20. Kapitel

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Regenpfote schloss die Augen und wappnete sich innerlich für den Angriff. Jeden Moment würden die Reißzähne des Hundes ihn packen.

Plötzlich hörte er ein lautes Jaulen, das das Bellen des Hundes übertönte. Zuerst glaubte er, es wäre sein Bruder, der von dem Untier angegriffen wurde, doch dann wurde ihm klar, dass es das Jaulen einer fremden Katze war, die angriff und nicht angegriffen wurde!

Überrascht öffnete er die Augen. Ein schwarz-weißer Blitz schoss an ihm vorbei und stürzte sich mit einem wilden Schrei auf den Hund. Dieser blieb überrumpelt stehen.

Der Zweibeiner stand noch immer in der Tür des Zweibeinernests und brüllte, doch er machte keine Anstalten näher zu kommen.

Der Hund hatte inzwischen seine Fassung wiedergewonnen und ging ebenfalls zum Angriff über. Die schwarz-weiße Katze zerkratzte ihm ordentlich die Schnauze, doch er schnappte immer wieder nach ihren Pfoten.

„Komm schon, Regenpfote! Wir müssen helfen!", rief Sturmpfote und schoss seinem Retter zu Hilfe. Regenpfote löste sich nun ebenfalls aus seiner Schockstarre und eilte ihm hinterher.

„Wir machen es genauso, wie wir es beim Training gemacht haben! Okay?", schrie Sturmpfote über seine Schulter hinweg.

Regenpfote nickte und stellte sich neben die fremde Katze. Sturmpfote nahm die andere Seite. Zu dritt schlugen sie auf den Kopf des Hundes ein. Regenpfote zielte auf das eine Ohr und Auge und Sturmpfote auf die andere Gesichtshälfte, während die fremde Katze die Schnauze bearbeitete.

Ihre Schläge waren perfekt aufeinander abgepasst und Schritt für Schritt drängten sie das Untier zurück.

Der Hund hatte bald genug Schläge abbekommen und drehte mit eingeklemmtem Schwanz um. Er lief winselnd zu seinem Zweibeiner zurück und dieser knallte hinter ihm die Tür zu.

„Na das war einmal knapp!", miaute die Katze. Endlich konnte Regenpfote sie genauer in Betracht ziehen. Es war ein stattlicher Kater mit schwarz-weißem Fell und breiten Schultern. Eine Narbe zog sich schräg über seinen Nasenrücken und eine seiner Krallen stand schief aus seiner Pfote heraus, obwohl alle anderen eingezogen waren.

„Geht es euch gut?", fragte er mit freundlicher Stimme. „Ja, ich denke schon", antwortete Sturmpfote. „Wer bist du?", wollte Regenpfote wissen.

„Mein Name ist Nero. Ich wohne ein paar Gärten weiter. Ihr hattet aber echt Glück, dass ich vorbeigekommen bin!", antwortete er ihnen bereitwillig. „Und wer seid ihr, wenn ich fragen darf?"

„Also erstens hätten wir das auch alleine geschafft! Und zweitens, ich bin Sturmpfote und das ist mein Bruder Regenpfote. Wir kommen aus dem Wald hinter dem Zweibeinerort."

„Schön euch kennenzulernen!" miaute Nero, der anscheinend Sturmpfotes Bemerkung überhört hatte.

„Ja, das finde ich auch. Und danke, dass du uns eben geholfen hast!", miaute Regenpfote. „Aber jetzt müssen wir wirklich gehen, denn wir werden wahrscheinlich schon gesucht!"

Sturmpfote drehte sich schon um, um zu der Katzenminze zu laufen. In ihrem Schreck hatten sie sie fallen gelassen.

Nero und Regenpfote folgten ihm. „Wisst ihr eigentlich, wie ihr wieder aus dem Zweibeinerort herausfindet?", fragte Nero. Er klang nicht unfreundlich, doch die Frage ließ Regenpfotes Fell sich trotzdem sträuben. „Natürlich wissen wir, wie wir wieder hinauskommen! Wir sind ja auch schließlich hierhergekommen!", brauste Sturmpfote auf.

„War ja nur eine Frage!", miaute Nero beschwichtigend. Der Kater sprang auf die Mauer, die sie zuvor überquert hatten.

Nachdem sie ihre Katzenminze wieder fest im Maul hatten, sprangen sie ebenfalls hinauf.

Regenpfote konnte von hier aus einen großen Teil des Zweibeinerorts überblicken, doch nirgendwo konnte er den Wald sehen. Wo sind wir bloß?, fragte er sich verzweifelt. Waren sie etwa so weit in den Zweibeinerort gelaufen, dass sie nun nie mehr nach Hause finden würden?

Alles sah so gleich aus. Überall ragten hohe Mauern auf. Nur das Grün der Zweibeinergärten durchschnitt das Grau, umgeben von braunen Zäunen aus Holz.

„Jetzt, wo die Sonne aufgeht, ist es gefährlich in einem Zweibeinerort, besonders dann, wenn man sich hier nicht auskennt", bemerkte Nero. „Ich könnte euch helfen", bot er ihnen an.

„Wir brauchen keine Hilfe! Wir wissen ganz genau, wo wir sind und wo wir lang müssen!", schnaubte Sturmpfote.

„Ist ja gut!", sagte Nero und winkte mit dem Schwanz, bevor er auf der Mauer entlang rannte.

„Warum warst du so unfreundlich zu ihm? Er wollte uns doch nur helfen!", herrschte Regenpfote seinen Bruder an. „Ach ja?", fragte ihn Sturmpfote. „Wir brauchen aber keine Hilfe von einem Hauskätzchen!"

Regenpfote schüttelte den Kopf. Es war hoffnungslos mit Sturmpfote zu diskutieren. „Du hättest trotzdem ein wenig freundlicher sein sollen!", bemerkte er noch, bevor er hinabsprang. Die Katzenminze wieder fest zwischen seinen Zähnen.

Sturmpfote folgte ihm und gemeinsam gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Nach einer Weile fragte Regenpfote verunsichert: „Kommt dir das hier irgendwie bekannt vor?" „Ehrlich gesagt, nein." Sturmpfote blieb stehen, legte die Katzenminze ab, um besser riechen zu können und prüfte die Luft.

Regenpfote machte es ihm nach und kam zu dem Entschluss, dass sie falsch abgebogen sein müssten, da nirgendwo ein vertrauter Geruch haftete. Weder von ihnen selbst, noch von etwas, an das sie sich erinnerten.

„Wir haben uns verlaufen!", stellte nun auch Sturmpfote fest. „Wärst du doch nicht so unfreundlich zu Nero gewesen! Er hätte uns bestimmt nach Hause geholfen!", schimpfte Regenpfote drauf los.

Sturmpfote ließ den Kopf hängen. Anscheinend sah er seinen Fehler ebenfalls ein. „Ich habe eine Idee!", rief er plötzlich aus. „Und was für eine?", fragte Regenpfote nicht gerade begeistert.

„Wir sind ja noch nicht weit von dem Garten entfernt, in dem wir die Katzenminze gefunden haben und Nero hat doch gesagt, dass er ein paar Gärten weiter wohnt. Wir könnten ja zurückgehen und ihn suchen!"

Regenpfote dachte angestrengt nach. Er wollte zwar dem Hund kein zweites Mal begegnen, doch das war wohl ihre einzige Chance. „In Ordnung", miaute Regenpfote, „Aber diesmal führe ich!"

„Wenn du unbedingt darauf bestehst!", murmelte
Sturmpfote, der sein Bündel wieder zwischen den Zähnen trug.

Regenpfote nahm seine Katzenminze ebenfalls auf und lief mit hochgerecktem Schwanz vor seinem Bruder her.

Schnell fanden sie den richtigen Weg und kurz darauf standen sie wieder vor der Mauer.

Warrior Cats - Düstere SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt