23. Kapitel

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Vor dem Lagereingang zögerte Sturmpfote. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät. Regenpfote stupste ihn von der Seite an und sah ihn aufmunternd an.

Sturmpfote fasste sich ein Herz und trat in den Dornentunnel. Auf der Lichtung herrschte Schweigen, bis die Patrouille, gefolgt von Sturmpfote und Regenpfote, aus dem Tunnel trat.

Sofort wurde aufgeregt getuschelt und gemurmelt. Sturmpfote konnte nicht verstehen, was sie sagten, doch an ihren Gesichtern konnte er eine Mischung aus Trauer und Freude sehen.

Hasenpelz war schon vorausgelaufen, um Weißdorn von der Katzenminze zu erzählen. Natürlich durfte er nicht in den Heilerbau, da große Ansteckungsgefahr herrschte, doch er rief von draußen ihren Namen und kurz darauf tauchte tatsächlich Weißdorns Kopf auf. Wolkenschauer rannte währenddessen zu Morgensterns Bau, um ihr ebenfalls alles zu berichten.

Sturmpfote beobachtete Weißdorn genau. Zuerst waren ihre Augen trüb vor Trauer, glaubte er zumindest, aber dann klarte sich ihr Blick auf und sie schaute mit einem Gemisch aus Freude und Überraschung zu den beiden Brüdern.

Sturmpfote und Regenpfote kamen nun näher, bis sie direkt vor ihr standen. Sie legten ihre Bündel vor ihr ab und warteten. „Wo habt ihr so viel gefunden?", wollte Weißdorn wissen. Sturmpfote wollte ihr gerade antworten, als Löwenpfote zu ihnen stürmte.

„Da seid ihr ja endlich!", rief er ihnen schon von weitem erleichtert zu. „Ich habe leider erst gemerkt, dass ihr verschwunden seid, als ich heute Morgen aufgewacht bin! Morgenstern hat sofort einen Suchtrupp losgeschickt, doch es gab keine Spur von euch!"

„Beruhige dich, Löwenpfote!", miaute Regenpfote sanft. „Jetzt sind wir ja da und es ist alles gut!"

Weißdorn schüttelte traurig den Kopf. „Nein, es ist nicht alles gut", miaute sie mit belegter Stimme. „Haseljunges ist doch nicht etwa gestorben?", platzte Sturmpfote heraus.

Als Hasenpelz den Kopf schüttelte, regte sich ein winziger Hoffnungsschimmer in Sturmpfotes Herzen. Wenn das Junge überlebt hatte, konnte doch nur alles gut sein, oder etwa nicht?

„Zahnlos ist gestorben", verkündete Weißdorn mit leiser Stimme. „Oh nein! Wenn Haseljunges überlebt hat, muss es auch Zahnlos!", versuchte Regenpfote zu protestieren.

Weißdorn strich mit ihrem weißen Schwanz über seine Flanke. „Er war schon sehr alt und schwach. Der Hunger hatte ihn zusätzlich geschwächt."

Sturmpfote machte sich riesige Vorwürfe, dass sie ihn nicht hatten retten können. „Wenn wir doch nur bloß schneller gewesen wären! Wir hätten ihn retten können!", seufzte er.

„Nein, Sturmpfote! Das wäre nicht mehr möglich gewesen. Er ist noch vor dem Morgengrauen gestorben. Im SternenClan muss er keinen Hunger mehr leiden. Dort oben gibt es auch keine Krankheiten und keine Kälte!", versuchte die Heilerin ihn zu trösten.

Hasenpelz bemerkte mitfühlend: „Ihr solltet euch jetzt ausruhen, in Ordnung? Geht in euren Bau und schlaft ein wenig. Zu Sonnenuntergang wird die Totenwache abgehalten, aber nun kümmert sich Weißdorn um die anderen Kranken!"

Mit hängenden Schwänzen schlichen Regenpfote und Sturmpfote gefolgt von Löwenpfote zum Schülerbau. Die beiden Brüder kuschelten sich erschöpft in ihre Nester.

Sturmpfotes Gedanken kreisten in seinem Kopf herum und hinderten ihn am Einschlafen. Zuerst dachte er an Nero, den Kater, der ihnen im Zweibeinerort geholfen hatte, dann flogen seine Gedanken zu Zahnlos, den sie nicht mehr retten konnten und zum Schluss, bevor er einschlief, dachte er an Haseljunges, die hoffentlich bald wieder gesund werden würde.

Am Tag nach Regenpfotes und Sturmpfotes Rückkehr und Zahnlos Tod, verlief das Clanleben fast wieder normal. Sturmpfote und Regenpfote mussten ihre Geschichte sicherlich hundertmal erzählen. Die meisten kranken Katzen durften schon wieder aus dem Heilerbau, da keine große Ansteckungsgefahr mehr bestand.

Langstreif, Blütenfell und Samtflügel waren die einzigen Katzen, die noch länger im Heilerbau bleiben mussten. Haseljunges würde in ein oder zwei Tagen in die Kinderstube umziehen dürfen und Abendpfote durfte wahrscheinlich auch bald zurück in den Schülerbau. Tigerschweif und Eichenfell hatten sich am schnellsten erholt und würden die nächste Nacht schon im Kriegerbau verbringen.

Nur Zahnlos wird nicht mehr in den Ältestenbau zurückkehren, stellte Sturmpfote mit Bedauern fest. Mauseschweif musste ihn bei Sonnenaufgang allein begraben. Natürlich hatten ihr bei den schwersten Arbeiten Glockenblume und Maulwurfkralle geholfen.

Sturmpfote und Regenpfote hatten für den halben Tag frei bekommen, doch nach Sonnenhoch würden sie eine Patrouille begleiten müssen. Entweder eine Jagd- oder Grenzpatrouille. Sturmpfote wusste nicht, was im Moment wichtiger war. Jagen, um den Clan zu ernähren, oder an den Grenzen patrouillieren, um den Clan vor feindlichen Angriffen zu schützen?

Sturmpfote fragte sich, wie es den anderen Clans ging. Sicherlich gab es auch dort kranke Katzen. Sie waren zwar verfeindetet, doch Sturmpfote wollte trotzdem nicht, dass unnötig viele Katzen starben. Es mussten immer vier Clans im Wald leben und wenn einer ausgelöscht wurde, würde die Ordnung zerbrechen.

Im ErdClan lebten zwar die gemeinsten und hinterhältigsten Katzen im ganzen Wald, doch selbst er durfte nicht ausgelöscht werden. Es sind aber nicht alle Katzen aus diesem Clan böse. Buntpfote ganz bestimmt nicht, dachte er.

Bei der nächsten Großen Versammlung werde ich sie wieder sehen. Leider dauerte es noch ein wenig mehr als einen Viertelmond, bis zur nächsten Versammlung.

Sturmpfote war so tief in Gedanken versunken, dass er erschreckt aufsprang, als er etwas auf seiner Nasenspitze spürte. Es war eiskalt gewesen, doch als er mit seiner Pfote auf seine Schnauze tippte, fühlte er nichts. Was war das?, fragte er sich erschrocken.

Da war es wieder! Ein kleines weißes Etwas landete auf seiner Schnauze. Es flogen immer mehr dieser kleinen, weißen Dinger vom Himmel. Sie landeten auf seinen Ohren, verfingen sich in seinem Pelz, doch kaum waren sie gelandet, waren sie verschwunden.

Seine Mutter Kirschblüte kam zu ihm getrottet und schnurrte, als er nach den winzigen Flocken schlug. Wie ein kleines Junges, das das erste Mal im Regen steht, doch das war ganz gewiss kein Regen!

„Was ist das, Kirschblüte?", fragte er, während er einer Flocke staunend hinterher schaute, die langsam zu Boden glitt. „Das ist Schnee, mein Lieber!", antwortete sie. „Bald wird alles Weiß sein, der ganze Boden, alle Baue und Bäume um das Lager herum. Jede Pflanze wird von einer dicken Schicht von Schnee geschützt werden!"

„Aber wie soll das gehen? Sobald es den Boden berührt, verschwindet es doch!", fragte Sturmpfote überrascht. Kirschblüte sagte: „Die Flocken verschwinden nicht einfach, sondern sie schmelzen! Aber es wird bald so viel schneien, das die Flocken nicht mehr schmelzen können. Du wirst schon sehen, wie dann alles glänzt und funkelt!"

In dem Moment stürmte Blumenjunges aus der Kinderstube hinaus und Flinkschweif folgte ihr gemächlicher. Blumenjunges quiekte überrascht, als auch auf ihrer Schnauze eine Schneeflocke landete.

Warrior Cats - Düstere SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt