5. Kapitel

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Sturmpfote hielt seine Nase in den Wind. Er konnte nicht viel riechen, da auf den glatten Felsen keine Spuren zu finden waren. Bis jetzt hatte er noch kein Glück gehabt und nicht einmal den Schwanz einer Maus gesehen. Er war zwar wieder munter, nach dem Lauf durch den Wald, doch das half nichts, wenn er keine Beute wittern konnte.

Mondstrahl kam zu ihm und fragte hoffnungsvoll: „Hast du etwas gerochen?" „Leider nein!", antwortete ihr Sturmpfote betrübt: „Alle Beute hat sich anscheinend in ihre Nester verkrochen!"

„Kein Wunder bei diesem Wetter!", miaute Entenfeder ärgerlich. „Ich hab dich gar nicht kommen gehört!", erschreckte sich Mondstrahl, als der braune Kater hinter ihr brummte. „Auch kein Wunder! Der Wind bläst alle Gerüche und Geräusche weg!"

Entenfeder hatte Recht. Der Wind wurde immer stärker, bis er einem kleinen Sturm glich. Nun hatte auch noch Nieselregen eingesetzt und es würde nicht mehr lange dauern, bis das Gewitter sie erreicht hatte.

„Lasst uns zurück ins Lager gehen und auf dem Weg noch einmal unser Glück versuchen! Einverstanden?", schlug Mondstrahl vor. Entenfeder nickte mürrisch und Sturmpfote war auch einverstanden. „Wir müssen nur noch Samtflügel finden! Weißt du, wo sie ist?", fragte sie Entenfeder, der mit Samtflügel unter den Bäumen gejagt hatte. „Sie müsste eigentlich dort drüben sein." Entenfeder deutete mit seiner Schwanzspitze die Richtung an. „Ah! Da kommt sie ja schon!", bemerkte dieser.

Mondstrahl, Entenfeder und Sturmpfote liefen auf die Kriegerin zu und bestaunten ihren Fang. Samtflügel trug eine fette Amsel zwischen den Zähnen. Ihre Augen leuchteten vor Stolz.

„Wo hast du die gefunden?" wollte Mondstrahl wissen. „Sie pickte dort hinten im Laub und suchte anscheinend nach Futter!", beantwortete Samtflügel ihre Frage, nachdem sie die Amsel auf den Boden gelegt hatte. „Dann kehren wir doch nicht mit leeren Pfoten ins Lager zurück!", meinte Sturmpfote mit glänzenden Augen.

„Vielleicht finden wir ja doch noch etwas!", miaute Mondstrahl optimistisch. „Ja, vielleicht, obwohl ich glaube, dass diese Amsel ein reiner Glücksfang war!", brummelte Entenfeder, als sich die Patrouille in Richtung Lager aufmachte.

Sturmpfote trat hinter der Jagdpatrouille ins Lager. Er war sehr enttäuscht, da sie so wenig gefangen hatten. Nach Samtflügels Amsel hatte Mondstrahl eine Spitzmaus gefangen und Entenfeder hatte eine Wühlmaus erbeutet. Sturmpfote selbst hatte leider nichts gefangen. Er erinnerte sich noch genau an seinen misslungenen Fang.

Er hatte sich an eine Drossel angeschlichen und hätte sie sogar beinahe gefangen, doch dann war er auf einen knackenden Ast getreten und die Drossel war weggeflogen. Warum bin ich nur auf diesen blöden Ast getreten?! Ich hätte sie fangen müssen!

„Hallo Sturmpfote!", rief ihm sein Bruder von der anderen Seite der Lichtung zu. „Komm her und iss mit mir!"

Obwohl er eigentlich keinen Hunger hatte, kam er doch zu seinem Bruder. „Habt ihr etwas gefangen?", erkundigte sich Regenpfote. „Ja, eine Amsel, eine Spitz- und eine Wühlmaus. Ich habe meine Drossel leider verpasst!", teilte ihm Sturmpfote mit gesenktem Kopf mit.

Regenpfote leckte ihm tröstend die Ohren und versicherte ihm zuversichtlich: „Das nächste Mal wirst du sie sicherlich erwischen! Das weiß ich, Bruderherz!"

„Danke, Regenpfote! Das werde ich bestimmt!", miaute Sturmpfote ermutigt.

Gemeinsam verspeisten sie den Sperling, doch viel war nicht an ihm dran. Die beiden Brüder wollten gerade im Schülerbau verschwinden, um sich vor dem Regen zu schützen, der nun immer stärker wurde, als sie ein Jaulen vom Großfelsen hörten.

„Warum hält Morgenstern bei diesem Regen eine Versammlung ab?", fragte Regenpfote. „Ich habe keine Ahnung!", erwiderte Sturmpfote.

„Ich komme diesmal gleich zur Sache!", rief Morgenstern über die Lichtung. „Wenn die Wolken nicht verschwinden und der Regen nicht aufhört, werden wir nicht zur Großen Versammlung gehen!"

Alle Katzen murmelten beunruhigt und blickten nach oben. Alles war dunkelgrau, nur ab und an blitzte ein Stück blauer Himmel zwischen den dichten Wolken auf.

„Bis Mondhoch ist doch noch Zeit! Die Wolken werden sich bis dahin sicherlich verzogen haben!", meinte Langstreif zuversichtlich. „Die Große Versammlung darf nicht ausfallen! Der SternenClan wird die Wolken vertreiben!", versicherte Sturmwind.

„Das hoffen wir, doch wenn es nicht aufhört, werden die Trittsteine im See versinken und wir haben keine Möglichkeit zum Baumgeviert zu kommen! Außer wir schwimmen!", erläuterte Morgenstern die Lage genauer. „Es wäre durchaus zu schaffen, da er nicht viel breiter als der Fluss ist und keine allzu starke Strömung hat, aber ich kann es den Ältesten und den Schülern nicht zumuten zu schwimmen." Morgenstern blickte auf Mauseschweif und Zahnlos hinab. Die beiden Ältesten hatten bis jetzt noch keine Versammlung verpasst, doch sie waren zu alt und schwach, um schwimmen zu können.

„Was ist mit der Zweibeinerbrücke? Wir könnten über sie auf das andere Ufer gelangen und dann am Rand des BaumClan-Territoriums entlang bis zum Baumgeviert gehen!", schlug Eichenfell vor. „Das wäre an sich keine schlechte Idee, doch dazu müssten wir den BaumClan um Erlaubnis bitten! Der Fluss bildet die Grenze zwischen unseren Territorien, deshalb würden wir uns auf ihr Gebiet begeben. Selbst auf dem Weg zu einer Großen Versammlung dürfen wir fremdes Territorium nicht durchqueren!", erinnerte Morgenstern den rotbraunen Kater. „Wir werden eine Entscheidung treffen, sobald der Mond aufgegangen ist! Wenn es bis dahin aufgehört hat zu regnen und die Patrouille, die ich zum See schicken werde, berichtet, dass die Trittsteine passierbar sind, werden wir an der Großen Versammlung teilnehmen. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, müssen wir durch das BaumClan-Territorium!", verkündete die Anführerin, bevor sie vom Großfelsen sprang und in ihrem Bau verschwand. Ihr Stellvertreter Wolkenschauer und die Heilerin Weißdorn folgten ihr durch den Efeuvorhang.

Sobald die drei Katzen verschwunden waren, brach ein nervöses Getuschel und Gemurmel unter den Katzen aus. Hier und da schnappte Sturmpfote einzelne Wortfetzen auf.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Clan auf der Großen Versammlung gefehlt hätte!", hörte er jemanden hinter sich murmeln. Jemand anderer sagte: „Wir müssen zum Baumgeviert! Es ist mir egal, ob wir dafür durch das Territorium des BaumClans müssen!" „Finkenstern ist ein guter Anführer! Er wird uns auf unserem Weg bestimmt nicht aufhalten!", beruhigte Langstreif Blütenfell, die nervös auf und ab ging.

„He, Sturmpfote! Hast du mir nicht zugehört?", fragte ihn Regenpfote mit einem ärgerlichen Zucken der Schnurrhaare. „Nein. Tut mir leid! Was hast du gesagt?", erkundigte sich Sturmpfote verlegen. Er hatte so angestrengt auf das Gemurmel um sich herum gelauscht, dass er Regenpfotes Stimme direkt neben sich überhört hatte.

„Ich habe gesagt, dass wir uns in den Bau verziehen sollten, dort können wir uns erst einmal trocknen und abwarten!", miaute sein Bruder, während er sich schon Richtung Schülerbau umdrehte. „Ja, in Ordnung!"

Warrior Cats - Düstere SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt