Sicher, dass du alleine nach Hause willst?

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Zusammen mit Mattheo und Luna teilte ich mir auf der Rückfahrt ein Abteil. Im Laufe des Jahres hatte ich es tatsächlich geschafft, ihn davon zu überzeugen, das Luna ziemlich toll war. Ein Lichtblick dieses Jahr. Deshalb durfte sie in unserem Abteil auch Asyl suchen. Ich hätte es nicht in Ordnung gefunden, sie irgendwo anders sitzen zu lassen.

Irgendwann klopfte auch Neville an unser Abteil. „Kann ich mich-" Doch als er Mattheo entdeckte, der genervt seine Augen verdrehte, setzte er zum Rückzug an. „Nein, bleib hier. Setzt dich.", schmunzelte ich. Entsetzt starrte Mattheo mich von der Seite an. Das ignorierte ich aber gekonnt. Langsam trat Neville ein und schloss die Tür hinter sich, ehe er sich Luna gegenüber neben Mattheo setzte. Kurz sah Neville etwas verängstigt zu ihm, doch auf Mattheo's gemeines Grinsen sah er schnell wieder weg. „Glotz nicht so, Longbottom." Neville senkte seinen Kopf. Nicht gerade seicht trat ich Mattheo mit meinem Fuß gegen das Schienbein. Entrüstet sah er zu mir. „Au." Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, daraufhin senkte auch er seinen Kopf. Aber das amüsierte Grinsen konnte er sich trotzdem nicht verkneifen.

Mattheo redete nicht, weil noch andere Leute im Abteil saßen. Und er lieber gar nichts sagte, als seine gute Seite zu offenbaren. Luna unterhielt sich angeregt mit Neville über diverse Heilpflanzen. Es war schön, ihnen zuzuhören. Ich genoss die weitgehend unbeschwerte Atmosphäre. Wer weiß, wie lange wir sie noch aufrecht erhalten konnten.

Ich hatte meine Füße neben Mattheo auf der Sitzbank abgelegt und blickte aus dem Fenster. Das Schloss wurde am Horizont immer kleiner und als wir die Grenzen überschritten, verschwand es vollständig vor meinen Augen. Weit und breit nur noch Bäume und Felder. Damit endete für mich endgültig mein vorletztes Schuljahr. Grässliche Vorstellung. Niemand konnte mit Gewissheit sagen, ob ich die Sommerferien überhaupt überlebte. Schwer seufzend wandte ich mich von der leeren Landschaft ab.

Mattheo hatte Gaia beobachtete, wie sie aus dem Zugfenster starrte. Der Blick auf ihrem Gesicht war ihm mittlerweile vertraut. Er grübelte, worüber sie wohl nachdachte. Sie sah besorgt aus, was sich Mattheo schnell erklären konnte. Als sie sich plötzlich aus ihren Gedanken riss und ihren müden Blick wieder von dem Fenster abwandte schenkte er ihr ein kleines Lächeln. Sie versuchte, sein Lächeln zu erwidern, doch scheiterte kläglich.

Stattdessen wanderte ihr Blick wieder aus dem Fenster. Minuten vergingen, in denen Gaia nach draußen sah, und Mattheo sie anstarrte. Er beobachtete, wie ihre Augenlieder sich schlossen, nachdem sie krampfhaft versucht hatte, wach zu bleiben. Aber Gaia hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Stundenlang hatte Mattheo sie weinen gesehen, während beide in Stille in der Großen Halle gesessen hatte.

Erst, als der Zug hielt, weckte Mattheo sie wieder auf. Luna und Neville waren längst weg. Während Gaia noch zu sich kam holte Mattheo schonmal die Koffer aus der Ablage. „Wo sind die beiden hin?", fragte sie verschlafen. „Sie sind schon gegangen. Aber ich soll dir schöne Ferien wünschen." Sie lächelte kurz. Dann stand sie seufzend auf, packte ihre Jacke und ihren Koffer und sah zu Mattheo. „Gehen wir." Wir holten noch den Rest unseres Gepäcks ab und begaben und auf den Bahnsteig.

„Schreibst du mir?", fragte ich ihn, bevor ich durch die Mauer lief und das Gleis neun Dreiviertel verließ. „Ich schreib dir. Versprochen.", antwortete Mattheo, der hinter mir aufgetaucht war. Ich nickte zufrieden und sah mich auf dem Bahnhof um. „Wo sind sie denn?", fragte ich mich selbst leise. „Sind deine Eltern noch nicht hier?"

„Nein.", antwortete ich und kramte seufzend aus meiner Hosentasche ein bisschen Kleingeld heraus. Kurz zählte ich die Münzen und durfte feststellen, dass sie wohl ausreichten für ein Zugticket. „Ich sollte beunruhigt sein, nicht?"

„Sicher, dass du alleine nach Hause willst?", fragte er mich besorgt. „Ich kann dich auch begleiten." Ich wank ab. „Ich muss nur ein paar Stationen fahren. Außerdem bin ich Zuhause nicht bedeutend sicherer als auf dem Weg dahin, von daher... Auf gut Glück." Ich setzte ein zuversichtliches Lächeln auf und sah Mattheo an. „Irgendwann werde ich sowieso sterben."

„Das ist auf so viele Weisen falsch. Zu solchen Zeiten solltest du irgendwo sein, wo man dich beschützen kann. Vor allem solltest du nicht alleine sein." Ich machte einen Schritt auf ihn zu und zog sein Gesicht zu mir herunter, damit ich ihn küssen konnte. „Süß, dass du dir solche Sorgen um mich machst.", lächelte ich. „Aber du musst mich gehen lassen. Ich bin sowieso nirgendwo sicher. In einer Woche bin ich volljährig, dann wird alles ein bisschen einfacher."

Er strich mir liebevoll eine Strähne hinters Ohr. „Pass auf dich auf, ja?" Ich nickte lächelnd. „Pass du auch auf dich auf.", richtete ich die selbe Bitte auch an ihn. Ich war ja nicht die Einzige, die potenziell in Gefahr geraten könnte. Auch er nickte. „Deal." Mein Blick blieb an der Anzeigetafel hängen. Mein Zug ging in zehn Minuten und ich musste zuvor noch ein Ticket kaufen und das Gleis wechseln. „Ich muss los, sonst verpasse ich meinen Zug." Nickend drückte ich Mattheo einen schnellen Kuss auf, ehe ich meine Tasche fester umgriff und losrannte. „Schreib mir.", rief ich noch.

Mattheo hatte nicht geschrieben. Die ganzen Ferien über hatte ich kein Sterbenswörtchen von ihm gehört. Und ich wusste nicht, was los war. Nach der offiziellen Nachricht letzten Jahres von der Rückkehr von Du-weißt-schon-wem war ich mir bei nichts mehr sicher. Es könnte alles mögliche passiert sein.

Dazu las ich im Tagespropheten jede Woche von verschwundenen Zauberern und ermordeten Muggelfamilien. Es war schrecklich. Ich bekam irgendwann das Gefühl, dass die Tode mir immer näher kamen. Jeden Tag wurde ich paranoider. Ich hatte sofort Schutzzauber um unser Haus gesetzt, als ich volljährig wurde und die Spur nicht mehr auf mir trug. Zaubern außerhalb von Hogwarts... Fühlte sich ziemlich komisch an. Aber es beruhigte mich ein kleines Bisschen. Jetzt war ich wenigstens nichtmehr vollends schutzlos.

Die letzte schreckliche Nachricht, die ich erhielt, bevor die Sommerferien endeten, war der Tod meiner Lehrerin für Muggelkunde. Ermordet von Du-weißt-schon-wem persönlich. Geweint hatte ich, als ich davon erfahren hatte.

GAIA  (Mattheo Riddle FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt