Kapitel 10
Berlin.
Berlin war die Stadt, aus der Joko vor Jahren geflüchtet war. Vor der Wahrheit. Vor seinen Gefühlen. Vor Klaas. In sein geliebtes München. Wo er nicht erdrückt wurde. Wo er sich entfalten konnte. Wo er sich seiner Gefühle bewusst wurde. Danach war jede Reise zurück nach Berlin von neuer Vorfreude begleitet. Er hatte sich wieder auf die Stadt gefreut, aber das hatte hauptsächlich mit den Menschen zu tun.
Dieses Mal war es anders. Es war Dienstag. Zwei Tage nach der Podcast Aufzeichnung. Staffelauftakt von Wer stiehlt mir die Show. Eigentlich sein großer Tag, aber die richtige Stimmung wollte sich nicht einstellen. Joko war gestern Abend mit dem Auto angekommen und direkt ins Hotel gefahren. In letzter Sekunde hatte er umplanen müssen. Normalerweise wäre er mit dem Zug angereist, aber das Knie machte seit der wirklich dummen Fahrradsache Probleme. So war es leichter, seine Sachen ins Auto zu werfen, als sie mit sich herumschleppen zu müssen. Ärgerte ihn maßlos, war aber nicht anders möglich. Half ihm zumindest nicht ständig an Paul und den Podcast zu denken. Er gestand sich ein, dass er feige war. Richtig feige, denn das Handy hatte er seit dem Vorfall nicht mehr angerührt. Somit hatte er weder mit Klaas noch mit irgendjemand anderem gesprochen.
So kam es also, dass Joko am Dienstagmorgen auf Schmerzmitteln und mit Bandage ums Knie leicht humpelnd in die Firma kam. Seine Tasche über eine Schulter geschlungen, versuchte er ganz untypisch allen aus dem Weg zu gehen. Es war kurz nach 9 Uhr. Von Klaas wusste er, dass sie heute Morgen die neue Folge Baywatch aufnahmen. Daher war es eher unwahrscheinlich, dass er einem von diesen Dreien über den Weg lief. Am Pausenraum lief er so schnell er konnte vorbei, blickte auf den Boden und betrat schlussendlich sein Büro ohne gesehen zu werden.
Er schloss die Tür leise hinter sich und blieb einen Moment stehen. Hatte er sich jemals vor seinen Mitarbeitern gedrückt? Er fühlte sich scheiße. Er war müde. Viel Schlaf hatte er in den letzten Tagen nicht bekommen. Lange würde er diesen Zustand nicht durchhalten. Für nächste Woche war ein Dreh für Joko und Klaas gegen Prosieben geplant. Er konnte nur beten, dass es nichts körperlich anstrengendes war. Klaas war diese und nächste Woche noch mit der Tour beschäftigt. Für ihn selbst standen nur noch ein paar Meetings diese Woche an. Das sollte er hinbekommen.
Joko legte seine Tasche neben dem Schreibtisch ab und setzte sich dahinter. Die Arbeit stapelte sich. Seufzend lehnte er sich zurück und ließ seinen Blick über den Tisch schweifen. Post war eingetroffen. Verträge mussten unterschrieben werden. Er hasste den Papierkram. Jetzt noch viel mehr als sonst. Aber es half nichts. Also fuhr er den Computer hoch, richtete die Bandage und versuchte sich zu konzentrieren. Einfach durchziehen!
Immer wieder liefen Leute an seinem Büro vorbei. Er hörte Stimmen, sah die Schatten unter der Tür, aber niemand kam herein. Bis um kurz vor Mittag zwei Stimmen immer lauter wurden und seine Tür mit Schwung geöffnet wurde.
„...nicht, dass er schon da ist."
Jakob und Klaas blieben verblüfft stehen, als sie Joko hinter dem Schreibtisch sitzen sahen.
„Oder doch", sagte Jakob überrascht.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich sein Auto gesehen hab", sagte Klaas an Jakob gewandt und schob sich an ihm vorbei. „Seit wann schleichst du dich in die Firma? Keiner hat dich gesehen, als du hereingekommen bist."
Joko blickte nicht mal vom Bildschirm auf, als er antwortete: „Hab eben zu tun."
Stille.
War ihm gerade egal, wie das rüberkam. Er konnte das jetzt nicht. Fest presste er die Lippen zusammen, um seine Gefühle im Zaum zu halten. Konnte nicht mal zu Klaas rüber sehen, weil er wusste, dass es aus ihm heraus platzen würde.
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Tabula Rasa
Fanfiction*Wattys Gewinner 2022* *Amby Awards Gewinner 2023* Joko dachte, er hätte alles im Griff. Bis zu dem Tag an dem das Kartenhaus zusammen stürzt. Das Zwei alte Hasen Comeback, Klaas' Beziehung und Joko's Projekte drohen ihn aus dem Gleichgewicht zu bri...