14. Kapitel

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Regenpfote wurde unsanft von Stimmen aus dem Schlaf gerissen. Direkt neben seinem Nest tuschelte jemand.

„Hier findet er uns sicherlich nicht!", miaute eine Stimme. Die andere erwiderte: „Wenn du nicht endlich leise bist, dann findet er uns sofort!"

Regenpfote erkannte die beiden Stimmen sofort. Sie gehörten zu Blumenjunges und Haseljunges, den Jungen von Flinkschweif. Seit ihrer Geburt war ein Viertelmond vergangen und sie erkundeten schon das Lager und kamen jedem unter die Pfoten, der zum Frischbeutehaufen wollte. Ihr Lieblingsspiel war Verstecken. Wahrscheinlich, so vermutete er zumindest, versteckten sie sich vor ihrem großen Bruder Amselfeder, der sich oft mit ihnen beschäftigte, um seiner Mutter eine Auszeit zu gönnen.

Regenpfote drehte sich um und erblickte tatsächlich die beiden Jungen. „Versteckt ihr euch schon wieder vor Amselfeder?", fragte er sie flüsternd. „Ja! Aber verrate uns bitte nicht!", quietschte Haseljunges so leise wie möglich. „Das mach ich schon nicht, aber ihr solltet ein bisschen leiser sein, denn die anderen wollen sicher noch schlafen!", ermahnte er die Schwestern sanft.

„Falls wir dich aufgeweckt haben, tut es uns leid. Wir werden ab sofort mucksmäuschenstill sein! Versprochen!", flüsterte Blumenjunges mit großen Augen. Sie war meist die vernünftigere und ruhigere der beiden Schwestern, das erkannte man sofort.

Von draußen erschallte ein Ruf: „Kommt raus, Blumenjunges und Haseljunges! Ich kann nicht mehr weiterspielen, da ich jetzt mit Löwenpfote in die Mooskuhle muss!"

Sofort schossen die beiden Jungen an Regenpfote vorbei und drängelten sich durch den Ausgang. Regenpfote hörte sie betteln: „Dürfen wir mitkommen?" „Oh, ja! Bitte, bitte!"
„Nein, das dürft ihr erst, wenn ihr sechs Monde alt seid. Außerdem habe ich doch gesagt, dass ihr euch nicht in fremden Bauen verstecken sollt, erst recht nicht, wenn Katzen darin schlafen!"

„Entschuldigung, Amselfeder, aber es gibt nicht so viele gute Verstecke auf der Lichtung. Aber wir werden uns in keinen Bauen mehr verstecken, in denen Katzen schlafen, versprochen!", versuchte Blumenjunges den Kater zu beschwichtigen.

„Ist in Ordnung, aber geht jetzt sofort zurück in die Kinderstube! Flinkschweif wird sich schon Sorgen machen!", miaute Amselfeder. „Ja, machen wir! Bis bald, Amselfeder!", verabschiedete sich Haseljunges, bevor sie eilig ihrer Schwester folgte.

„Löwenpfote! Kommst du?", rief Amselfeder in den Schülerbau. Regenpfote stupste seinen Freund mit der Pfote an, um ihn aufzuwecken. Denn wenn er nicht bald aufstand, würde er Ärger bekommen. Löwenpfote schien davon jedoch nichts zu merken und schlief weiter.

Wie kann man nur so einen tiefen Schlaf haben? Ich bin ja schon von Blumenjunges und Haseljunges Geflüster wach geworden, dachte sich Regenpfote fassungslos.

„Ich weiß, wie man ihn wach bekommt!", miaute eine müde Stimme mit einem gewaltigen Gähnen. „Wirklich, Abendpfote? Ich hätte gedacht, dass du auch noch schläfst?" Der Schüler trabte um Löwenpfotes Nest herum und blieb direkt vor dessen Kopf stehen. „Nein, leider nicht! Ich bin schon von den Jungen aufgeweckt worden, habe aber versucht, weiterzuschlafen. Hat nicht geklappt. Aber jetzt wieder zu Löwenpfote!"

Regenpfote beobachtete seinen Freund dabei, wie er seine Schwanzspitze über Löwenpfotes Kopf kreisen ließ und sie langsam in Richtung Nase bewegte. Da wusste er plötzlich, was Abendpfotes Taktik war. Er wollte Löwenpfote in der Nase kitzeln. Und tatsächlich rümpfte Löwenpfote seine Schnauze, als die ersten Härchen sie berührten.

Es dauerte nur ein paar Herzschläge und schon schoss Löwenpfote in die Höhe. „Wer war das?!", miaute er mehr erschrocken, als wütend. „Ich war das!", gab sich Abendpfote zu erkennen. „Aber doch nur, weil du sonst nie aufgewacht wärst! Amselfeder ruft dich schon und wenn du dich nicht beeilst, dann kommt er rein und zieht dir die Ohren lang!"

Und tatsächlich rief Amselfeder in diesem Moment von draußen herein: „Kommst du endlich, Löwenpfote? Wir wollten doch zur Mooskuhle gehen!"

„Mooskuhle?", fragte Löwenpfote verwirrt. „Das hat er wahrscheinlich gesagt, um Flinkschweifs Junge abzuwimmeln!", schnurrte Regenpfote belustigt. „Warum das denn? Ich versteh jetzt gar nichts mehr! Aber ist ja auch egal, denn ich muss jetzt los! Tschüss Freunde!", miaute Löwenpfote zum Abschied und schon war er weg.

„Weißt du eigentlich, wo Sturmpfote ist?", fragte Regenpfote, der erst jetzt bemerkt hatte, dass sein Bruder nicht in seinem Nest lag. „Nein, weiß ich nicht. Aber hat er nicht gestern gesagt, dass er heute für die Morgenpatrouille eingeteilt ist?", miaute Abendpfote nachdenklich. „Ja, das hat er. Du hast Recht!"

Regenpfote ging am Ältestenbau vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Er machte sich nämlich Sorgen um Zahnlos, da der alte Kater kaum mehr etwas fraß. Er verließ auch so gut wie nie den Ältestenbau und man sah deutlich seine Rippen unter dem struppigen Fell herausstechen.

Er hatte sich mit dem Gedanken beruhigen wollen, dass nun alle Katzen dünner waren, als in der Blattgrüne. Aber Zahnlos war seit einigen Sonnenaufgängen krank. Er hustete stark und schlief deshalb im Heilerbau. Regenpfote wollte nur nach Mauseschweif sehen und wissen, ob es ihr gut ging. Die Älteste konnte sich womöglich bei Zahnlos angesteckt haben.

Vor dem Ältestenbau blieb er stehen, da er Stimmen hörte.

Sie gehörten Mauseschweif und Langstreif, dem dritten Ältesten des Clans. Regenpfote wollte zwar nicht unhöflich sein und lauschen, doch er konnte die Stimmen auch hören, wenn er vor dem Eingang stand.

„Es hätte schon längst schneien müssen!", bemerkte Mauseschweif beunruhigt. „Es ist doch gut, dass es noch nicht geschneit hat, da können die Krieger mehr fangen", versuchte Langstreif sie zu beruhigen. „Aber wenn es noch kälter wird, ohne dass Schnee gefallen ist, dann frieren viele Pflanzen ab und die Tiere müssen Hunger leiden. Hungrige Beute stirbt schneller und wir haben in der Blattfrische nichts mehr zu essen!", miaute Mauseschweif mit aufgebrachter Stimme. Langstreif wollte ihr wiedersprechen, doch Mauseschweif ließ sich nicht unterbrechen. „Außerdem frieren nicht nur die Nahrungsquellen der Beute ein, sondern auch Weißdorns Kräuter! Ich weiß, dass Weißdorn nur mehr einen knappen Kräutervorrat hat und wenn eine Krankheit im Lager ausbricht, hat sie bestimmt nicht genug, um alle zu behandeln!"

Regenpfote musste sich abwenden, denn ihm kam ein schrecklicher Gedanke. Wenn Zahnlos den gefürchteten Grünen Husten hatte, dann würde sich dieser rasend schnell im Lager verbreiten und nur genug Katzenminze konnte ihn heilen, das wusste Regenpfote.

Oh nein, dachte er, das darf nicht geschehen!

Warrior Cats - Düstere SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt