Statt nach oben auf mein Zimmer zu gehen, husche ich in die gegengesetzte Richtung. Denn ich werde mich mit Byrion in unserem Versteck bei den Stallungen treffen. Byrion ist mein bester Freund, er und Slavo sind die beiden einzigen Personen, die alle meine Geheimnisse kennen und mich seit ich denken kann unterstützen.
Er und seine Familie kümmern sich um die Pferde des königlichen Hofs meines Vaters. Genau aus diesem Grund ist unsere Freundschaft genauso geheim wie mein Wunsch, die erste Kriegerin unseres Reiches zu werden. Mein Vater würde keines vom beiden gutheißen.
Als ein alter und heruntergekommener Geräteschuppen vor mir auftaucht, wird mir sofort warm ums Herz. All die Erinnerungen, die diese Hütte in mir auslöst, sind unvergesslich und unbezahlbar für mich. Es ist ein Ort nur für mich und meinen besten Freund. Hier muss ich mich nicht verstellen, denn ich bin einfach nur ich. Ein vertraut muffiger Geruch schlägt mir ins Gesicht, als ich die alte Holztür der Hütte öffne. Ich betrete einen kleinen Raum, der nur spärlich durch die zwei kleinen vom Staub grau gewordenen Fenster beleuchtet ist.
„Seid gegrüßt Prinzessin des Ungehorsams." Ertönt eine tiefe Stimme aus der hinteren Ecke der Hütte, ehe eine weißblonde, fast zwei Meter große und breitschultrige Gestalt aus dem Schatten kommt. Ich muss grinsen, natürlich wurde schon über die Vorkommnisse beim Frühstück gesprochen.
„Woher weißt du das?", möchte ich trotzdem von Byrion wissen.
Er bleibt direkt vor mir stehen und ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um ihn in seine dunkelbraunen Teddyaugen sehen zu können. Sein scharf geschnittenes Gesicht mit den dunklen Augen, zusammen mit seiner großen und breiten Körperstatur lassen ihn gefährlich und bedrohlich aussehen. Aber noch nie ist mir jemand begegnet, der mitfühlender oder sanfter ist als mein bester Freund.
„Sowas spricht sich schnell rum. Besonders unter Bediensteten." Er wirft mir einen vielsagenden Blick zu und grinst. „Aber sei froh über das Gerede der anderen, denn wer denkst du denn hätte sonst Slavo zu euch geschickt?" Es war also kein Zufall, dass mein Lehrer plötzlich auftaucht, um mich vor meinen Vater zu beschützen.
„Danke! Slavo ist genau im richtigen Moment gekommen, denn er wollte mich schlagen, ... Ich hätte ausweichen können, aber dann hätte er bemerkt, dass ich zu schnell reagiere. Dann wäre ich aufgeflogen, und mein Plan wäre dahin..." In seinen dunklen Augen blitzt es kurz wütend auf, als ich erwähne, dass mein Vater mich schlagen wollte.
Er lächelt mir mitleidig zu, bevor er sich umdreht, und ein weißes Bündel aufhebt. Freude breitet sich in mir aus, denn ich weiß genau was sich darin befindet.
„Hier die Klamotten für heute Abend. Sie sollten dir passen, denn sie sind von meinem kleinen Bruder." Ich nehme das Bündel dankbar entgegen, und sehe dabei in seine Augen. Die mit einen Mal von einer tiefen Traurigkeit ganz glasig werden. Ich lege die Klamotten neben mich auf den staubbedeckten Boden, um ihn in den Arm zu nehmen. Sofort schlingt er auch seine starken Arme um mich. „Du wirst nicht so enden, wie Riton vertraue auf deine Stärke, sowohl deine äußere als auch deine innere. Wir werden es heute beide überleben.", flüstere ich meinen besten Freund ins Ohr. Ich kann seine Zweifel verstehen, sein großer Bruder Riton ist vor vier Jahren während der Zeremonie ums Leben gekommen. Seine Seele war nicht stark genug, als er in den Seelensee gestiegen ist, und so wurde er vom See verschlungen.
Byrion löst sich aus unserer Umarmung, und seine Augen schimmern feucht. Er greift in seine Jackentasche und holt einen alten Messingschlüssel heraus und reicht ihn mir. „Damit du heute Abend hier reinkommen kannst, um dich um zu ziehen." Ich sehe ihn stirnrunzelnd an, wieso sollte ich mich denn hier umziehen? Gespielt genervt atmet er aus und fährt sich mit seiner riesigen Hand durch das blonde Haar. „Denkst du etwa, du könntest verkleidet als ein Mann unbemerkt durchs Schloss spazieren?" Oh man stimmt ja, daran hatte ich gar nicht gedacht. Er beginnt zu kichern, ein warmes und mitreisendes
Kichern, in das ich sofort mit einsteigen muss. Es ist wirklich schön jemanden zu haben mit dem man egal zu welcher Zeit immer Lachen kann. Wir verabschieden uns, denn ich sollte schnellstens in mein Zimmer bevor noch jemand merkt, dass ich nicht mehr da bin.Ich schleiche gerade durchs Schloss, um unbemerkt in mein Zimmer zu gelangen, wobei der Messingschlüssel eiskalt und schwer in meinem Schuh liegt. Er ist wie eine ständige Erinnerung daran, was mir heute alles noch bevorsteht.
Ich laufe gerade auf Zehenspitzen die Treppen hoch, als ich vor Schreck beinahe das Gleichgewicht verliere. Gerade noch so kann ich mich am vergoldeten Geländer festhalten.
Meine Mutter steht hocherhobenen Hauptes oben auf der letzten Stufe der Marmortreppe. Ihr Blick ist streng und eiskalt, während sie mich prüfend mustert. Verdammt! Was mache ich denn jetzt? Wie soll ich ihr nur erklären, dass ich bis jetzt im Schloss herumgeistert bin, während ich eigentlich in meinem Zimmer seien sollte? Mit einer Stummen Kopfbewegung deutet sie mir an, ihr in mein Zimmer zu folgen.
Dort angekommen verschließt sie die Tür hinter sich, und sieht mich eindringlich an. „Was fällt dir ein so mit deinem Vater zu sprechen? Weißt du denn nicht, was er dir hätte antun können, wenn Slavo nicht im richtigen Moment dazwischen gegangen wäre?" In ihrer Stimme liegt keine Strenge oder Verärgerung, sondern nur Besorgnis. Sorge um mich. „Mach dir bitte keine Sorgen. Es ist ja nichts passiert." Und wenn er es versucht hätte wäre nicht ich diejenige gewesen, die diese Konfrontation bereut hätte, füge ich noch stumm hinzu, und bemühe mich nicht bei diesem Gedanken zu schmunzeln.
Meiner Mutter steigen Tränen in ihre blassblauen Augen, dann kommt sie mit schnellen Schritten auf mich zu. Einen halben Schritt vor mir bleibt sie stehen und zieht mich in eine erdrückende Umarmung. Ich schließe genießerisch die Augen als mir der vertraute Rosenduft ihres Parfums in die Nase steigt. „Und ich bin heilfroh, dass dir nichts passiert ist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustoßen würde!", flüstert sie mir mit erstickter Stimme ins Ohr. Ich löse mich aus ihrer Umarmung und sehe ihr tief in ihre vom Weinen geröteten Augen.
„Mir wird auch nichts passieren. Ich bin stärker, als du denkst." Und wie stark ich tatsächlich bin werden wir heute Abend sehen. Meine Mutter wischt sich ihre Tränen mit dem Handrücken von ihren hohen Wangenknochen ab, und lächelt mich an. „Ich weiß, meine Süße. Aber bitte versprich mir, egal was du geplant hast, pass auf dich auf!" Verdutzt sehe ich sie an, doch sie lächelt nur noch breiter und geht aus meinem Zimmer.
Doch bevor sie die Türeschließt, dreht sie sich nochmal zu mir um. „Viel Glück für heute Abend, meineSüße!" Mit diesen Worten schließt siedie Tür und lässt mich fassungslos, unfähig mich auch nur einen Millimeter zubewegen, mitten im Zimmer stehen. Wie konnte sie es nur erfahren?
Kommentiert gerne wie ihr es bisher findet.
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Seelenkriegerin
FantasyFreya ist die Prinzessin des Reiches, doch sie will Kriegerin sein, so wie es ihr Zwillingsbruder (Trybon) nach den Prüfungen sein wird. Doch ihr Vater der König hat andere Pläne, sie soll Ikarus, den besten Freund und stärksten Kämpfer in seinem Al...