Ich hatte während meiner Schwangerschaft trotz aller Umstände gehofft, dass ich irgendwo in dem Menschen, der in mir wuchs, Gutes sehen konnte. Es war schließlich auch mein Kind, nicht nur der Abkömmling meines Entführers. Nur dass ich mich leider ebenso verabscheute wie alles andere in diesem Haus. Und als ich mein Kind das erste Mal in den Armen hielt, blickte mir ein Bündel Fleisch entgegen, dass mir genauso viele Schmerzen bereitet hatte wie sein Vater. Dieser Hass ließ mich nicht los. Meine sowieso schon kurzen Nächte wurden unterbrochen von Geschrei und Gestank. Alles an meinem Körper tat weh. Ich musste mit der Neuen gehirntoten Sklavin meines Entführers das Zimmer teilen, wofür ich fast dankbar war, denn sie übernahm das Kind viel öfter als ich es leisten könnte. Das Problem war, dass sie sie mochte. Er hatte es hinbekommen, dass sie ihn verehrte, und das tat sie von ganzem Herzen. Sie sprach nur von ihm, und immer nur die gleichen ehrfürchtigen Sätze.
Ich war gerade oben, als es an der Tür klingelte. Das passierte so gut wie nie, und ich war froh, nicht in Sichtweite zu sein. Das letzte Mal war ich unvorbereitet und wurde vom Monster in Hannas Zimmer gesperrt, bevor ich reagieren konnte. Jetzt lauschte ich und hörte Stimmen, konnte aber nichts verstehen. Ich traute mich nicht, ein Geräusch zu machen, aus Angst seinen Zorn auf mich zu ziehen. Er wurde lauter und ich konnte einzelne Worte verstehen. Mit wem stritt man sich an der Tür? Dann rumpelte irgendwas und er fing an zu schreien. Es war das wütende Schreien, dass bedeutete, dass ich wieder wochenlang bei jeder Bewegung spürte, dass ich ihn verärgert hatte. Ich zittere. Irgendwer würde den Zorn zu spüren bekommen, und so sehr ich mich dafür hasste, hoffte ich, dass es jemand anderes treffen würde. Das Monster hörte für einen Moment auf zu schreien und ich konnte Schritte hören. Viele Schritte, und das verwirrte mich. Das passte überhaupt nicht ins Bild. Aber dann fing er wieder an zu schreien. Jetzt hörte ich auf einmal Schritte im Flur, und ich bekam Angst. Es konnte nicht das Monster sein, die Schreie kamen immer noch von unten, aber die Person konnte niemand sein, dem ich Vertrauen schenken konnte. Vielleicht ein unzufriedener Kunde, der jetzt Geld oder Ware wollte. Ich fiel in die Kategorie Ware und hoffte nicht auf sanfte Behandlung. Ich schlich so leise wie möglich Richtung Bett und versteckte mich darunter. Keine Sekunde zu früh, denn gerade als ich den Kopf zur Tür drehte, wurde sie aufgestoßen. Schwarze Schuhe und dunkle Hosenbeine standen breitbeinig davor. Eine Stimme forderte mich dazu auf, mich zu zeigen, er wolle mir helfen. Aber er wusste nicht, dass ich hier war. Ich hielt den Atem an. Ich wollte nicht. dass er mich finden konnte. Egal wie furchtbar es hier war, ich wollte nicht in einer Woche tot sein. Und ich befürchtete, dass das bei diesen Schuhen durchaus möglich war. Sie setzten sich in Bewegung und ich verlor sie aus dem Blick, konnte die Person jetzt aber die Schränke öffnen hören. Jede einzelne stieß er schwungvoll auf. Aber er schien nichts zu finden, zumindest nicht das, was er zu finden hoffte. Die Schritte waren mittlerweile hinter mir und es klimperte. Ein weiteres Geräusch, das mir nur allzu vertraut war, die Handschellen, die mich bis vor wenige Wochen jede Nacht an das Bett ketteten. Ich hielt den Atem an. Wann, wenn nicht jetzt würde der Mann unter dem Bett nachgucken? Aber ich hörte ihn nur murmeln und hörte und sah ihn schließlich das Zimmer verlassen. Die Tür ließ er auf. Ich versuchte wieder zu lauschen, was unten vor sich ging, was deutlich leichter war, nun, da die Tür auf war. Ich konnte Stimmen verstehen, und eine von ihnen schien Lyra zu gehören. Sie redete davon, wie gut und freundlich das Monster war. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Egal wer das unten war, wollte nicht hören, wie gütig er war. Und diesen Typen wollte ich nicht gegen den Kram gehen. Doch dann hörte ich Lyra meinen Namen sagen, und dass ich oben sei und putzte. Und damit war mein Untergang besiedelt. Ich wollte Lyra hassen, aber ich wusste, dass sie nichts dafürkonnte. Sie wusste es nicht besser. Sie wusste gar nichts, was ihr das Monster nicht eingetrichtert hatte. Und schon hörte ich noch mehr Schritte die Treppe hochpoltern. Sie würden mich finden, denn es war nicht nochmal jemand so blöd, nicht unter dem Bett zu schauen. Sollte ich aufgeben? Dann würde ich mir immerhin den Kopf nicht mehr an der Bettkante aufschlagen, wenn sie mich unter dem Bett rausziehen würden. Doch bevor ich einen Entschluss gefasst hatte, kamen sie in das Zimmer, jetzt waren es zwei. Sie versicherten mir, es wäre sicher, sie würden nur helfen wollen. Ich war wie erstarrt. Ich wollte nicht, dass sie mich fanden. Das Monster konnte ich einschätzen. Ich konnte mich nicht neu einstellen, ich konnte nicht mal lange genug aufrecht stehen, ich war immer noch geschwächt. Ich würde ihnen nicht genügen. Wenn sie mich fänden, wäre das mein Todesurteil. Was würde dann mit meinem Sohn geschehen. In dem Moment hörte ich sie sagen, dass etwas unterm Bett sei. Prompt starrte ich in ein schwarz maskiertes Gesicht. Er klappte ganz langsam sein Visier hoch. Ich konnte sein Gesicht trotzdem nicht erkennen, weil es im Schatten lag. Er sprach ruhig mit mir, sehr sanft, aber in meinen Ohren rauschte es. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Das war einer der Typen, die mich töten werden, wenn ich nicht genau das machen würde, was sie mir sagten. Es war wichtig, dass ich alles mitbekam. Aber ich konnte nichts verstehen. Er streckte die Hand aus und schien zu warten, dass ich ihn mir helfen lassen würde, aus meinem Versteck zu kommen. Alles war mir lieber, als diese Hand zu ergreifen und den Anfang vom Ende einzuleiten. Und trotzdem bewegte ich mich langsam und zitternd auf ihn zu. Was blieb mir auch anderes übrig. Als ich erstaunlich behutsam unter dem Bett hervorgezogen wurde, hielt ich den Blick starr auf den Boden gerichtet. Ich konnte es nicht riskieren, sie zu reizen. Ich verstand sie immer noch nicht, und ich bekam immer mehr Panik, wenn ich nicht alles mitbekam, würden mir absolut wichtige Informationen für später fehlen. Aber das Rauschen wurde nur noch lauter. Meine Augen brannten und ich musste schlucken. Das konnte jetzt nicht auch noch passieren. Ich hatte so viel aushalten müssen. Ich hatte ein Kind geboren. Musste ich jetzt wirklich sterben, nur weil meine Ohren nicht funktionierten? Der Mann, der in der Ecke gestanden hatte, machte einen Schritt auf mich zu und ich brachte alle Selbstbeherrschung auf, die noch in mir war, nicht wegzurennen. Mir fiel aber auf, dass seine Hose und die Schuhe die gleichen wie von dem anderen waren. Das hieß nichts Gutes, eine Uniform oder so hieß Gang, da hatte ich keine Chance auf Überleben. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Ich musste mein Bestes geben. Und tatsächlich verstand ich die ersten Worte, allerdings hätte ich auch genauso gut wieder nichts verstehen können, weil sie mich anlogen. Alles sei gut. Sehr witzig. Sie würden mir helfen wollen. Nicht mit mir, ich war nicht blöd. Trotzdem nickte ich gehorsam und folgte ihnen aus dem Zimmer. Als sie vor mir die Treppe runtergingen spielte ich kurz mit dem Gedanken umzukehren und mich zu verstecken, die Idee war aber so dämlich, dass ich fast lachen musste. Ich würde nicht mal drei Schritte schaffen, ohne dass sie mir das Genick brächen. Ich hob aus Versehen den Blick und stellte plötzlich fest, dass auf den Rücken der Männer etwas stand. Ich konnte nur ein ‚P' entziffern, bevor ich erschrocken den Blick senkte. Welche Worte fingen mit P an, die auf einer Uniform einer Gang stehen könnten? Ich verfluchte einmal mehr, dass ich seit Jahren nicht mehr dazu gekommen war zu lesen. Ich wagte einen weiteren Blick und las vorsichtig die nächsten Buchstaben, bis ich angewurzelt stehen blieb. Wo hatten die Gangmitglieder Jacken von der Polizei geklaut?
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Einseitige Liebe
De TodoEin kranker Typ entführt Kinder und verkauft die weiter. Das ist ein wenig krank. Viel Spaß beim Lesen.