran, dass ich es schaffen würde. Nein, im Gegenteil. Ich wusste, dass ich die Kraft zum Kämpfen nicht mehr besaß, dieses Kämpferische existierte nicht mehr in mir. Der einzige Grund für meine ermutigenden Worte waren sie, meine geliebte Mutter. Ich ertrug es nicht, wenn sie leidete und das auch noch wegen mir. Das konnte ich nicht mitansehen, wie sie zusammenbrach. Stärken musste ich sie, es war meine Aufgabe. Doch ich wusste, ich würde es nicht durchhalten.
Schließlich nickte sie. "Es tut mir leid Eda, ich wollte nie, dass du mich in diesem Zustand siehst. Ich glaube an dich, meine Prinzessin. Du wirst es schaffen." Ein ehrliches Lächeln verließ ihre Lippen und genau das war es. Es ermutigte mich, genau das war er. Der Sinn meines Lebens. Ihr Glück war mein Glück. Herzhaft erwiderte ich ihr zuckersüßes Lächeln und wischte die restlichen Tränen auf ihrem Gesicht weg. "Für dich." dachte ich mir und lächelte.
Nachdem ich meiner Mutter beim Haushalt geholfen hatte, fiel ich am Ende des Tages erschöpft in mein Bett und verbrachte die restliche Zeit, indem ich Musik hörte und nebenbei ein Buch las.
Der grausame, schrille Ton meines Wecker riss mich aus meinem belanglosen Traum, unüberhörbar wie er war! "Was ist denn?", presste ich verschlafen aus mir heraus und richtete mich auf, sodass ich daraufhin auf meinem Bett saß und mir die Augen rieb. "Moment mal!", dachte ich mir und drängte meine Gehirnzellen dazu, nachzudenken. "Haben wir nicht Samstag?". Ein Blick auf meine Uhr bestätigte mir den Gedanken und genervt seufzte ich laut. "Ich habe schon wieder vergessen, den Wecker auszuschalten.", dachte ich mir und plötzlich war ich hellwach, sodass ich mich zum Denken nicht mehr anstrengen musste. Genervt ließ ich mich zurück auf mein himmlisches Kopfkissen fallen und versuchte vergeblich einzuschlafen. In letzter Zeit fiel mir das Einschlafen schwerer als sonst, obwohl ich durch die Schwäche meiner Nieren jeden Tag immer müder und erschöpfter wurde. Viel zu viele Gedanken kreisten ununterbrochen in meinem Kopf umher und gaben mir somit überhaupt keine Chance auf einen friedlichen Schlaf. Erneut lag ich da und starrte wie gewohnt gegen meine Zimmerdecke. Ich musste in dieser Nacht - nennen wir es an diesem Morgen - jedoch bemerken, dass es plötzlich komplett andere Gedanken waren, die mich plagten und die mich beunruhigten. Sie waren neu, mir waren sie unbekannt. Und sie machten mir Angst, sie verunsicherten mich und das Schlimmste von allem war: Ich kannte diese Gedanken nicht und ich wusste nicht, wie ich sie loswerden oder gar verdrängen sollte. Wie sollte ich gegen diese Gedanken ankämpfen? Ich fürchtete mich. Davor, dass diese Gedanken ausreifen könnten. Davor, dass sie öfters in meinem Kopf herumschwirren könnten und am meisten fürchtete ich mich davor, dass ich diese Gedanken irgendwann lernen würde zu akzeptieren, mit ihnen umzugehen und versuchen, sie zu verstehen.
Grelle Sonnenstrahlen schienen mir direkt ins Gesicht, sodass ich quengelnd erwachte. Ich dachte zurück an den Morgen und an die Gedanken, die mich nicht losgelassen hatten. Nun beschloss ich, nie wieder würde ich es zulassen, mir Gedanken über diese fürchterlichen Gedanken zu machen. Ich musste sie verdrängen, ein für allemal.
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Unsterblich
Teen Fiction"Gibt es in meinem Leben überhaupt einen Platz für Hoffnung? Oder hat diese verdammte Krankheit bereits über mein Schicksal entschieden?", entgegnete ich ihm verzweifelt und unterdrückte währenddessen den stechenden Schmerz, welcher sich in meinem g...