Frei

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Kapitel 12

Was zur Hölle tat er hier? Er sollte nicht hier sein. Und doch saß Joko in seinem Auto und war kurz davor die Halle zu betreten. Matthias war strikt dagegen gewesen. Hatte immer wieder gesagt, was für eine selten dämliche Idee es war Klaas an so einem öffentlichen Ort zu sehen. Nach dieser Geschichte. Ohne vorher miteinander gesprochen zu haben. Aber Joko war feige. Hatte Klaas nur geantwortet, dass er dabei war. Doch jetzt packte ihn erneut die Angst. Die Unsicherheit. Wieso hatte er zugestimmt?

Tief durchatmend, stieg Joko schlussendlich aus dem Auto. Er konnte es nicht ewig vor sich her schieben. Irgendwann würde ihn jemand sehen und für verrückt halten. Die Show würde schon bald losgehen. Viel länger konnte er es nicht mehr hinauszögern. Es würde alles nur schlimmer machen.

Joko hatte keine Probleme die Halle zu betreten. Man erkannte ihn. Man ließ ihn durch die Hintertür rein. Er betrat den Backstagebereich und sah sich um. Reges Treiben erwartete ihn. Immerhin ging es bald los. Letzte Vorbereitungen wurden getroffen. Von Weitem konnte man schon das Publikum hören. Mikrofone wurden kontrolliert. Letzte Korrekturen beim Licht. Joko kannte die Prozedur. Kannte sie noch von seiner Tour mit Paul, die einen ähnlichen Aufbau hatte. Live Auftritte vor Publikum waren immer nervenaufreibend. Für das gesamte Team. Nichts durfte schiefgehen. Alles musste sitzen. Alles war bis aufs kleinste Detail geplant.

„Hey Joko!"

Er bewegte den Kopf Richtung Stimme. Entdeckte Jan, der gerade verkabelt wurde. Der in gewohnter Manier einen Anzug mit Krawatte trug. Er winkte Joko heran und ließ ihm gar keine andere Möglichkeit, als näherzutreten.

„Bist ja doch gekommen. Hoffentlich kannst du den Heufer ein bisschen beruhigen", sagte Jan schmunzelnd, als er erst das Jackett und dann das Mikrofon am Ohr etwas richtete. „Der hat schon alle bekloppt gemacht, ob irgendwer dich gesehen hat."

„Wirklich?" Joko räusperte sich und gab Jan die Hand.

„Wirklich. Ich fleh dich an: Tu was! Sonst versaut der mir die Pointen."

Er musste bei Jans bittendem Tonfall lachen. Er kannte schließlich Klaas' nervöse Ader, wenn er eine Situation nicht im Griff hatte. Wenn er sich auf den Zufall und viele andere Faktoren verlassen musste. Dass es etwas mit ihm zu tun hatte, bezweifelte Joko allerdings.

„Und das kann doch niemand wollen. Wenn du mir sagst, wo er ist, kann ich sehen, was ich für dich tun kann. Obwohl ich es ernsthaft infrage stelle, dass es was bringt."

„Jaja, wie auch immer. Details brauch ich wirklich nicht. Tu, was nötig ist! Er ist den Gang runter bei Jakob. Der hat ihn gezwungen noch mal die Texte durchzugehen. Sonst wäre das heute ein Soloauftritt."

Jan klopfte ihm dankbar auf die Schulter, bevor er sich abwandte. Joko war für einen kurzen Moment versucht Jan zu fragen, ob er von der Trennung wusste, doch das wäre nicht fair gewesen. Nicht kurz vor Beginn der Show.

„Hals- und Beinbruch!", rief er Jan noch zu, der dankend die Hand hob und dann von einem Mitarbeiter in Beschlag genommen wurde.

Joko atmete tief durch. Machte sich bereit für den Augenblick, in dem er Klaas gegenübertreten würde. Dass Jakob ebenfalls Teil des Teams war, hatte er nicht gewusst. Ein weiteres Zeichen dafür, dass sie in letzter Zeit viel zu wenig über die wichtigen Dinge sprachen.

Also schlenderte er durch die Gänge, begrüßte gelegentlich ein bekanntes Gesicht, wich an ihm vorbei rennenden Menschen aus und spürte, wie sein Puls langsam Fahrt aufnahm. Da hinten. In einer etwas ruhigeren Ecke saß Jakob auf einem Stuhl und blickte auf einen Stapel Zettel in seiner Hand, während Klaas vor ihm auf und ab ging. Nervös die Hände aneinander reibend, blieb er erst stehen, als auch er verkabelt wurde. Joko hielt inne und beobachtete die Szene.

Tabula RasaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt