Nachdem ich ein paarmal in meinem Zimmer ruhelos auf und ab gewandert bin, weil ich einfach nicht darauf komme, wie meine Mutter von meinem Plan erfahren konnte. Deshalb beschließe ich ein Buch zu lesen, denn das hilft mir immer um zur Ruhe zu kommen. Ich gehe zu meinem Bücherregal, fahre mit einer Hand über die ledernen Buchrücken und lese die Titel. Die meisten habe ich schon gelesen. Die guten sogar schon zwei oder dreimal. Langsam gehe ich das zwei Meter breite Bücherregal ab und überlege mir welches ich nun lesen soll. Doch dann sehe ich ein mir ungekanntes Buch. Es liegt schräg über den anderen. Der Einband ist in einem auffällig, glänzenden schwarz, noch nie im Leben habe ich so etwas Dunkles und Kaltes gesehen. Auf dem Einband steht ein, in silbern geschriebener Titel, den ich aus meiner Entfernung nicht lesen kann. Wie in Trance gehe ich auf das Buch zu, es fühlt sich an als würde es mich magisch anziehen
- Komm her! Komm zu mir mutiges Mädchen, und lese mich! -, scheint es mir zuzurufen. Ich strecke meine Hand aus, um das Buch zu greifen, damit ich es näher betrachten kann. Der Titel ist durch irgendeine Magische Nebel Art unleserlich verschleiert worden.
Doch kurz bevor ich das Buch berühren kann, klopft es an meiner Tür. Erschrocken zucke ich zusammen und sehe blinzelnd zu meiner Hand die noch immer nach oben ausgestreckt ist, um nach dem Buch zu greifen, aber wo ist es jetzt? Es ist weg! „Herein!" Rufe ich noch immer wie in Trance. Ist das gerade wirklich geschehen? Aber wenn ja wo ist dann das Buch hin?
Ich schüttle den Kopf und drehe mich zu meiner Zimmertüre. Eine wunderschöne zierliche junge Frau steht mit einem Tablett mit Mittagessen im Türrahmen.
„Rixa!", sage ich mit einer viel zu hohen Stimme zu der blonden Schönheit die mich mit großen hellbraunen Augen freudig entgegenstrahlt. „Freya!", kommt es genauso hoch von ihr wieder. Sie stellt das Tablett ab, und kommt mit großen Schritten auf mich zu. Ich schlinge meine Arme um sie und freue mich so sehr, meine beste Freundin endlich wieder zu sehen.
Seit über einem Jahr schon, habe ich sie jetzt nicht gesehen. Ihre Mutter Lovina hat sie, mit der Erlaubnis meines Vaters auf ein Internat geschickt, in der sie zu meiner persönlichen Zofe ausgebildet werden soll.
„Ich habe dich so vermisst! Wie war die Schule? Musst du nochmal dorthin? Oder bist du jetzt fertig mit deiner Ausbildung? Ich habe dir so viel zu erzählen", brodelt es vor Aufregung und Neugier nur so aus mir heraus. Ich drücke sie mit beiden Armen, auf ihren Schultern gelegt weg, und sehe ihr fragend ins Gesicht. Sie sieht mich an und beginnt zu kichern. „Immer langsam, eins nach dem anderen. Ich habe dich auch vermisst. Die Schule war sehr lehrreich, ich habe sie mit den besten Noten aus meinem Jahr abgeschlossen. Also ich muss nicht nochmal dorthin. Ab sofort bin ich für dich alleine zuständig, meine Prinzessin", erklärt sie mir, und verbeugt sich.
Meine Freude über unser Wiedersehen ebbt etwas ab, als mir ihr letzter Satz und seine Bedeutung klar wird. Sie ist meine Bedienstete, genau dafür wurde sie das gesamte letzte Jahr ausgebildet. Aber was ist jetzt mit unserer Freundschaft?
„Wie läuft es mit deinem Training? Bist du noch immer der Meinung, an der heutigen Zeremonie teilnehmen zu müssen?", fragt sie mich, während sie mir Tee in eine Tasse gießt, und reißt mich damit aus meinen trüben Gedanken.
„Das Training... Ähm... es läuft super! Und meine Teilnahme heute, ist schon komplett durchgeplant." Bringe ich sie etwas unsicher auf den neusten Stand, und nehme ihr die Tasse ab die sie mir hinhält. Sie wollte gerade die Keramikteekanne wieder zurück auf das Tablett stellen, doch als die Zimmertüre aufgerissen wird, hält sie inne.
Ihre Augen kleben an dem schwarzhaarigen Mann, der sich lässig an die Wand lehnt. Oh nein! Ich beginne ein Stoßgebet zu sprechen, dass sich Rixas Gefühle meinem Bruder gegenüber gemildert haben, und dass sie sich nicht wieder blamiert, so wie es in der Vergangenheit schon oft der Fall war.
Doch als sie sich so ruckartig verbeugt, und ihre Stirn so hart gegen die Teekanne stößt, dass sie mit einem lauten Klirren zu Boden fällt und in tausend Einzelteile zersplittert, werde ich wie so oft eines Besseren belehrt. Ich unterdrücke ein Lachen und sehe in Trybons Gesicht, dass er gerade auch mit sich kämpft muss, um nicht laut los zu lachen.
„Oh verdammt!", beginnt sie zu fluchen, und möchte sich hinknien, um die Keramiksplitter aufzusammeln. Ich sehe auf ihre zitternden Hände und schüttle den Kopf, denn so würde sie sich nur die Hände zerschneiden. Um sie davon abzuhalten sich selbst noch mehr zu schaden, halte ich sie am Arm fest und sehe in ihr vor Scham rot gewordenes Gesicht.
„Gehe bitte kurz aus meinem Zimmer und warte dort. Ich möchte kurz mit meinem Bruder unter vier Augen sprechen." Sie streicht ihren schwarzen Rock glatt und geht mit gesenktem Blick an meinem Bruder vorbei. „Schön dich wieder zu sehen Rixa!" säuselt dieser, als sie sich an ihm vorbei durch die Tür quetscht, weil er keinen Schritt zur Seite geht.
Ich höre nur wie sie ein ersticktes Quicken ausstößt und schnell um die Ecke biegt. Trybon sieht ihr noch kurz hinterher und beginnt dann laut los zu lachen.
„Was willst du?" Frage ich gespielt genervt meinen Bruder, und unterbreche dabei sein Gelächter über meine beste Freundin. Er hört auf zu lachen und sieht mich eindringlich an, während seine Gesichtszüge mit einem Mal so ernst und düster werden.
Seine Schritte, die er jetzt auf mich zu kommt sind zögernd und unsicher. „Ich wollte mich von dir verabschieden, weil ich jetzt mit Ikarus schonmal zum Seelensee aufbrechen werde." Die dunkelblauen Augen verdunkeln sich, und er beginnt sich am rechten Ohrläppchen zu kratzen. Das macht er immer, wenn er Angst hat, oder ihm etwas große Sorgen bereitet.
Ich sehe ihm tief in seine Augen, und versuche ihm ohne Worte etwas Mut zu geben. Als wir kleiner waren haben wir uns oft mit nur einem einzigen Blick verstanden, deshalb hoffe ich, dass es nun auch funktioniert.
Doch plötzlich verspüre auch ich eine tiefsitzende Angst, und dieselben Sorgen, die mich die gesamte Nacht über nicht schlafen gelassen haben. Was ist das denn schon wieder? Ich schüttle meine Angst so gut es geht wie immer ab, und verschließe sie mit meinen Gedanken in der hintersten Ecke meines Kopfes.
Nach ein paar Augenblicken, in denen wir uns nur ansehen, gehe ich zu meiner Kommode, ziehe die erste Schublade auf, und hole zwei Ketten heraus. Die eine ist aus Gold, und die andere aus Silber. Beide haben denselben Anhänger, einen Anker, als Zeichen für die Hoffnung und die Standhaftigkeit. „Die habe ich vor ein paar Wochen für uns anfertigen lassen." Ich reiche ihm die goldene Kette, und hänge mir selbst die Silberne um. Er nimmt sie mit fragenden Blick entgegen. „Ich habe gehört, dass man einen Anker braucht der deine Seele an diese Welt bindet, bevor du in den Seelensee eintauchst. Diese Kette soll dich daran erinnern, dass du hier gebraucht wirst.", erkläre ich meinem Bruder, mit einem Lächeln auf den Lippen. Dankbarkeit schleicht sich in seine Augen, deren dunkler Schatten sich schon fast vollständig gelöst hat. Doch als er meine silberne Kette sieht runzelt er die Stirn. „Und weshalb hast du dieselbe Kette?" Damit auch ich einen Halt habe, wenn ich die Prüfung heute bestreite, antworte ich stumm.
„Alles auf dieser Welt braucht ein Gegenstück, etwas zu dem es gehört, um den Weg zurück finden zu können.", antworte ich stattdessen. Lächelnd hängt er sich die goldene Kette um den Hals und versteckt sie unter seinem schwarzen Hemd. „Danke, Freya!" Mit diesen Worten dreht er sich um, und geht ohne mich noch einmal anzusehen.
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Seelenkriegerin
FantasyFreya ist die Prinzessin des Reiches, doch sie will Kriegerin sein, so wie es ihr Zwillingsbruder (Trybon) nach den Prüfungen sein wird. Doch ihr Vater der König hat andere Pläne, sie soll Ikarus, den besten Freund und stärksten Kämpfer in seinem Al...