Kapitel 10

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Ehe ich mich versah, standen meine beiden Schutzengel um mich herum und zogen mich an den Armen vorsichtig wieder auf die Beine, während ich das Gesicht vor Schmerz verzog und mir wehleidig die Hand an den Kopf hielt. Dieser Aufprall war alles andere als sanft gewesen! Ernste Schäden hatte ich zum Glück nicht davon getragen, da es nur einige Stufen waren, allerdings entstand durch diesen Sturz ein zusätzlicher physischer Schmerz, welcher mir alle Kraft der Welt raubte.
"Wie ist es passiert?", hörte ich meine Freundin besorgt redend.
Als wäre dieses physische Leid nicht schon genug, verstärkte sich die Atemnot mit jeder Sekunde um gefühlt das Doppelte, meine Atemwege wurden rücksichtslos versperrt. Ich versuchte alles, um das loszuwerden. Ich hechelte nach Luft, ich schnappte förmlich nach Sauerstoff, doch es brachte nichts, wodurch der Schwindel mir erneut in den Kopf schoss und ich meinen Halt ein weiteres Mal verlor. Allerdings befand sich dieses Mal eine starke Hand neben mir, welche mich festhielt und mir das unfassbar schöne Gefühl gab, sie würde mich nie im Leben loslassen, mich niemals alleine lassen - niemals! "Ganz ruhig Eda, immer schön aufrecht bleiben! Keine Panik, es ist alles ok!", versuchte Arda mich zu beruhigen. Sie wussten ganz genau, was man in solch einer Situation zu tun hatte und das wichtigste von Allem war es, die Ruhe zu bewahren. Bis ich das Gefühl hatte, dass der Sauerstoff erneut in meinen Brustkorb floss, hatte mein bester Freund beruhigend auf mich eingeredet und die Hektik gemieden. Außerdem hatte er meinen Oberkörper mithilfe seiner Kraft so gut wie nur möglich versucht, aufrecht zu halten, was sehr wichtig für die Öffnung der Atemwege war.

Mein Atem hatte sich mit der Zeit reguliert, was bei allen Beteiligten eine große Erleichterung auslöste und somit das Gefühl allmählich verflog, dass ich das große Sorgenkind war und jeder sich um mich kümmern musste.. Das hatte ich überhaupt nicht gerne! Schon immer wollte ich eine bodenständige Person sein und vor allem, von niemandem abhängig! Diese Fakten waren mir sehr wichtig, ich bestand stets darauf, meine Ziele alleine zu erreichen. Ohne dabei Abhängig von einer zweiten Person zu sein oder gar einer anderen Person zu gehorchen. Hilfe nahm ich hingegen gerne an - wenn es nicht das Übermaß der Dinge erreichte.
Ich machte mir in diesem Moment überhaupt keine Sorgen, weder um mich, noch um andere. Es war Normalität. Das einzige, was mir ein wenig Kummer bereitete, war die Tatsache, dass es in letzter Zeit eigentlich besser geworden war mit meiner Krankheit. Die Auswirkungen der Symptome hatten sich seit den letzten Wochen auffällig verringert, doch seit einigen Tagen begann der ganze Prozess wieder. Was mir hierbei Angst machte war die Tatsache, dass das terminale Stadium in greifbarer Nähe war. Das terminale Stadium überlebte niemand, es konnte schon zu Beginn tödlich sein. Es war die Zeit, in denen beinahe alle Organsysteme des Körpers von den Giftstoffen angegriffen waren und somit nichts mehr funktionierte. In den Anfangsstadien war das nicht der Fall, hierbei gab es nicht einmal Symptome, die man wahrnehmen könnte. Die Nieren wurden zwar schwächer, allerdings hatte das nicht dieses Ausmaß, sodass man in den Anfangsstadien kaum an Symptomen litt. Dies war das große Problem beim chronischen Nierenversagen. Aus diesem Grund konnte man es nicht früh genug bemerken und eine Vorsorge fiel somit weg, welche womöglich einen negativeren Verlauf der Krankheit ausgeschlossen hätte. In meinem Fall war es leider so, dass wir es relativ spät bemerkt hatten - und nun litt ich an den Folgen einer fehlenden Vorsorge.

"Wir fahren dich jetzt nach Hause, keine Widerrede! Wir sind schon viel zu lange hier.", schimpfte Sibel vor sich hin und marschierte zielstrebig auf mein Auto zu, in welches sie stieg und anschließend darauf wartete, dass Arda und ich uns ebenfalls hineinbegaben.
Ohne ihr zu widersprechen, setzte ich mich in das Auto und lehnte mich total ermüdet an die Fensterscheibe.
"Ein Wunder ist geschehen Sibel, sie hat getan, was wir ihr gesagt haben!", ertönte es euphorisch vom Beifahrersitz, auf welchem sich mein bester Freund platziert hatte. Die beiden lachten etwas über diesen total unlustigen Witz, während ich noch immer vollkommen kraftlos die Augen schloss.
"Eda", hallte es in meinem Kopf umher, bis ich plötzlich aufschrak und die beiden Nervensägen um mich herum wahrnahm. Arda hatte sanft an mir gerüttelt und erst jetzt kam ich zu mir und stellte fest, dass ich eingenickt war und wir uns vor meinem zu Hause befanden. "Komm schon", flüsterte Arda mir ruhig zu und gab mir durch seine starke Hand einen Halt, welcher es mir ermöglichte, mich zu erheben. Völlig schlaftrunken redete ich kein Wort mehr mit den beiden, da mich diese Müdigkeit nach diesem anstrengenden Tag voll und ganz erwischt hatte. "Wie kommt ihr nach Hause?", fragte ich die beiden, ohne meine Augen überhaupt offen halten zu können und klingelte währenddessen an der Tür.
Daraufhin erwiderte Arda, dass die mit der Bahn fahren würden. Nachdem sie darauf gewartet hatten, dass mir jemand die Tür öffnete, wechselten sie einige Worte mit meiner Mutter und erläuterten ihr daraufhin das Geschehnis. Diese ließ mich keine weitere Sekunde vor der Tür stehen, sondern brachte mich augenblicklich in mein Bett, nachdem ich mich mit einer flüchtigen Umarmung von meinen Lieblingen verabschiedet hatte und mittlerweile wieder zur Besinnung gekommen war.
Als ich seelenruhig im Bett lag und mich etwas mit meinem Smartphone beschäftigte, erhörte ich das Geräusch einer Türklinke, welche sich bewegte. Nachdem ich in die besagte Richtung blickte, nahm ich meine Mutter und meinen Bruder im Türrahmen wahr, welche langsam in die Nähe meines Bettes schritten. Ich legte mein Handy zur Seite und beobachtete diese zwei wunderschönen Menschen aufmerksam, während ich sie zugleich fraglich anblickte. Die beiden griffen sich jeweils einen Stuhl und setzten sich neben mein Bett, ohne einen einzigen Laut aus ihrem Mund ertönen zu lassen.
Nun strich mir meine Mutter liebevoll über die Haare.
"Geht es dir besser, mein Engel?", sprach sie voller Sorge, woraufhin ich nickte.
"Ich bin nur etwas neben der Spur, das war total anstrengend heute!"
"Das glaub' ich dir", lachte mein großer Bruder liebevoll auf und musterte mich währenddessen mit einem undefinierbaren Blick. "Gut, wir wollten nur mal nach dir schauen", erwiderte sie daraufhin harmonisch und drückte mir einen Kuss auf dir Stirn, was mein Bruder daraufhin ebenfalls tat. "Schlaf einfach, meine Prinzessin", flüsterte er mir noch leicht zu und schritt anschließend allmählich aus meinem Zimmer heraus. Bevor er die Tür schloss, erblickte ich noch ein letztes Mal seinen Kopf. Belustigt sah er mich nun an und zwinkerte mir zu, woraufhin mir ein Lächeln über die Lippen glitt. Als er mir plötzlich auch noch einen Luftkuss widmete und dabei einige überaus weibliche Bewegungen mit seinem Körper ausübte, konnte ich mich vor Lachen nicht mehr zurückhalten und prustete drauflos. Mein Beschützer stieg daraufhin mit ein und somit harmonierten unsere Gelächter eine gefühlte Ewigkeit miteinander, bis ich merkte, wie ich immer schwächer wurde und die Müdigkeit mich förmlich zu erdrücken vermochte. Ein Gähnen verließ meinen Mund, woraufhin Yasin folgendes erwiderte. "Okay, das reicht. Schlaf jetzt du Hexe!"
Es war zwar erst zur Mittagszeit, jedoch war ich mir sicher, dass ich die gesamte Nacht durchschlafen würde, was ich wie vermutet auch tat.

UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt