Sobald Umbridge mit Gefolge aus dem Raum war, ließ Mattheo meinen Arm los. Er drängelte sich an mir vorbei und ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf dem zuvor noch Harry gesessen hatte. „Und was machen wir jetzt?", fragte Crabbe Draco. „Wir warten, bis sie zurückkommen. Wir müssen auf weitere Befehle warten."
„Wir müssen auf weitere Befehle warten.", äffte Mattheo ihn nach. „Hörst du dir eigentlich beim Reden zu?" Genervt verdrehte er seine Augen. „Ach halt doch die Klappe. Du weißt doch überhaupt nicht, was Loyalität ist.", warf Draco ihm vor. Mattheo drehte sich auf dem Stuhl zu ihm herum. „Ach, ist das so? Aber du schon, ja?" Wir sahen zwischen Draco und Mattheo umher. Ich warf den anderen einen bedeutungsvollen Blick zu. Luna lächelte nur, während Neville nervös auf seiner Unterlippe herum kaute.
Ron dagegen interessierte sich überhaupt nicht für das Geschehen. Er wirkte, als hätte er gerade einen echten Einfall gehabt. „Dürfen wir was essen?", fragte er die Slytherins. „Kommt schon, das könnt ihr uns nicht verbieten." Die Jungen wechselten einen kurzen Blick. „Wir haben Süßigkeiten. Wollt ihr auch was?" Die Süßigkeiten, die Ron daraufhin aus der Hosentasche kramte, erkannte ich sofort. „Gib schon her, Weasley." Draco schnappte ihm die Bonbons aus der Hand und verteilte sie an die Slytherins. Mattheo hatte schon die Hand ausgestreckt, da schüttelte ich kaum merklich meinen Kopf. Er nahm das Toffee noch entgegen, doch steckte es in die Hosentasche.
Im nächsten Moment begannen die Jungen komische Geräusche von sich zu geben. Und als ich sie mir ansah, wuchsen ihnen überall fette rote Pusteln im Gesicht. Crabbe wurde schlecht. Gerade rechtzeitig konnte Mattheo den Mülleimer unter dem Schreibtisch hervor ziehen und ihn vor den würgenden Jungen stellen, der sich im nächsten Moment bereits übergab. Angeekelt verzog ich mein Gesicht und hielt reflexartig die Luft an. Ich konnte diesen Geruch, wie jeder normale Mensch, nicht ausstehen.
Die anderen befreiten sich aus den Griffen der Slytherins. „Kommt, wir müssen uns beeilen.", übernahm Ron das Kommando. Sie hasteten aus dem Büro, doch als ich als Letzte raus wollte, stellte Mattheo sich zwischen mich und die Tür. „Du bleibst hier."
„Aber-", wollte ich mich beschweren, da hatte er mich schon unterbrochen. „Nichts aber. Du hast schon genug getan." Ich verdreht meine Augen. Na super. Dann war mein Job hier also getan? Tragisch. Ich wäre so gerne mit ihnen mitgegangen.
„Idioten.", zischte Mattheo mit einem missbilligen Blick auf Draco und co, und schob mich aus dem schrecklich pinken Büro, in welchem ich dieses Jahr viel zu viel Zeit verbracht hatte. Noch ein paar Stunden länger und ich hätte ernsthafte Aggressionsprobleme entwickelt. „Tu nicht so, als wärst du nicht auch drauf reingefallen.", erwiderte ich. „Niemals."
„Wo gehen wir hin?", fragte ich ihn verwirrt und folgte ihm. „Ich dachte, wir gehen raus. An den See. Da habe ich dieses Jahr meinen Lieblingsplatz gefunden. Ist immer so friedlich. Perfekt, um einen klaren Kopf zu bekommen.", erklärte er. „Den See?", hakte ich kritisch nach und lief ihm weiter hinterher. Nicht gerade mein Lieblingsort. Auch, wenn ich ihn ganz in Ordnung fand, mit dem richtigen Sicherheitsabstand.
Wir verließen das Schloss und liefen über die Ländereien zu dem großen, dunklen, schrecklichen See. „Komm mit." Er deutete mir den Weg vorbei an ein paar Bäumen bis unter eine große Weide. Schattig, zur Seeseite offen. „Du hattest Recht. Es ist wunderschön." Wir setzten uns auf die Wiese. „Würde ich lügen?"
„Darum geht es nicht. Ich... mag den See nicht sonderlich. Meistens halte ich den Sicherheitsabstand von 50 Metern ein. Man kann ihn ja auch von unserem Gemeinschaftsraum aus sehen.", antwortete ich, beunruhigt lachend. „Das hab ich noch nie jemandem erzählt." Mattheo musterte mich von der Seite. „Warum hast du eigentlich solche Angst vor Wasser?", fragte er mich, den Blick wieder auf den See gerichtet. „Ich habe nicht konkret Angst vor Wasser. Eher vor Seen oder Meeren." Ich ließ meinen Blick über das ruhige Gewässer schweifen. „Weißt du, mein Zweitname ist Neptun."
„Neptun?", entfloh es ihm belustigt. Ich nickte ernst. „Mutter Erde und der Meeres Gott.", lachte ich. Was eine Ironie. „Jedenfalls dachten sich ein paar Slytherins direkt an meinem ersten Tag, es wäre eine gute Idee, die Theorie zu testen, ob ich tatsächlich die Göttin des Meeres sei und haben mich ins Wasser geschubst. Und weil ich nicht schwimmen kann, dachte ich, ich würde sterben. Hagrid musste mich aus dem Wasser fischen, sonst wäre ich sicherlich ertrunken.", erklärte ich. „Mein Bruder hat mich damals im Strandurlaub, als meine Eltern mir endlich schwimmen beibringen wollten, unter Wasser festgehalten. Das er es lustig fand, wie ich fast ertrunken bin, wollte mir keiner glauben." Kleine Geschichtsstunde. „Seitdem hab ich keinen Fuß mehr in Gewässer gesetzt, in denen man ertrinken kann. Und da man überall ertrinken kann, kannst du dir vorstellen, wie schwer es war, mich waschen zu wollen. Seit dem hab ich eine Wasserphobie." Gespannt, aber schockiert hörte er mir zu. Sein Blick wurde immer mitleidiger. „Sieh mich nicht so an. Ist sowieso zu spät, um irgendwas zu unternehmen, also..." Auch die Konfrontationstherapie war gescheitert. Also war es hoffnungslos.
„Was machst du in den Sommerferien? Glaubst du, du kannst mal vorbeikommen?", wollte ich stattdessen interessiert wissen. „Ich- Ich weiß nicht. Du bist kein Slytherin. Mein Vater wird mich nicht lassen." Frustriert ließ ich meine Schultern hängen. „Das ist scheiße."
„Wohl wahr.", seufzte er. Dann sah er zu mir. Ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Aber vielleicht kann ich mich raus schleichen. Ich bin gut in sowas." Mit schief gelegtem Kopf sah ich ihn wehleidig an. „Riskier nicht dein Leben für mich. Ist schon gut. Wir sehen uns ja im September schon wieder." Ich stand auf. „Was? Das war's?", fragte er mich und sah mir hinterher. Ich drehte mich zu ihm um. „Bei deiner Familie? Ja, das war's. Denn ich komme sicher nicht zu dir." Viel, viel, viel zu gefährlich.
„Ich muss noch meine Koffer packen, also... sollte ich vielleicht gehen." Er nickte. „Sehen wir uns noch?" Gute Frage. „Wir können zusammen zum Zug laufen, wenn du willst.", schlug ich vor. „Okay."
Das Festessen am letzten Abend war mal wieder perfekt. Ich ging mit Bauchschmerzen ins Bett, wie immer, weil ich so ungerne nach Hause ging. Ich sah nur ein Licht darin, dass ich in sechs Wochen wieder hier lag. Zuhause.
Mattheo und ich liefen am Morgen zusammen zum Bahnhof, wo wir uns frühzeitig verabschiedeten. Ab da gingen wir getrennte Wege. Und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Mir war klar, ich würde ihn vermissen. Das Jahr war trotz der Umstände recht schön gewesen. Und das konnte ich beruhigt auch auf Mattheo schieben. Deshalb tat es mir leid, ihn in den Ferien nicht besuchen zu können. Aber ich freute mich schon, ihn nächstes Schuljahr wieder zu sehen. Mit einem guten Gefühl stieg ich deshalb an diesem Vormittag zu Luna in den Zug zurück nach London.
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GAIA (Mattheo Riddle FF)
FanficWenn man Wasserangst hat, springt man nicht gleich in den nächsten See, richtig? Nach einem schrecklichen Vorfall in den vergangenen Sommerferien darf Ravenclaw Gaia endlich zurück nach Hogwarts. Während sie sich kopfüber in den Schulstress schmeiß...