Kapitel 6 ~ überarbeitet

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"NEEEEIIIIIIN!"

War das Marcs Stimme? Ich traute mich nicht, die Augen aufzumachen. Ich wollte es nicht sehen, wenn der Typ abdrückte.

"Das könnt ihr doch nicht machen! Sie hat euch nichts getan! Lasst sie in Ruhe!" Ich keuchte auf. Es war definitiv Marcs Stimme. Warum war er hier? Er sollte mich so nicht sehen. Er sollte mich nicht sterben sehen! Ich erwartete immer noch jeden Moment einen Schuss zu hören. Doch plötzlich hörte ich auch andere Stimmen, ein Stimmengewirr aus fluchenden, wütenden Stimmen. Marc schrie auf. Ich hielt es nicht mehr aus. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und das zweite folgte gleich darauf, denn was ich sah, war so anders als ich es erwartet hatte. Marc hatte dem Typen mit der Pistole diese weggenommen und hielt sie auf Ryan gerichtet.

Allerdings wurden auf ihn drei andere Läufe gerichtet. Direkt neben Marc standen Simon und noch ein anderer Junge, den ich nicht kannte. Sie hatten die Arme etwas gehoben, als wollten sie die umstehenden Männer besänftigen, und schauten sich wachsam um. Ich konnte die Spannung, die in der Luft lag förmlich spüren.

"Bitte Ryan, lass mich das erklären. Du weißt, dass ich nicht mit meiner Freundin Schluss machen wollte. Ich liebe sie und ich kann nicht zulassen, dass du sie einfach so abknallen lässt! Bitte lass sie gehen. Sie wird nichts irgendjemanden erzählen. Ich bürge für sie, aber bitte lass sie gehen!" Marcs Stimme brach die Stille. Ryan sah mich abschätzend an und ich versuchte, so ungefährlich ich konnte auszusehen.

"Nein!", durchschnitt die eiskalte Stimme von Jackson die Luft. "Ryan, denk nach, verdammt! Wir können sie nicht gehen lassen! Sie hat uns alle gesehen, sie war im Gebäude. Sie wird uns verraten. Wenn schon nicht absichtlich, dann unabsichtlich. Wir könnten uns keine Minute des Tages mehr sicher fühlen!" Während er sprach waren immer mehr Jungen und junge Männer aus den Gebäuden gekommen. Insgesamt waren es inzwischen ungefähr 15. Langsam entbrannte eine heftige Diskussion, ob man es wagen könnte, mich gehen zu lassen. Ryan beteiligte sich nicht, sondern beobachtete mich noch immer. Verzweifelt folgte ich dem Streit. Es sah so aus, als würden Marc und seine Freunde verlieren. Die Großzahl der Männer war dafür, mich umzubringen. Fieberhaft suchte ich nach einem Ausweg. Ich wollte nicht sterben. Vorhin war ich zu betäubt gewesen, zu schockiert, um zu hoffen, doch nun wollte ich auf keinen Fall sterben. Der Streit wurde immer lauter, ohrenbetäubend.

Und plötzlich stand mir die Lösung klar vor Augen. Sie konnten mich nicht gehen lassen und ich wollte nicht sterben. Also musste ich einsteigen. Das gefiel mir zwar nicht, aber es war höchstwahrscheinlich besser als zu sterben. Allerdings hatte Jackson gemeint, ich wäre nicht geeignet, aber vielleicht konnte ich mich ja irgendwie beweisen. Ich musste es zumindest versuchen.

"Hey!", schrie ich so laut ich konnte. Meine Stimme war viel höher als die der streitenden Männer und war so leicht zu hören. Alle hielten inne und sahen mich verblüfft an. Jetzt musste ich es durchziehen!

"Darf ich dazu auch mal was sagen? Schließlich geht es hier um mich!" Keine Reaktion. Die Männer sahen aus, wie zu Salzsäulen erstarrt. "Ich will einsteigen! Ich weiß, ich bin nicht geeignet, aber lasst es mich wenigstens versuchen." Ich sah Ryan an. Soweit ich das bemerkt hatte, traf er hier die Entscheidungen. Er sah mich mit unbeweglicher Miene an. Ich meinte, gleich unter der Spannung zerspringen zu müssen. Schließlich nickte er knapp.

"Bringt sie in den Trainingsraum. Sie wird ein paar Prüfungen bestehen müssen." Stille. Keiner bewegte sich. "Worauf wartet ihr?", schnautzte er die Typen an. Marc fasste sich als Erster. Er steckte sich die Pistole in den Hosenbund und kam zu mir. Simon und der andere Junge folgten ihm. Die restlichen Jungen und Männer zerstreuten sich. Marc holte ein Klappmesser aus seiner Hosentasche und schnitt den Kabelbinder durch. Erleichtert spürte ich, wie wieder Blut in meine Hände strömte. Marc packte das Klappmesser weg. Ich hielt den Kopf gesenkt, wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ich wollte mir keine Hoffnung erlauben. Was er vorhin gesagt hatte konnte nicht wahr sein. Er hatte es nur gesagt, damit er meinen Tod nicht zu verantworten hatte. Er hatte schließlich Schluss gemacht...

Wortlos führten sie mich wieder in die Halle. Wir gingen durch einen langen Gang und schließlich eine sehr lange Treppe herunter. Dann wieder einen Gang entlang von dem in regelmäßigem Abstand Türen irgenwohin führten. Vor einer dieser Türen blieben wir stehen.

"Geht schonmal vor, ich komme gleich nach", sagte Marc zu Simon und dem anderen Jungen. Diese sahen sich nur schweigend an und verschwanden dann im Halbdunkel des Ganges.

"Mila, bitte hör mir zu. Du wirst gleich durch diese Tür gehen und im Trainingsraum landen. Du musst nur versuchen zu überleben. Alles andere ist unwichtig. Und denk dran sie beobachten dich die ganze Zeit." Ich nickte nur stumm und sah immer noch auf den Boden. Er seufzte leise. Plötzlich spürte ich, wie er mit seiner Hand leicht mein Kinn anhob, sodass ich ihn ansehen musste. Seine Augen schauten voller Schuldegefühle auf mich herunter. "Es tut mir so leid."; flüsterte er. Langsam kam er immer näher. Ich sah in seine Augen, seine wunderschönen dunkelbraunen Augen und verlor mich in ihnen. Schließlich drückte Marc sanft seine Lippen auf meine. Tränen traten mir in die Augen. Ich hatte ihn so vermisst. Unwillkürlich schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper. Gleichzeitig wurde sein Kuss fordernder. Doch plötzlich riss er sich von mir los. Meine Arme sanken nutzlos herunter. Er sah mir nicht in die Augen. "Viel Glück", murmelte er nur und verschwand. Fassungslos sah ich ihm hinterher. Kurz schloss ich die Augen. Ich war so ein Idiot. Es war nur ein Test gewesen und ich war darauf hineingefallen. Jetzt wusste er, dass ich ihn immer noch wollte. Ich atmete ein paar Mal tief durch, um mich zu beruhigen. Das alles war jetzt unwichtig, Marc, ich, meine unerwiederte Liebe, das alles spielte keine Rolle, wenn sie mich umbrachten, also musste ich mein Bestes geben.

Ich drehte mich zur Tür um. Jetzt wollte ich es auch hinter mich bringen. Zögerlich öffnete ich sie und trat in den Raum. Er war relativ groß. Vielleicht 10 auf 10 Metern. Die Wände waren dunkelblau. Oder war nur das Licht blau und die Wände deswegen auch? Ich wusste es nicht. Der Raum war komplet leer und der Boden schien aus Matten zu bestehen. Auf der gegenübeliegenden Seite war nochmal eine Tür. Ich trat noch einen Schritt in den Raum und ließ die Tür hinter mir zufallen. Unbehaglich hörte ich wie sich die Tür automatsch schloss. Nun ging die andere Tür auf und nacheinander kamen zwei Männer herein. Um die zwei Meter groß und beinahe halb so breit. Die beiden Muskelberge kamen aus mich zu. Aus einer Sprechanlage hörte ich Ryans Stimme: "Zwei Gegner haben dich in die Enge getrieben. Du hast nichts, um dich zu verteidigen. Was machst du?"

Danger (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt