Streit

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Nach diesem grotesken Frühstück mit meinen Eltern und Ikarus, sollen Trybon und ich noch am Tisch sitzen bleiben. Während der beste Freund meines Bruders zu meinem Glück nach Hause geschickt wird. Aber natürlich wirft er mir noch ein schiefes Lächeln zu. Wie soll es auch anders sein!

„Trybon!" Mein Vater wendet sich meinem Bruder zu, der bei seinem scharfen Ton, begleitet von dem leisen Knurren seines Tigers, zusammenzuckt. „Ich erwarte, dass du heute glänzt! Und wage es nicht mich zu enttäuschen!" Der sonst so fröhliche und eingebildete Prinz neben mir wirkt mit einem Mal schwach und unsicher, unter dem brennenden Blick unseres Vaters. Trybon holt zitternd Atem. „Ich... ich werde euch nicht enttäuschen Vater." Antwortet er stotternd. Wieso hat er nur so große Angst vor ihm? Was ist nur los mit ihm? So ängstlich habe ich meinen Bruder noch nie erlebt. Kann es sein, dass er sich vor der Zeremonie fürchtet? Angst bringt ihm nichts, er muss selbstbewusst in diese Prüfung gehen. Ich sehe ihn an, und auch wenn wir uns noch nie wirklich gut verstanden hatten, kann und will ich ihn heute Abend nicht so gehen lassen. Nicht mit der Angst die ich in seine dunkelblauen Augen sehe.

Entschlossen sehe ich zu meinem wütenden Vater, er soll sich nun an mir austoben, denn mir macht das nichts aus, anders bin ich es ja auch nicht gewöhnt. „Ich denke..." Weiter komme ich nicht, denn mein Vater richtet seine kühlen blau-braunen Augen auf mich. Sein Blick bohrt sich in mein Innerstes, und es kostet mich viel Überwindung diesem standzuhalten. „Freya, es interessiert niemanden was du denkst! Meinst du etwa ich hätte deinen Widerwillen und deine Abscheu nicht bemerkt mit dem du Ikarus begegnet bist?" Gut! Er hat es bemerkt, dass ich mich nicht ohne Widerwillen Zwangsverheiraten lasse. Ich merke wie sich ein kleines Grinsen auf meinen Mund schleicht, schnell hole ich tief Atem, denn meine nächsten Wörter müssen sitzen. „Ich bin froh, dass Ihr es bemerkt habt Vater, dann sind meine nächsten Worte nicht allzu überraschend für Euch. Denn ich werde nämlich niemals einer Zwangsheirat zustimmen, meinen Zukünftigen Mann werde ich selbst wählen", sage ich ruhig und bestimmt. Die Augen meiner Mutter sind bei meinen Worten groß geworden, und sie schüttelt kaum merklich den Kopf. Ich soll also ihrer Meinung nach aufhören zu widersprechen, und mich dem König fügen. Dabei weiß sie nicht, dass genau das mein Ansporn ist erst richtig loszulegen.

Ich habe meinem Vater, dem König und dem Herrscher des Landes widersprochen, das wird er nicht einfach so hinnehmen. „Du wagst es dich meinem Willen zu widersetzen?" Seine Stimme wird bei jedem Wort lauter und schärfer, genauso wie sein Gesicht immer röter wird. Toranus ist aufgestanden, und hat sich neben meinen Vater gestellt. Sollte mich diese Geste etwa einschüchtern? Ich drücke meinen Rücken durch, um so groß wie nur überhaupt möglich zu wirken. „Ja Vater, ich wage es! Ich werde niemanden heiraten, den ich nicht mit jeder Faser meines Herzens liebe!" Meine Stimme ist noch immer gefasst und ruhig, während mein Innerstes vor Angst tobt. Alle im Speisesaal sind ruhig geworden, und scheinen sogar den Atem anzuhalten. Meine Familie und alle umstehenden Bediensteten mustern mich mit einer Mischung aus Überraschung und Empörung.

Die Nasenflügel meines Vaters beginnen vor Zorn zu beben. Sein Wut verzerrtes Gesicht hat mittlerweile eine tiefrote Farbe angenommen. „Du wirst das tun, was ich dir sage! Was du willst, oder nicht willst spielt hierbei keine Rolle! Ich bin der König!" Bei dem Ton seiner Stimme läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter, doch ich bewahre Haltung, und sehe ihm weiterhin direkt in die Augen.

Meine Mutter und mein Bruder verfolgen unsere Diskussion schweigend, in ihren Gesichtern spiegelt ist ihre Angst unverkennbar wiederzuerkennen. Angst vor dem wütenden König am Tischende, und dessen Seelentier das groß und kräftig neben ihm steht und knurrt.

Ich will gerade aufstehen aus Angst meine Knie würden später am Ende unseres Gesprächs zu sehr zittern. Doch Trybon packt mein Handgelenk und sieht mich flehend, an während er den Kopf schüttelt. Ich nicke ihm knapp zu und lächle zum Zeichen, dass ich genau weiß, was ich hier mache. Er scheint davon nicht überzeugt zu sein, dennoch lässt er mein Handgelenk los. Ich bleibe trotzdem sitzen, denn wer weiß wie mein Vater darauf reagieren würde. Dann wende mich mit pochendem Herzen wieder meinem Vater zu. „Und ob es eine Rolle spielt! Denn es ist mein Leben, nicht das deine. Und ich treffe die Entscheidungen, die mein Leben betreffen, nicht du!" Diese Worte wollte ich ihm schon so lange ins Gesicht sagen, doch bisher hatte ich nie den Mut dazu. Aber heute... Heute ist es an der Zeit alles zu verändern. Ich lasse die Maskerade der wohlerzogenen Prinzessin fallen, und mein wahres ich wird sich erheben. Meine Zukunft wird heute neu geschrieben, und das von mir ganz alleine. Ich merke wie ich bei diesem Gedanken anfange zu grinsen. Meinem Vater scheint das nicht zu gefallen, denn genau in diesem Augenblick explodiert er.

Krachend fällt sein schwerer vergoldeter Stuhl auf die Marmorfliesen, als er zu schnell und zu kraftvoll aufsteht. Er stürmt um den Tisch herum, direkt auf mich zu, auch ich stehe jetzt auf. „Du undankbares eingebildetes Gör! Was fällt dir ein, so mit mir zu reden? Ich bin dein Vater und König!", brüllt er mich an, und in seinen Augen brodelt seine Magie in einem wunderschönen blauen Rauch. Ich weiche nicht unter seinem stechenden Blick zurück, sondern sehe ihm direkt in die vom Rauch umwaberten Augen. Mein Vater hebt die Hand und lässt sie auf mich hinabfallen. Ich möchte gerade ausweichen, als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme. Eine Hand packt den Arm, der auf mich zu braust.

„Ich denke das reicht jetzt. Vergiss nicht wer du bist, mein Freund." Slavo steht neben mir und sieht meinem Vater mit unerschütterter Miene an.

Ich höre, wie der König vor mir, langsam zur Beruhigung immer wieder tief ein und wieder ausatmet. Der Rauch in seinen Augen schwindet, und er sieht wieder zu mir.

„Freya auf dein Zimmer! Du wirst heute Abend während der Zeremonie im Schloss bleiben!" schreit mir mein Vater noch zu, nachdem ich mich gespielt wütend umdrehe und aus dem Saal in Richtung meines Zimmers gehe. „Hörst du?" Wird mir noch hinterher gebrüllt, als ich nicht reagiere.

Ich drehe mich nochmals um und sehe allen in die Augen. „Ja, Eure Hoheit ich habe verstanden. Ich werde nicht bei der Zeremonie zusehen." Ich verbeuge mich knapp, und sehe noch einmal kurz zu Slavo, dessen Augen vor Stolz über mein Mut leuchten. Ich drehe mich um und beginne zu grinsen, denn genau das war mein Plan. Ich wollte das Verbot von meinem Vater bekommen, denn jetzt kann ich ohne eine Ausrede zu erfinden nicht dort auftauchen. Und ich kann ohne Probleme selbst an der Zeremonie teilnehmen.




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SeelenkriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt