Bis zu den Schultern im Wasser

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Nachdem Mattheo mir letztes Jahr seinen Lieblingsplatz am See gezeigt hatte, wollte er seit Neustem, dass ich mitkam. Jeden Tag nervte er mich damit. Er war fast schon aufdringlich. Am zweiten Wochenende hatte er es geschafft, mich dazu zu überreden, mit ihm an den See zu gehen. Wobei das Wort 'gedrängt' definitiv angebrachter war. Jetzt saß ich im Schatten des großen Baumes und machte meine Hausaufgaben, während Mattheo im See schwimmen gegangen war. Obwohl wir schon Ende September hatten war es noch ungewöhnlich warm draußen. Und das sogar um diese Uhrzeit.

„Komm rein. Das Wasser ist total angenehm.", rief er mir zum Ufer zu. „Nein, danke.", lehnte ich ab. Ich wollte nicht. Das Wasser war bestimmt Eiskalt. Und wer wusste schon, was in dem See alles lebte. Das Gerücht, dass ein Riesenkrake im dunklen See sein Zuhause gefunden hatte, wurde immer noch herumerzählt. Und ich war nicht sonderlich erpicht, dass Geheimnis zu lüften.

„Komm schon.", versuchte Mattheo es erneut, doch wieder schüttelte ich meinen Kopf. „Mir geht es hier ganz gut.", antwortete ich. Doch das bewegte ihn leider dazu, aus dem Wasser zu kommen. Leider wusste er von meiner Wasserangst. Ich hatte ihm ja davon erzählen müssen... Dummerchen. Vor mir kam er zum Stehen. „Es ist wirklich schön."

„Nein wirklich, Mattheo. Ich will nicht." Ich dachte, der Unterton in meiner Stimme hätte ihm deutlich gemacht, wie ungern ich mit meinen Fußspitzen das Wasser berühren wollte. Doch heute war er sehr hartnäckig. „Ich bin doch bei dir. Dir passiert nichts.", versuchte er mich zu überreden. „Ich pass auf dich auf. Versprochen." Er streckte seine Hand nach mir aus.

Es herrschte einen Moment erwartungsvoll Stille, in welcher er mich einfach nur anstarrte, die Hand mir entgegen gehalten. Mein Fuß begann, nervös auf und ab zu wippen, bevor ich schwer seufzend seine Hand ergriff und mir aufhelfen ließ. Wieso nur war er so verdammt überzeugend? Ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. Ich verdrehte wortlos meine Augen. Er wusste genau, er würde gewinnen. Nie hätte ich nachgeben dürfen. „Warte." Er wollte schon protestieren, als er merkte, dass ich nur kurz stoppen musste, um noch schnell meine Schuhe auszuziehen.

Am Seeufer angekommen stoppte ich wieder. Ich sah auf das Wasser herunter. So nahe dran breitete sich Panik in mir aus. „Ein Schritt weiter, Gaia." Augen zu und durch. Also atmete ich tief durch und machte einen Schritt vorwärts. Meine Füße berührten das Wasser, dass sich eigentlich tatsächlich ziemlich angenehm anfühlte. Aufmunternd lächelte Mattheo mich von der Seite an. „Tief durchatmen und einen Schritt weiter gehen. Wir haben Zeit." Und so dauerte es eine Stunde und viel Zureden, aber schlussendlich war ich im Wasser. Er redete die ganze Zeit mit mir, sodass ich keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, dass er mich immer weiter ins Wasser führte.

Bis irgendwann ein Anflug von Mut über mich kam. Ich tauchte meinen Kopf unter Wasser. Ich musste meine Luft anhalten, um kein Wasser einzuatmen, das wusste ich. Ich durfte kein Wasser einatmen. Ich musste die Luft anhalten. Ich durfte nicht ertrinken. Nicht sterben. Doch ich musste Luft holen, atmete Wasser ein. Ich bekam keine Luft. Ich konnte nicht atmen. Ich-

Ich wurde aus dem Wasser gezogen. Während ich hustete, klopfte er mir auf den Rücken. „Hey, wenn du keine Luft mehr bekommst, musst du wieder hoch.", erinnerte er mich. Panisch schnappte ich nach Luft. „Keiner hält dich unten." Langsam fuhr mein Puls runter. Schwer atmend und den Tränen nahe sah ich ihn an. „Ich kann das nicht. Ich kann das einfach nicht."

„Du hast es längst geschafft, Gaia." Ich stockte. Verwunderung breitete sich in meinem Gesicht aus. „Du stehst bis zu den Schultern im Wasser. Dabei hast du gesagt, du würdest dich dem See nichtmal nähern." Er... hatte Recht. Niemand zwang mich dazu, zu tauchen. Das war überhaupt nicht nötig. Dass ich überhaupt im Wasser war, war ein Wunder. Und ich vertraute Mattheo. Er hatte versprochen, er würde aufpassen. Und das hatte er bewiesen.

Und mit dieser Realisation fielen all meine Sorgen von meinen Schultern. Den ganze Nachmittag alberten wir im Wasser rum. Es war sogar total unbeschwert. Nahezu beeindruckend. Im Nachhinein hatte ich sogar das Gefühl, dass dieser Tag einer der Besten in meinem Leben war. Ich mochte es, meine Tage mit Mattheo zu verbringen. Er war sehr angenehme Gesellschaft. Und so fiel ich an diesem Septemberabend glücklich ins Bett. Todmüde, aber glücklich. Es war so herrlich schön, wieder in Hogwarts zu sein...

GAIA  (Mattheo Riddle FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt