Der König

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Müde von einer unruhigen und sorgenvollen Nacht krabble ich müde aus meinem wolkenweichen Bett, als mich die Sonne durch das gegenüberliegende Fenster ins Gesicht scheint. Die ganze Nacht über musste ich an die Zeremonie denken, versuchte mir einen Plan festzulegen, was ich tun würde falls man mich erkennt. Doch die meiste Angst habe ich vor meinem Vater, denn sollte er mich erkennen bevor ich meine Waffe und mein Tier habe, würde er mich nicht mehr teilnehmen lassen. Nach der Zeremonie würde er sowieso nichts mehr dagegen machen können, und es akzeptieren müssen.

Seit ich die Unterschiede zwischen mir und meinen Bruder am eigenen Leib erfahren durfte bereite ich mich schon auf diesen Tag heute vor. Denn wenn ich als Prinzessin schon so ungerecht behandelt werde, möchte ich nicht wissen wie es in unserem Armenviertel aussieht... Ich will es allen beweisen, die der Meinung sind, dass Frauen es nicht wert wären ihre eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen.

Ich bin noch immer in Gedanken versunken, als es an meiner Tür klopft. Leise stöhne ich auf und verdrehe die Augen,  das ist bestimmt Lovina, die mich für das Frühstück fertig machen soll. Tief atme ich noch einmal Luft, und bereite mich in Gedanken darauf vor, bis heute Abend die wohlerzogene und hochmütige Prinzessin zu spielen, wie es mein Vater von mir verlangt. „Herein", höre ich mich in meiner hochnäsigen Stimme sagen. Ich setzte mich aufrecht an den Frisiertisch, und schlage ein Bein über das andere. Wie ich diese Maske der eingebildeten, süßen und schönen Prinzessin hasse. Zum Glück hat die Ganze Maskerade heute ein Ende, egal wie es ausgeht.

Lovina eine kleine und pummelige Frau mittleren Alters kommt in mein Zimmer und lächelt mich freundlich an. Sie ist die Mutter meiner besten Freundin, und kennt mich besser als mein eigener Vater, aber sie stellt mir trotzdem jeden Tag dieselbe Frage: „Haben sie irgendwelche Wünsche, wie ich ihr Haar frisieren soll, Prinzessin?", fragt sie, und setzt sich auf einen Schemel hinter mich, nimmt den vergoldeten Kamm von der Kommode, und beginnt mein langes schwarzes Haar zu kämmen. Ich denke wie immer lächelnd nach und lege dabei meinen Kopf übertrieben zur Seite. „Halb offen und halb nach hinten geflochten. Aber bitte nicht zu aufwendig", beantworte ich ihre Frage schließlich. Sie betrachtet mich durch den Spiegel mit ihren aufmerksamen braunen Augen. Wie ich mein Spiegelbild hasse, jedes Mal blickt mich nur diese hochnäsige Prinzessin entgegen. Ich wende den Blick ab, und sehe auf meine Hände, auch wenn ich meine Maske jeden Tag trage, ist es unübersehbar, dass ich mein Prinzessinnen Dasein teilweise mit Abscheu in den Augen betrachte. Diese Blicke bleiben den Bediensteten in unserem Schloss nicht verborgen, und ich weiß wie sehr sie hinter meinen Rücken reden. Ich bin ungehorsam, unordentlich, wild und zu neugierig... Ich passe in keine Schublade, in die sie mich stecken können, deshalb bin ich für sie unnormal und ungewöhnlich. Die Tatsache, dass ich zu allem Überfluss noch zwei verschiedene Augenfarben habe, kommt ihnen dabei nur gelegen, denn mein rechtes Auge ist dunkelblau wie die meines Bruders, doch das andere ist grau. Oft wird gesagt, dass meine ungewöhnliche Art auf meine Augen zurückzuführen sei. Anders können sie es sich nicht erklären, denn meine große Schwester Asandrya hatte die perfekte Prinzessin abgegeben. Leider ist die ganze Aufmerksamkeit, die auf ihren Schultern ruhte auf mich über gegangen, nachdem sie verheiratet wurde und auszog. 

Vor drei Jahren, kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag musste sie nach der Zeremonie den mächtigsten Seelenkrieger zum Mann nehmen. Vorausgesetzt er ist von adeligem Blut. Wie eine Trophäe wurde sie als Preis geboten. Niemals würde ich das mit mir machen lassen, und das wissen auch alle die hier in diesem Schloss leben. Aber was soll ich machen, wenn genau das der Plan meines Vaters für mich ist? Ich möchte keine Trophäe sein, die man dem Adligen überreicht, der sich als stärkster hervorhebt. Ich möchte einmal aus Liebe heiraten, und dabei sollte Stand und Stärke keine Rolle spielen. Meine Augen beginnen zu brennen und ich versuche die hochkommenden Tränen zu unterdrücken. „Geht es ihnen gut Prinzessin?" Lovina streicht mir sanft über die Schulter, bevor sie eine lange schwarze Strähne in die flinken Finger nimmt, und damit beginnt diese eng an meinem Kopf anliegend nach hinten zu flechten. Aber ihre Augen sind noch immer besorgt auf mich gerichtet. Erst jetzt fällt mir auf, dass meine Augen eine tiefe Traurigkeit ausstrahlen. Schnell versuche ich diese aus meinen Augen verschwinden zu lassen. „Ja natürlich. Ich mache mir nur Sorgen um Trybon. Jedes Jahr gibt es einige Opfer bei dieser Zeremonie, und ich habe Angst er könnte einer davon sein", antworte ich wahrheitsgemäß, ehe ich mein Kinn hebe. Sie nickt verstehend und frisiert schweigend meine Haare weiter.

SeelenkriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt