Kapitel 39

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Das Ocean's war ein kleines Café am Rande der Innenstadt. Es war seit ich es entdeckt hatte, mein absolutes Lieblingscafé. Es war innen gestaltet, wie ein Pavillon in Hawai. Es gab furchtbar leckere Fruchtcocktails und abends wenn man feiern wollte, spielten sie die beste Musik zum Tanzen. Ich hatte mich vor etwa anderthalb Monaten mit Marc zum ersten Mal dort getroffen. Es war wundervoll gewesen. Seitdem hatte das Ocean's einen besonderen Wert für uns.

Jason parkte in einer Nebenstraße. Als ich aussteigen wollte, hielt er mich fest. "Soll ich nicht doch lieber mitkommen?", fragte er und schaute mich besorgt an. Ich lächelte und berührte seine große kräftige Hand vorsichtig. "Ich schaff das schon. Ich bin nicht mehr das wehrlose kleine Mädchen, dass du beschützen musst", ich zwinkerte ihm zu, um die letzte Aussage nicht zu verbittert klingen zu lassen. In Wahrheit hatte ich eine Scheißangst. Aber was konnte ich sonst schon machen? Ich hatte keine Ahnung. Jason nickte und schluckte. "Es ist nur... Ich habe dich schon zu oft verloren. Ich habe Angst, dass du irgendwann nicht mehr wiederkommst..." Ich strich über seine Hand. "Ich werde wiederkommen!", versprach ich ihm, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob ich dieses Versprechen würde halten können. Er nickte nochmals und ließ mich dann los. "Zur Not habe ich ja immer noch das hier", grinste ich und ließ die Trillerpfeife unter dem schwarzen Pulli verschwinden. Er grinste zurück. Ich stieg aus und schlug die Autotür zu. Dann ging ich betont langsam den Bürgersteig entlang. Bevor ich um die Ecke bog, sah ich noch einmal zum Auto zurück. Jason sah mir durch die Windschutzscheibe hinterher und nickte aufmunternd. Ich atmete einmal tief durch und ging weiter. Während ich dem Ocean's immer näher kam, versuchte ich, mir selbst Mut zu machen. Ich wusste gar nicht, warum mein Körper gerade so verrückt spielte. Ich hatte schon in viel gefährlicheren Situationen gesteckt. Kopfschüttelnd zog ich die Ärmel der Lederjacke über meine aufgeschürften Hände. Wenn Marc wirklich lebte und im Ocean's war, musste er nicht unbedingt die Folgen meines Ausrasters sehen. Vor einem Fenster des Ocean's blieb ich kurz stehen und versuchte die Umgebung nach irgendwelchen auffälligen Männern abzusuchen, doch ich fand niemanden. Ein paar Banker kamen aus einem Geschäft auf der anderen Straßenseite, eine Mutter schob einen Kinderwagen mit quengelndem Kind vor sich her, ein Paar kam aus dem Ocean's, küsste sich kurz und gingen dann zusammen weiter. Es wirkte alles so idyllisch, dass ich mich kaum traute, der Ruhe zu trauen. Doch ich konnte nichts Auffälliges erkennen, also atmete ich noch einmal kurz durch und ging dann durch die Tür. Wie durch Zauberei meinte ich, mich am Strand von Hawai zu befinden. Aus den Lautsprechern kam Surfermusik, die Holzverkleidung strahlte im warmen Licht und die Leute lachten und unterhielten sich. Aufmerksam schaute ich mich um. Es konnte so gut sein, dass Marc schon lange nicht mehr hier war. Wie lange war sein Anruf her? Vier Stunden mindestens, wenn nicht noch mehr. Ich ging etwas weiter in das Café, um einen besseren Überblick zu haben. Und da sah ich ihn. Er saß an unserem Stammplatz, in einer kleinen Nische, etwas abgeschieden von dem Getümmel und doch nicht ganz abseits. Ich konnte es nicht verhindern, dass mir Tränen in die Augen traten. Wie hatte ich ihn vermisst, wie schrecklich war es gewesen, zu glauben, dass er tot wäre. Und dort saß er und wartete auf mich. Ich konnte nicht mehr länger warten, ich eilte auf ihn zu. Als ich nur noch wenige Meter von unserem Tisch entfernt war, hob er seinen Kopf und schaute mich an. Seine lieben dunklen Augen schauten direkt in meine. In diesem Moment wusste ich, dass es eine Falle gewesen war. Blitzschnell war ich bei ihm am Tisch und ließ mich auf die gegenüberliegende Bank gleiten. Dann schaute ich mich um, ob irgendwelche Männer auf mich zu kamen. Doch es bewegte sich niemand auf uns zu. Dann musterte ich Marc. Er sah so schlecht aus wie noch nie. Sein ganzes Gesicht war zerschrammt und wund geschlagen, an seinen Handgelenken konnte ich Schürfwunden erkennen. Aber vor sich hatte er denselben Virgin Colada stehen, den er sich jedesmal bestellte. Den Kopf hatte er wieder gesenkt. "Marc?", fragte ich vorsichtig und ließ meine Hand über den Tisch auf seine zuwandern. Kurz bevor wir uns berührten, ließ ich die Hand auf dem Tisch ruhen. Er hob langsam seinen Kopf und schaute mich an. "Es tut mir Leid!", murmelte er, fast flüsternd, "es tut mir so unendlich Leid!" Er betrachtete meine Hand neben der seinen. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, doch so schnell es gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder und machte der unwiderruflichen Hoffnungslosigkeit Platz. "Es ist nicht deine Schuld!", erwiderte ich überzeugt. "Ich hatte gehofft, du würdest den Wink verstehen...", murmelte er. "Welchen Wink?" "Na, dass du Simon da lassen solltest, dass wir ihm nicht mehr trauen könnten." "Achso, nein, das habe ich nicht verstanden, tut mir Leid.", meinte ich betreten, "es ist viel passiert, seit du aus dem Zug gefallen bist..." Er hob endlich wieder seinen Kopf und schaute mich liebevoll an. Sanft schob sich seine Hand über meine und umfing sie mit schützender Wärme. "Wie wäre es, wenn du mir alles erzählst, was du erlebt hast und ich alles, was ich erlebt habe. Und dann überlegen wir zusammen, wie wir da bloß wieder raus kommen?" Ich lächelte ihn erleichtert an. "Ich finde, das klingt gut."

Danger (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt