Kapitel 17 ~ überarbeitet

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Ich wachte ziemlich zerschlagen am nächsten Morgen von einem durchdringenden Ton auf. Ich wollte grade in Panik geraten, da hörte der Ton auf und Ryans Stimme hallte durch das ganze Gebäude: "Also aufstehen ihr Schlafmützen. Frühstück ist fertig. Ich hoffe, ihr seid alle bereit zu trainieren..."

Seufzend quälte ich mich aus dem warmen Bett und packte meine Schultasche. Ich hätte gern noch geduscht, aber ich fürchtete, dass wieder so viele Jungen und vor allem Ben auch auf diese Idee gekommen waren. Also kämmte ich mir nur meine Haare und zog mir eine Jeans und einen dünnen Pulli an. Da ich nicht mal einen Spiegel hatte, verzichtete ich auf jegliche Schminke, die würde sowieso verlaufen, wenn ich nachher wieder Training hatte. Dann packte ich meine Schultasche und ging leicht angespannt zum Frühstück. Kurz bevor ich im Speisesaal ankam, kam ich jedoch an einer Toilette vorbei, wo ich kurz am Waschbecken mein Gesicht vom Blut befreite.

Die vielen Tische im Speisesaal waren schon ordentlich besetzt. Ich ging zum Buffet und nahm mir Toast, Marmelade und Butter mit einem Glas Orangensaft. Dann drehte ich mich zu den Tischen und blieb unschlüssig stehen. Marc und Simon frühstückten ja bei ihren Familien und meinen supertollen Bruder konnte ich nirgendwo sehen.

Plötzlich sagte eine Stimme neben mir: "Wollen wir uns zusammen an einen Tisch setzen?" Ich drehte mich um und sah, dass vor mir Liam stand. Erleichtert lächelte ich. Ich war nicht ganz allein.

"Ja klar, gerne", erwiederte ich und wir suchten uns einen freien Tisch. Dort betrachte ich ihn genau. Er konnte unmöglich schon 18 sein! Nach einer Weile traute ich mich, ihn zu fragen.

"Hmm sag mal, warum bist du hier? Also ich hab gehört, dass man erst mit 18 hier einziehen muss, und du siehst echt nicht wie 18 aus..." Er lächelte und sah plötzlich traurig aus.

"Ich bin auch noch nicht 18. Ich hab nicht mehr bei meiner Familie gewohnt, deswegen hat nichts dagegen gesprochen, dass ich jetzt schon hier wohne..." Ich runzelte meine Stirn und schluckte meinen Toast herunter.

"Warum hast du denn nicht mehr bei deiner Familie gewohnt? Bist du abgehauen?", fragte ich neugierig. Er senkte seinen Blick und seine Finger betasteten nervös sein Sandwich.

"Meine Eltern sind gestorben als ich 13 war, ein Autounfall. Ich habe im Heim gewohnt und bin dann hierher gekommen, weil es überall besser ist als dort..." Seine Stimme erstarb. Betroffen sah ich ihn an.

"Oh, es tut mir leid, das wusste ich nicht", murmelte ich. Er sah mich wieder an und versuchte ein Lächeln, dass eher eine Grimasse wurde. In seinen Augen konnte ich Tränen funkeln sehen.

"Ist schon in Ordnung, nur... Ich hatte mit einem Mal alles verloren, meine Eltern, meine beiden Schwestern, meinen Bruder, mein Zuhause, meine Freunde, mein ganzes Leben. Alles war mit einem Mal vorbei, wie ein schöner Traum. Meine Tante wollte mich nicht, sie meinte ich wäre so wild wie der Teufel und würde bloß schlechten Einfluss auf ihre Kinder ausüben. Deswegen bin ich in das Heim gekommen. Ich weiß nicht wie andere Heime sind, aber dieses war furchtbar. Die anderen Kinder waren grausam, die Aufseherinnen haben uns terrorisiert. Ich habe nicht lange gezögert, als Ryan mir angeboten hat, hier zu wohnen..." Er schluckte mühsam. Während er geredet hatte, hatte ich instinktiv meine Hand auf seinen Arm gelegt und sie vorsichtig gestreichelt.

"Ich kann verstehen, was du meinst. Mein Vater ist gestorben, als ich 14 war. Meine Mutter ist vollkommem ausgerastet. Vor allem als sie erfahren hat, dass er erschossen wurde, von irgendeinem Drogenjunkie auf der Straße. Die Bullen haben den Typen nicht mal gekriegt. Zu wissen, dass irgendwo da draußen noch der Mörder deines Vaters rumläuft und seiner Strafe entgeht, ist verdammt beschissen. Mein Bruder war gerade mal 16 und hat sich drei Nebenjobs gesucht, damit wir nicht verhungert sind. Meine Mutter hat ihren Job als Gärtnerin gekündigt und ist den ganzen Tag im Bett geblieben. Der ganze Haushalt blieb an mir hängen und als mein Bruder nach 2 Jahren verschwand, als es unserer Mutter gerade wieder ein bisschen besser ging, brach sie wieder zusammen. Und jetzt habe ich ihn wiedergefunden und darf es ihr nicht mal sagen. Jetzt bin auch noch ich gegangen und hab sie ganz allein gelassen." Ich merkte, wie mir die Tränen hochkamen und schluckte sie erbarmungslos wieder herunter. Ich konnte es mir nicht leisten hier zu heulen, nicht im Speisesaal, wo mich alle sehen konnten. Es war Zeit für einen Themawechsel.

"Wo gehst du eigentlich zur Schule?", fragte ich Liam betont unbeschwert. Er ging drauf ein und grinste böse.

"Ich hab, als ich hierhergezogen bin, beschlossen, dass ich genug Schulbildung habe. Stattdessen helfe ich, wo gerade Hilfe benötigt wird."

Wenig später wurde ich von Marc an der Schranke abgeholt. Die Schule war langweilig wie immer, in diesem Moment konnte ich Liam gut verstehen. Ciara wunderte sich etwas, dass ich so abwesend war, doch als ich ihr erzählte, dass Marc und ich wieder zusammen waren, freute sie sich einfach nur noch. Nach der Schule wollten Marc und Simon sofort zurück, doch ich konnte sie noch überreden, mit mir Farbe, einen schmalen Korbsessel und einen Spiegel zu kaufen. Ich entschied mich für ein helles Apricot.

Zurück in Haus 3 fing ich sofort an, die Wände zu streichen, aber ich kam nicht bis unter die Decke und so ging ich raus, um nach irgendjemand zu suchen. Ich war gerade auf den Hof getreten, da bekam ich einen Anruf von meiner Mutter. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie noch nicht angerufen hatte. Schnell nahm ich an.

"Hey Mum, was gibt's?", fragte ich betont fröhlich. Ich bekam keine Antwort. Stattdessen hörte ich nur panisches Atmen.

"Mum, alles ok?", fragte ich besorgt.

"Mila... Du musst sofort weg! Sie haben mich gefunden. Du musst sofort aus der Stadt raus! Mach dir keine Sorgen um mich! Ich hab dich lieb!" Dann knackte es in der Leitung, rauschte einmal kurz und sie war weg. Fassungslos ließ mein Handy sinken...

Danger (wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt