Kapitel 8
Der Kater hielt sich zum Glück in Grenzen. Joko zwang sich dazu etwas zu essen. Genug Wasser zu trinken. So verbrachte er nicht den ganzen Tag im Bett, aber zumindest den Großteil auf der Couch. Was sollte er auch sonst machen? Freie Zeit. Endlich mal keine Termine. Einfach mal abhängen. Relaxen. Chillen. Die Seele baumeln lassen.
Joko starb fast vor Langeweile. Er wurde unruhig. Er hatte so selten freie Zeit, dass er nicht mal mehr wusste, wie man sich richtig entspannen konnte. Mit Freunden war das kein Problem. Da gab es immer irgendwas, was man machen konnte. Gelangweilt sah er sich im Wohnzimmer um. Im Fernsehen lief irgendeine Serie, die ihn nicht wirklich interessierte. Eine angefangene Wasserflasche stand auf dem Couchtisch. Nachdenklich wandte Joko seinen Blick Richtung Wohnzimmerschrank. Hatte er nicht noch ein verpacktes Puzzle irgendwo herumliegen?
Stunden später saß Joko tief versunken am Esstisch und studierte die Puzzleteile, die vor ihm ausgebreitet lagen. Er kam nicht oft dazu, aber es war wie Fahrrad fahren. Man verlernte es nicht. So hatte er schnell den Rand zusammen gepuzzelt. Auch schon einen Teil vom Innenbereich. Im Hintergrund war das leise Gemurmel des Fernsehers zu hören. Was jetzt gerade lief, keine Ahnung. Aber mehr oder weniger beruhigten ihn die Nebengeräusche. Er hatte nicht mal auf die Uhr geschaut. So vertieft war er in das Landschaftsmotiv. Deswegen zuckte er erschrocken zusammen, als die Türklingel ertönte.
„Meine Güte ...", sagte Joko und fasste sich mit einer Hand an die Brust. Sein Herz raste. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Ein Blick auf die Uhr ließ ihn stutzen. Wer klingelt denn an einem Samstagabend kurz vor Elf bei ihm an?
Verwundert stand Joko auf und ging in den Flur, nahm den Hörer für die Gegensprechanlage in die Hand. Mit einem mulmigen Gefühl hielt er ihn ans Ohr.
„Ja, bitte?"
Herzrasen. Schwitzige Hände. Scharfes einatmen. Reaktionen auf die Stimme am anderen Ende. Er drückte auf den Summer. Ließ die andere Person ins Haus. Nervös leckte er sich über die Lippen, als er den Hörer wieder beiseite legte. Sein Kopf war plötzlich wie leer gefegt. Mit leicht zittrigen Händen öffnete er die Tür und wartete. Hörte die Schritte im Treppenhaus. Näher kommen. Lauter werden. Schneller werden?
Joko schluckte hart. Konnte dennoch nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf seine Lippen legte, als Klaas in Sicht kam und ihre Blicke sich trafen. Dessen Haare in alle Richtungen abstanden. Der aussah, als wäre er die 600 km von Berlin nach München gejoggt. Der eigentlich nicht hier sein sollte.
„Klaas. Was machst du hier?"
Doch er bekam keine Antwort. Klaas ging einfach nur stumm auf ihn zu, ließ seine Tasche fallen und schlang die Arme um Joko. Legte seinen Kopf auf dessen Brust und sagte nichts. Hielt ihn einfach nur fest. Machte Joko damit ein bisschen Angst, denn das hier kannte er nicht. Klaas tauchte nicht einfach mitten in der Nacht bei ihm auf. Nicht, wenn sie nicht in derselben Stadt waren. Nicht, wenn sie nicht im selben Hotel schliefen.
„Hase, alles gut?", fragte Joko leise und erwiderte die Umarmung. Legte eine Hand in Klaas' Nacken und drückte ihn fest gegen sein schnell schlagendes Herz.
„Jetzt schon", kam die genuschelte Antwort, die begleitet wurde von heißem Atem an seinem Hals. Die ihm ein Kribbeln im Bauch bescherte und ihn ein wenig sprachlos machte, aber auch sehr glücklich.
Kommentarlos zog Joko ihn also in die Wohnung, schnappte sich noch schnell die Tasche vom Boden, als sie sich widerwillig voneinander lösten und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Klaas zog sich die Schuhe von den Füßen, hängte seine Jacke auf und folgte Joko in den offenen Wohnbereich, wo er mit hochgezogener Augenbraue das Puzzle auf dem Tisch registrierte.
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Tabula Rasa
Fanfiction*Wattys Gewinner 2022* *Amby Awards Gewinner 2023* Joko dachte, er hätte alles im Griff. Bis zu dem Tag an dem das Kartenhaus zusammen stürzt. Das Zwei alte Hasen Comeback, Klaas' Beziehung und Joko's Projekte drohen ihn aus dem Gleichgewicht zu bri...