Ich platzierte meinen Körper auf dem unbequemen Liegestuhl und sah der Arzthelferin beim Herrichten des Dialysegerätes zu. Meinen Kopf drehte ich in Richtung des Fensters und beobachtete wie gewohnt den Verkehr Münchens. Die Helferin verließ den Raum, woraufhin eine unfassbar angenehme Stille entstand und ich mich allmählich von dem einseitigen Konflikt vor einigen Minuten erholen konnte. Tief durchatmend schloss ich meine Augen und ließ die Ruhe auf mich prasseln, bis ich die Schritte einer sich nähernden Person erhörte. Einige Stimmen hallten durch den Flur, weshalb ich meinen Kopf nun in Richtung der Türe drehte. Die Türklinke bewegte sich nach unten und ich erblickte meine Ärztin gemeinsam mit meiner besten Freundin, wie sie quasselnd den Raum betraten. Ein Lächeln machte sich blitzartig auf meinem Gesicht breit. "Hallo, Frau Demirel!", strahlte meine Ärztin und reichte mir ihre Hand, was ich mit einem Händeschütteln erwiderte. "Hallo.", sagte ich schließlich harmonisch. "Sibel!", ergänzte ich glücklich und nahm sie fest in die Arme, während die sich zu mir hinunter bückte. "Du bist wirklich gekommen!", grinste ich zufrieden. "Natürlich, was hast du denn erwartet?", lachte sie ebenfalls und nahm auf dem Stuhl neben meiner Liege Platz. Nach einem Smalltalk mit meiner Ärztin starteten wir mit der Dialyse und sie verschwand durch die Tür. "Warst du im Wartezimmer?", wollte ich interessiert von meiner Freundin wissen. "Ja, um zu schauen, ob du noch wartest. Warum?", antwortete sie gelassen und durchstöberte währenddessen ihre Tasche, ohne mir einen Blick zu widmen.
"W-war niemand da?", stotterte ich nervös mit einem rasenden Herz, woraufhin sie augenblicklich das Kramen in ihrer Handtasche unterließ und mir kritische Blicke zuwarf. "Wieso?", prüfte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue nach und wandte ihr Augenpaar keineswegs von mir ab. Ich schnaubte kurz auf und antwortete anschließend in einem genervten Ton. "Er war wieder da.", gab ich augenrollend von mir. Schlagartig verschärfte sich ihr Blick und sie sah mich mit großen Augen an. "Und?", schoss es voller Neugier aus ihrem Mund. Als ich ihr nach einigen Sekunden noch immer keine Antwort gegeben hatte, plagte sie sichtlich die Ungeduld, was sie mir im nächsten Moment ungemein zu verdeutlichen vermochte. "Erzähl doch!", rief sie und haute mir dabei auf die Schulter. "Schon gut, Sibel!", lachte ich - sichtlich amüsiert von ihrer ungeduldigen Art - und erzählte ihr wutgeladen von der unangenehmen Situation.
Als Sibel plötzlich losprustete und unfassbar stark zu Lachen begann, plagte mich die Unsicherheit und ich fragte mich ernsthaft, was daran so witzig sei. Zornig zog ich beide Augenbrauen zusammen und verschärfte meinen Blick, mit welchem ich förmlich auf Sibel schoss. "Was lachst du denn so dreckig?"
"Du hast dich ernsthaft darüber aufgeregt, dass er einen Kaugummi kaut? Wie dumm ist das denn? Der hält dich jetzt bestimmt für total bekloppt!", entgegnete sie mir noch immer amüsiert, was mich sichtlich verwirrte. "Er hat das mit Absicht getan!", verteidigte ich mich forsch. "Das bildest du dir ein, wieso sollte er? Du interessierst ihn nicht." Die direkten Worte meiner ehrlichen Freundin regten mich zum Nachdenken an und mir wurde bewusst, wie sehr ich doch überreagiert hatte. Im Nachhinein schien mir mein Verhalten nahezu peinlich und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Was gab mir denn das Recht, ihm vorzuschreiben, wie er seinen Kaugummi zu kauen hatte? Es schien mir wie das Resultat meines unbedachten Handelns, was ich zugegeben oft zu spüren bekam. Einsichtig schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn und schloss meine Augen für einen Moment. Tief durchatmend regte ich mich über meine Wenigkeit auf, was jedoch still in meinen Gedanken geschah.
"Was er jetzt wohl von mir denkt.", murmelte ich vor mich hin und starrte dabei ins Leere. "Ist doch scheiß egal. Wieso interessiert es dich, was er von dir denkt? Ist doch bloß irgendein dahergelaufener Typ."
Irgendein dahergelaufener Typ, hallte es mir tausendmal im Kopf umher, bis ich es ignorierte und mich wieder an meine Freundin wandte. "Es interessiert mich nicht und er interessiert mich noch weniger.", zischte ich sie an und drehte anschließend meinen Kopf in Richtung des Fensters. Vedat, sein Name wiederholte sich oft in meinen Gedanken, was jegliche Erinnerungen an ihn weckten. Ich erschrak, als ich plötzlich seine gefährlichen Blicke vor Augen hatte, wie sie mich bedrohlich ansahen und als wollten sie mir vermitteln, dass ich nicht an sie denken sollte. Seine langen, dunklen Wimpern, die seine Blicke zusätzlich verschärften und seine herausstechenden Wangenknochen, welche sein Gesicht so markant machten und es maskuliner wirken ließen. Er war mysteriös. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wer er war und was hinter seiner finsteren Fassade steckte, doch irgendein mir unbekannter innerer Trieb drang mich förmlich dazu, es wissen zu wollen. Wer war er?
"Bist du dir da sicher?", entgegnete mir meine Freundin grinsend. "Ja!", erwiderte ich energisch und konzentrierte mich erneut auf den Straßenverkehr.
Als nach einigen Minuten der Stille das Knurren meines Magens sie zu brechen wusste, reagierte Sibel blitzartig.
"Ich geh runter ins Café und besorge uns schnell etwas zu Essen, okay?", schlug sie vor, was ich lächelnd mit einem Nicken bestätigte. Sie verschwand aus dem Raum, weshalb ich nach meinem Handy griff und die Zeit etwas vertrieb. Allerdings hielt ich es nicht sonderlich lange aus, da mich die Müdigkeit ungemein plagte und ich es deshalb zur Seite legte, es mir bequem machte und die Augen schloss.
"Sorry, dass es so lange gedauert hat!", platzte meine Freundin lautstark in das Zimmer herein, wodurch ich augenblicklich aus meinem Schlaf aufschreckte und entgeistert zu ihr blickte. "Schon gut.", murmelte ich einsichtig vor mich hin. "Hast du geschlafen?"
"Ja.", erwiderte ich ruhig und bemerkte, wie meine Augen immer schwerer wurden. "Tut mir leid.", gab sie reuevoll von sich. "Schon gut.", wiederholte ich und griff nach der Tüte, welche sie mir übergab. Wir aßen eine Kleinigkeit und vertrieben die gesamte Zeit mit Reden und Lachen. Als letztendlich meine Ärztin zur Erlösung herbeieilte, befreite sie mich vom nervigen Dialysegerät und verabschiedete Sibel und mich freundlich. "Sie kommen am Sonntag in der Früh? Gegen zehn Uhr?", versuchte sie den Termin zu bestätigen, was ich bejahend entgegennahm. Plaudernd verließen Sibel und ich das Klinikum und schritten gemeinsam auf den Parkplatz. "Fährst du mich nach Hause? Ich bin mit der Bahn gekommen." "Ja klar, willst du nicht noch zu uns?"
"Wir bekommen heute Besuch, ich muss meiner Mutter helfen!", seufzte sie, während wir noch immer in Richtung des Parkplatzes liefen.
Als ich schließlich vor meinem Auto stand, ergriff mich blitzartig die Wut. Mich hatte ernsthaft ein Motorrad zugeparkt? "Was soll der Scheiß?", regte ich mich auf. "Von wem ist das?", versuchte Sibel zu vermitteln. "Ich hab keine Ahnung.", rief ich ihr entsetzt zu. "Wir schieben das jetzt hier weg!", befahl ich und griff bereits danach, als mich meine vernünftige Freundin davon abhielt. "Eda, stop! Erstens, es gehört dir nicht. Du kannst es nicht einfach anfassen und wegschieben, das ist nicht dein Eigentum! Zweitens, das Ding ist viel zu schwer, es wiegt mindestens um die 140 Kilo! Wir werden warten, bis der Besitzer kommt!"
Einsichtig nickte ich, doch regte mich im nächsten Augenblick erneut auf. "Hier ist so viel Platz, wieso parkt dieser Vollidiot mich zu?"
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich genervt an mein Auto. "Reg dich nicht auf!"
"Und was, wenn der erst Stunden später kommt?", nörgelte ich weiter. Gerade wollte Sibel etwas sagen, da unterbrach ich sie. "Wetten, der war das! Er wird sehen!", zischte ich wutgeladen und beobachtete Vedat mit einem Helm in der Hand, wie er auf das Motorrad zuschritt. "Vedat! Spinnst du? Du kannst doch nicht-"
"Halt die Klappe, Eda!", unterbrach mich meine Freundin Sibel, was ich jedoch ignorierte. "Was soll das? Hast du nichts besseres zu tun, als mir andauernd auf die Nerven zu gehen?"
Plötzlich sah er auf und blickte mir unfassbar bedrohlich in die Augen, dieser Blick war sowas von finster. Wortlos setzte er seinen Helm auf und schlüpfte in die Motorrad Jacke, nachdem er seinen Nierenschutzgürtel angebracht hatte. Kurzerhand setzte er sich auf das schwere Motorrad und düste ohne auch nur ein Wort zu sagen davon und ließ mich somit sprachlos auf der Stelle stehen. "Du ignorantes Arschloch!", schrie ich ihm voller Energie hinterher und hoffte nur allzu sehr darauf, dass er es gehört hatte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und begann vor Wut zu zittern. "Eda, kannst du dich bitte beruhigen?", sprach Sibel mir besinnlich zu und strich mir über den Arm. "Das hat er sowas von mit Absicht gemacht!"
"Du lässt dich viel zu schnell provozieren!", kritisierte sie mich. "Wieso provoziert er mich überhaupt?", sprach ich voller Unverständnis, während ich meine Blicke an sie wandte. "Okay, ich gebe es zu. Diese Aktion war richtig scheiße von ihm! Trotzdem musst du dich etwas beherrschen, mit deinen Wutausbrüchen kommst du nicht weit."
"Wie soll ich mich beherrschen, wenn dieser Idiot es darauf anlegt?"
"Eda, ist gut jetzt! Ich glaube, dass dich viel mehr die Tatsache aufregt, dass er dich ignoriert hat. In der Ruhe liegt die Kraft, meine Liebe", sprach sie lachend, woraufhin ich die Augen rollte. Sie hatte Recht, wieso ignorierte er mich überhaupt? In dem Moment wäre es mir egal gewesen, hätte er mich beleidigt oder mich angeschrien, doch diese Ignoranz war zum Kotzen.
Zügig lief ich zur Fahrertüre und riss sie hastig auf, setzte mich auf den Sitz und knallte sie voller Wucht zu. Nach mir setzte sich auch Sibel auf den Beifahrersitz und begutachtete sich eine Weile im Spiegel. "Worauf wartest du? Fahr doch los.", sprach sie schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit. Meinen schweren Kopf stütze ich am Lenkrad ab und blieb weiterhin still. "Eda.", murmelte sie neben mir und ich spürte ihre Finger auf meinem Rücken, wie sie auf und ab strichen. "Eda!", wiederholte sie anschließend etwas lauter, nachdem sie noch immer keine Antwort meinerseits ergattert hatte. Urplötzlich hob ich meinen Kopf und startete den Motor. Bevor sie sich umsehen konnte, fuhr ich auch schon los.
Ich war erschöpft, erschöpft vom Leben und erschöpft vom Warten. Ja, ich glaubte an Wunder, doch wie geduldig musste ich denn sein, damit mir eins widerfuhr? Wieso traf es mich? Wieso traf diese schreckliche Krankheit mich? Weshalb gab es keinen einzigen Funken Hoffnung in meinem Leben? Aus welchem Grund hatte ich es verdient, mit dieser schrecklichen Krankheit leben zu müssen, die mir in diesem Moment erneut verdeutlichte, wie sehr sie mich und mein Leben in der Hand hatte. Ein unfassbar lästiger Schmerz durchfuhr meinen gesamten Körper, bis er sich zusammenzog und stärker wurde, alles schmerzte. Ich verzog das Gesicht und hielt automatisch meinen Bauch fest. Ein qualvoller Schrei verließ meinen Mund, augenblicklich fuhr ich bei der nächsten Gelegenheit rechts ran und quälte mich. Ich erntete besorgte Blicke von Sibel, die mir verzweifelt irgendwelche Sachen zurief, welche ich nicht verstehen konnte. Der Schmerz durchzog jede einzelne Stelle, mal stach er ein wie ein Messerstich, mal sog er alles aus mir heraus. Mal wirbelte er alles durcheinander und mal sammelte er sich auf einem Fleck, wodurch der Schmerz noch intensiver wurde. Noch intensiver und noch viel feiner. Er konzentrierte sich regelrecht auf jeden einzelnen Punkt, jeden einzelnen Nerv und quälte mich bis ins Detail. So definierbar war der Schmerz, genauso wie er mir unbekannt war.
Als ich bemerkte, wie er allmählich nachließ, begann ich hastig zu atmen, was ich in diesem Moment völlig vergessen hatte. Er ließ nach, er verschwand allmählich und ging genau den selben Weg zurück, den er gekommen war. Und das war der Moment in dem ich realisierte, bald wäre es so weit. Genau das war dieser Augenblick in dem ich mir sicher war, dass ich es trotz der regelmäßigen Dialyse nicht schaffen würde. Der Moment, als mir klar wurde, ich war nicht so stark, wie es alle von mir dachten, einschließlich mir. Ich war dem Tod näher, als ich es mir jemals zuvor hätte erahnen können.
Als sich mein Atem reguliert hatte und Sibel mit allen Mitteln versucht hatte, mit mir zu kommunizieren, gab ich ihr Gewissheit, dass der Schrecken vorüber war.
"Sibel..", nuschelte ich mit Tränen in den Augen. Als Sibel den Schock bemerkte, welcher sich auf meinem Gesicht breit gemacht hatte, nahm sie mich blitzartig in ihre Arme und begann zu schluchzen. "Eda!", rief sie verzweifelt. "Eda ich dachte, ich dachte du.."
"Sibel, ich dachte ich sterbe.", vollendete ich ihren Satz und spürte, wie sie mich noch näher an sich heranzog und ich spürte ihre kalten Tränen, die ihr Gesicht entlang liefen und ich hörte ihr Schluchzen, es war gefüllt mit so viel Liebe und Angst. Angst um mich, um ihre beste Freundin. Angst um ihre Weggefährtin und diese grausame Angst um ihr Herz, ihre Seele.
"Ich werde es nicht schaffen.", flüsterte ich ihr leidig ins Ohr. "Doch, das wirst du!", schniefte sie und löste sich von unserer innigen Umarmung. "Und wie wir es schaffen werden!"
Ich schüttelte bloß den Kopf und senkte meine Blicke. "Ich kenne diesen Schmerz nicht. Er war anders. Ich will das nie wieder durchmachen, es war so schlimm. Sibel, es war ein mir so unbekannter Schmerz, das ist nicht mehr im Bereich des Guten, ich werde es nicht durchhalten."
"Wir wechseln, ich gehe ans Steuer. Beweg deinen Hintern raus, wir fahren augenblicklich in die Klinik.", befahl sie mir und ich gehorchte.
Während der gesamten Fahrt wischte ich mir die immer wieder aufkommenden Tränen aus dem Gesicht und versuchte nicht daran zu denken, dass ich dem Tod womöglich viel näher war, als ich das bisher gedacht hatte.
In der Klinik angekommen, suchten wir meine Ärztin auf, bis wir sie schlussendlich fanden.
Ich schilderte ihr kurz die unerwartete Situation, anschließend bittete sie mich, mit ihr mitzugehen. Sie führte Sibel und mich in einen Untersuchungsraum und bot uns an, Platz zu nehmen. Nachdem wir uns hingesetzt hatten, begann sie zu sprechen. "Also Frau Demirel, könnten sie mir den Vorfall bitte detailliert schildern?" Sie griff zu einem Stift und bereitete sich darauf vor, mitzuschreiben. Ich nickte steif und begann anschließend mit der Erzählung. "Wir waren auf dem Weg nach Hause und ich saß am Steuer, als ich plötzlich unfassbar starke Schmerzen bekam, die sich im Bereich meines Bauches befanden. Es war nicht nur unangenehm, sondern viel mehr als das. Frau Doktor Koch, ich hatte so etwas noch nie zuvor und wusste nicht wie ich damit umgehen soll, meine Freundin war auch total ratlos. Es hat mich total belastet, sogar geschrien habe ich ungewollt. Zum Glück ging es nicht allzu lange und es war genauso schnell weg, wie es gekommen ist." Ich beobachtete meine Ärztin, wie sie mir gespannt lauschte und ab und zu ein "Mhm." ihren Mund verließ. Manchmal blickte sie zu mir auf, anschließend schrieb sie fleißig weiter und nickte immer wieder. "Wie lange ging es denn schätzungsweise?", fragte sie nun interessiert und die Entsetzung fleckte ihr schmales, weibliches Gesicht, welches als Gegensatz eine große Brille auf der Nase trug. "Ich schätze.. etwa.. eine Minute?", es klang eher wie eine Frage und ich sah hilflos zu meiner Freundin rüber. "Sibel, weisst du es noch ganz genau?" "Eine Minute ist gut, etwas um den Dreh.", sprach sie zierlich und sah mich dabei mit großen Augen an. "Mhm.", kam es erneut von Frau Koch und diesmal setzte sie ihre Brille ab und wandte ihre Blickte zu uns. "Frau Demirel.", sie holte einmal tief Luft und sah mich bemitleidend an. "Es ist kein Geheimnis, dass sie mittlerweile im fortgeschrittenen Stadium sind. Da kann es schon mal passieren, dass solche Krämpfe vorkommen, der sogenannte Krampfanfall. Die neusten Untersuchungen hatten bei Ihnen ergeben, dass das Fortschreiten ihrer Nierenschwäche diesen Bereich nun auch in Angriff nimmt. Ihr Magen-Darm-Trakt wird nach und nach geschädigt, weshalb dieser Krampf in diesem Bereich nichts ungewöhnliches ist. Diese krankhaften Veränderungen durchleben sie selbstverständlich immer wieder während ihrer Nierensuffizienz, das ist nichts Neues. Allmählich werden immer mehrere Organsysteme Ihres Körpers geschädigt, das ist das Problem. Es werden sich Symptome zeigen wie Krämpfe, da sie nun.. Wie soll ich sagen? Naja, sie befinden sich allem Anschein nach beinahe im terminalen Stadium, welcher tödlich ist. Ihr Körper ist vergiftet und darauf folgt dieser Krampfanfall. Wie Sie wissen, darf ich Ihnen keine Schmerzmittel zur Verfügung stellen, dies belastet ihren Körper umso mehr mit potenziellen Giftstoffen."
Das raubte mir meine letzten Kräfte, mein letzter Halt und mein allerkleinster und allerletzter Funken Hoffnung erlosch. Es war wie ein Albtraum. Ich würde es nicht schaffen, das wusste ich.
"Aber Frau Koch, wie kann das denn sein? Ich komme doch regelmäßig zur Dialyse, wie kann das sein?"
"Frau Demirel, die Dialyse ersetzt leider nicht vollkommen die gesamte Funktion ihrer beider Nieren. Ihre Beschwerden werden hierbei zunehmend gravierender, je mehr die Nieren an Funktion einbüßen. Was ich damit sagen will, sie brauchen dringend einen Spender!"Angst, Trauer, Leid, Qual, plagten mich. Völlig leer trat ich durch die Eingangstüre und schritt wie ein lebloses Wesen in die Küche, wo ich auf meine Mutter traf. Nachdem sie meine Schritte gehört hatte, drehte sie sich zu mir und sah mir entsetzt ins Gesicht. "Eda, was ist denn mit dir los, mein Kind?" Ohne auch nur ein einziges Wort darauf zu erwidern fiel ich meiner geliebten Mutter in die Arme und begann zu weinen wie ein Kind. Ich schluchzte mir die Seele aus dem Leib und genoss ihre innige Umarmung. Wie liebevoll sie mich mit ihren zärtlichen Händen fest an sich heran drückte. Wie geborgen ich mich doch in ihren Armen fühlte. Wie ein neugeborenes Kind zum ersten Mal in den Armen seiner Mutter. Man nimmt den Geruch wahr, diesen mütterlichen zuckersüßen Duft und schon als kleiner Säugling hat man die Fähigkeit, diesen jeder Zeit wiederzuerkennen. Wie sie den Raum einzig und allein mit ihrer Wärme füllte, mit dieser mütterlichen Wärme. So wohl fühlte ich mich bei ihr. Und bald, bald könnte ich das nicht mehr. Ich würde es nicht schaffen. Ich würde sie verlassen müssen. Noch nie zuvor war ich an diesem Punkt angelangt, an welchem ich mir so sicher war, dass der Tod mich unfassbar schnell einholen würde und das, bevor ich meiner Mutter den Moment des Glücks bescheren könnte, Schwiegermutter zu werden, Großmutter zu werden, etwas aus mir zu machen und sie mit dem größten Stolz auf ihre Tochter zurückzulassen, hatte ich überhaupt genug Zeit dafür? Grausamer Gedanke, ein Schauer lief mir über den Rücken, am gesamten Körper zitterte ich und ich fror, denn diese Kälte ertrug ich nicht. Es ließ mich umso mehr schluchzen und mittlerweile musste ich mich zwingen, auf den Beinen zu bleiben. Genau das würde ich am meisten vermissen, mich in den Armen meiner geliebten Mutter.
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Mal ein etwas längeres Kapitel :)
Ich hoffe, dass ihr Spaß beim Lesen hattet und vielleicht sogar mitfühlen konntet, da die Lage von Eda wirklich kritisch ist und man so etwas schreckliches selbstverständlich niemandem wünscht!
Ich würde mich über euer Feedback sehr freuen, vielen Dank fürs Lesen!
Eure Kizilbas ❤️
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Unsterblich
Teen Fiction"Gibt es in meinem Leben überhaupt einen Platz für Hoffnung? Oder hat diese verdammte Krankheit bereits über mein Schicksal entschieden?", entgegnete ich ihm verzweifelt und unterdrückte währenddessen den stechenden Schmerz, welcher sich in meinem g...