Schnell und so leise wie nur überhaupt möglich, husche ich durch das Schloss meines Vaters. Ich treffe mich heimlich mit Slavo, um zu trainieren, denn Morgen ist es so weit. Morgen werde ich endlich erfahren, ob sich mein jahrelanges und hartes Training gelohnt hat.
Mädchen sind schwach. Mädchen können nicht mit Jungs mithalten. Mädchen gehören nach Hause, wo sie sich um den Nachwuchs kümmern können, erinnere ich mich an die niederschmetternden Worte meines Vaters, bei der Frage, ob ich mit meinem Bruder trainieren dürfte. Mein ganzes Leben schon begleiten mich diese Worte, spuken in meinem Kopf herum, und versuchen mich zu verspotten. Ich soll eine Prinzessin wie meine Schwester werden. – Still, wohlerzogen und hörig. – Mir wird wie jedes Mal übel, wenn ich daran denke, mich von einem Mann unterdrücken zu lassen. Morgen bei der Zeremonie, sage ich mir, seitdem ich beschlossen habe dort teilzunehmen. Ich werde es allen beweisen, dass ich... Nein das jede Frau genauso stark sein kann, wie ein Mann. Wenn nicht sogar stärker, wenn ich Slavos Worten Glauben schenken darf.
Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich ohne vorher nachzusehen, um eine Ecke biege, und gegen etwas großes und pelziges laufe. Ich taumle von dem Aufprall zurück und kann dank meines täglichen Trainings gerade noch mein Gleichgewicht halten. Im nächsten Moment sehe ich in große dunkelblau-braune Augen. Ein leises bedrohliches Knurren ertönt, und ein riesiger Tiger steht vor mir. Er überragt mich um einen ganzen Kopf, und ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, als er langsam auf mich zu kommt.
Toranus, das Seelentier meines Vaters. In seinen leuchtenden Augen spiegelt sich derselbe drohende Blick, den mir mein Vater immer zuwirft, wenn ich nicht nach seinen Regeln spiele. Ich sehe den Tiger vor mir flehend an, in der Hoffnung er würde, wie so oft in denen er mich bereits erwischt hat, Stillschweigen. „Bitte!", flüstere ich ihm zu, und ziehe eine Schnute um meinen flehenden Blick noch zu unterstreichen. Er sieht mich mit schräg gelegtem Kopf an, betrachtet mich kurz von oben bis unten, bevor er kaum merklich nickt und zur Seite geht. „Danke, Toranus.", ich lächle ihn dankbar an, und husche an ihm vorbei, um in den Garten zu gelangen.
Ich bewundere kurz den prachtvollen königlichen Garten, in dem tausende von Glühwürmchen herumschwirren, atme tief die frische Luft ein und sehe mich dann prüfend um. Als ich niemanden weder sehen noch hören kann, laufe ich weiter zu dem angrenzenden Wald.
Mein Lehrer sitzt wie gewohnt auf einem großen Stein der über die Jahre hinweg unser Treffpunkt wurde. Neben ihm liegt dösend sein Seelentier Laron, ein großer und wunderschöner Löwe mit denselben blau-braunen Augen, die auch Slavo hat. Der große schmale Mann hebt die Hand um mich zu begrüßen. „Na Kleine, bereit für Morgen?", begrüßt er mich und schenkt mir ein warmes Lächeln. Schon oft habe ich mir gewünscht mein Vater wäre ein bisschen so wie er. Verständnisvoll, Nett und Warmherzig. „Ja, ich denke das bin schon.", sage ich, während ich nervös meine Hände knete. Schon den ganzen Tag schwanke ich zwischen Vorfreude und Angst hin und her. Er steht auf und seine vom Alter grau gewordenen Haarsträhnen, die seine braunen kurzen Locken besprenkeln leuchten im hellen Mondlicht. „Glaub an dich und deine Stärken, dann wirst du es sicher schaffen. Schließlich bist du meine bisher beste Schülerin.", sagt er sanft und wirft mir ein hölzernes Übungsschwert zu.
Ich fange es mit einer Hand auf, drehe mich einmal um mich selbst, und halte es ihm an den Hals. Ich bin so schnell, dass ihm nicht die Chance bleibt zu parieren oder auszuweichen. Ein stolzes Grinsen schleicht sich auf seine schmalen Lippen. „Eines Tages wirst du mich zweifellos übertrumpfen." Ich lächle ihn an und lasse mein Schwert sinken, um mich bei ihm für diese Worte zu bedanken. Doch er entwaffnet mich mit einem einzigen Schlag auf den Griff meines Schwertes. Seine kräftige Hand greift blitzschnell nach mir, um mich festzuhalten, ich kann gerade noch so ausweichen, indem ich mich ducke, sofort packe ich seinen noch immer ausgestreckten Arm. Ich lege ihn über meine Schulter, und richte mich mit dem Rücken zu ihm gewandt auf, meine ganze Kraft lege ich jetzt in diese Bewegung und beuge mich nach vorne. Slavo fliegt im hohen Bogen über mich hinweg, und landet unsanft auf den Moosbewachsenen Waldboden. Ich stehe triumphierend über ihm, noch immer halte ich einen Arm in den Händen. Mit vor Überraschung aufgerissenen Augen sieht er mich jetzt an.
Ich lasse seinen Arm los, und sehe zu Laron, denn dieser hebt brummend seinen mächtigen Kopf. Seine Augen taxieren uns belustigt, ehe er seinen Kopf wieder sinken lässt, aber er lässt uns dabei nicht aus den Augen. Ich möchte mich wieder meinem Lehrer zuwenden, der vor mir auf dem Boden liegt, doch er ist nicht mehr da. Ich richte mich auf gehe instinktiv in Kampfstellung, doch Slavo ist nirgendwo zu sehen. Ich drehe mich mit angespannten Muskeln, und erhobenem Schwert um mich selbst. Dabei achte ich auf jedes Geräusch, jeden Schatten der im Wald umher huscht. Alles ist still, außer das leise Knacken von Ästen von meinen eigenen Schritten, und das entspannte Atmen von Laron. Das leise Geräusch von Ästen unter meinen Füßen wird unterbrochen von anderen Schritten. Abrupt bleibe ich stehen, um die Richtung auszumachen. Hinter mir. Blitzschnell drehe ich mich um, und parieren den Schwerthieb meines Lehrers mit Leichtigkeit.
Eine ganze Weile kämpfen wir so weiter. Bis wir beide schwitzend, und schwer atmend nebeneinander auf dem Boden sitzen, um eine Pause einzulegen. „Freya ehrlich...", er schüttelt grinsend den Kopf, „du überraschst mich immer wieder. Mittlerweile muss ich mich sogar anstrengen, um dich zu besiegen", lobt er mich anerkennend und reicht mir seine mit Wasser gefüllte Feldflasche. Ich nehme einen großen Schluck davon, und genieße es, wie mir das kühle Wasser die Kehle hinunterläuft.
Meine Gedanken beginnen erneut sich um die morgige Zeremonie zu drehen, tausende Szenarien spielen sich in meinem Kopf ab, egal ob gute oder schlechte. Immer wieder kommen mir Zweifel, ob ich nicht doch lieber schon vorher Aufgeben soll, schließlich hat es vor mir noch nie eine Frau versucht. Besitze ich überhaupt die Macht eine Seelenwaffe, oder ein Seelentier zu bekommen. Wenn ja, welche Waffe werde ich bekommen? Welches Tier ist mein Seelentier? Oder noch viel wichtiger... wird mich jemand erkennen und als Frau enttarnen, bevor ich mich beweisen konnte? Schließlich nimmt mein Zwillingsbruder an der Zeremonie auch teil, und er wird mich mit Sicherheit sofort erkennen wenn er mich sieht.
Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen und ziehe meine Knie näher an mich heran. Ich möchte es so sehr. Möchte beweisen, dass Frauen ebenso kämpfen können, wie Männer. Ich zucke erschrocken zusammen, als sich eine warme große Hand auf meinen Rücken legt und sanft auf und ab streicht. „Was ist los Kleines?" fragt Slavo ruhig, doch ich kann ihm das jetzt nicht sagen, deshalb schüttle ich bloß mit dem Kopf und unterdrücke die aufsteigenden Tränen. Warum bin ich jetzt kurz davor, zu heulen? „Was wird mein Vater machen, wenn er erkennt, dass ich es bin?" stoße ich gepresst hervor, um das Zittern, das mich vor Angst durchströmt zu unterdrücken. Mein Vater ist der König des Reiches, und nachdem ich gesehen habe wie er und sein Seelentier Toranus mit Verbrechern verfahren. Eine Verbrecherin werde ich nach morgen Abend für ihn sein. Vorausgesetzt ich überlebe es. „Er wird dich nicht bemerken. Seine Augen werden auf seinen Sohn und Erben gerichtet sein", versucht er mich zu beruhigen. – Leider ohne Erfolg. – Aber ich spreche es nicht aus, denn noch nicht mal er würde es nicht verstehen. Er ist es ja auch nicht, der gegen ein Gesetz verstößt. Ich schon. Ich sehe ihn an, meinen Ersatzvater, und umarme ihn, um ihm dann ein „Danke" ins Ohr zu flüstern.
Das ist das erste Kapitel was haltet ihr davon? Ich werde jede Woche ein oder zwei neue Kapitel hinzufügen.
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Seelenkriegerin
FantasyFreya ist die Prinzessin des Reiches, doch sie will Kriegerin sein, so wie es ihr Zwillingsbruder (Trybon) nach den Prüfungen sein wird. Doch ihr Vater der König hat andere Pläne, sie soll Ikarus, den besten Freund und stärksten Kämpfer in seinem Al...