Ein schicksalhaftes Aufeinandertreffen

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Ganz reiner, weißer Schnee rieselt vom Himmel herab und begräbt das Land unter einer unendlichen, weißen Decke. Es ist kalt. Aurora rückt näher an das Feuer heran und versucht sich daran zu wärmen. Der Eintopf brodelt über dem brennenden Holz in einem Kessel und ist an diesem Abend der einzige Lichtblick für Aurora. Sie ist allein, hilflos und hat alle Hoffnung schon vor langer Zeit aufgegeben. Endlich ist ihr Essen fertig und sie schöpft es eilig in ihre Schale. Hungrig, schlingt sie den heißen Eintopf in sich hinein, doch auf einmal hält sie inne. „Was zum...?" Die Flüssigkeit in ihrem Essen hat sich in Schwingungen versetzt. Gleichmäßig, fließt sie in kleine Ringe nach außen zur Schale, während sie immer größer wurden und am Rand schließlich verschwinden. Nun fühlt Aurora ein leichtes vibrieren, das sich langsam in ein Beben verwandelt. Und schließlich entdeckt sie ihn. „...Oh nein...bitte nicht..." Ein Titan nähert sich ihr mit schweren Schritten. „Bitte...bitte...nicht..." Er ist mit Sicherheit fünfzehn Meter groß, hat schneeweißes Haar und einen Panzer, so hart wie Stein. Aurora hat Geschichten über ihn gehört. Die Menschen nennen ihn einfach 'den Gepanzerten'. Seine Rüstung soll zehnmal härter als Stein sein und kann von so gut wie nichts beschädigt werden. Aurora treten die Tränen in die Augen. Sie ist starr vor Angst, zittert stark und kann kaum ihre Schale noch in der Hand halten. Ihr langes, geschmeidiges, schwarzes Haar wirkt in diesem Moment stumpf und glanzlos. Selbst als ihre Tränen zu Eis gefrieren wollen, kann sie sich nicht rühren.


Sie weiß, dass sie in wenigen Sekunden sterben wird. Er ist ganz nah. Aurora kann es vor ihrem inneren Auge sehen. Wie der Gepanzerte sie gleich packen wird, sie sich in sein klaffendes Maul steckt und sie schreiend seinen Hals hinunter rutscht und qualvoll in seinem Magen zersetzt wird. Sie will weglaufen, schreien, alles stehen und liegen lassen. Doch noch immer ist sie unfähig, sich zu bewegen. Ihr Körper ist vor Angst gelähmt und gehorcht ihr nicht mehr. In fünf Sekunden wird er sie erreicht haben. Und seltsamerweise entweicht ihr ein trauriges Lächeln. „Ich habe ohnehin schon alles verloren...vielleicht...vielleicht habe ich Glück, und er beißt mir vorher den Kopf ab, damit ich nicht leiden muss." Aurora schließt die Augen und akzeptiert ihr Schicksal. Sie hofft einfach, dass es schnell geht und sie keine Qualen erdulden muss. Der letzte, schwere Schritt. Und auf einmal hört sie ein lautes, dumpfes Geräusch. „...Was...?" Aurora öffnet voller Angst die Augen wieder und...glaubt nicht, was sie da sah. Der Gepanzerte hat sich hingesetzt, rührt sich nicht mehr und starrt sie unentwegt an. In Zeitlupe, fällt ihr der Kiefer herunter und sie lässt den Löffel fallen. >>Ich verstehe das nicht...warum frisst er mich nicht?<<, denkt sie sich. Der Gepanzerte Titan sitzt einfach nur da und starrt sie ruhig an. Und Aurora kann nichts anderes tun, außer den fünfzehn Meter Titan ebenfalls anzustarren. Die beiden halten einen langen Moment Augenkontakt. Doch dann bemerkt sie eine leichte, kaum sichtbare Bewegung aus seinen hellen, leuchteten Augen. Sein starrer Blick ist nun auf den Kessel gerichtet, in dem noch immer der Eintopf vor sich her brodelt. Nach einem langen Moment des Zögerns, scheint Aurora ihre Stimme wieder zu finden. „...Willst du...vielleicht auch was...?" Keine Reaktion. Ein kurzer Moment vergeht.

Doch dann schnellt sein Arm nach vorne und sie kann einen angstvollen Aufschrei nicht unterdrücken. Doch umso erleichterter ist Aurora, als er nur den Kessel und nicht sie umfasst. Der Panzertitan öffnet sein klaffendes Maul und entblößt Zähne, die zusammen mit seinem Kiefer selbst die härtesten Knochen brechen können. Er schüttet sich den Inhalt des Kessels hinein und stellt das Gefäß wieder hin. Der Eintopf, der für ihn nicht mehr als ein Schluck Wasser gewesen sein muss, stellt ihn wohl zufrieden. Denn nur einen Augenblick später, legt er sich hin und macht auf einmal einen schläfrigen Eindruck. Und erst jetzt fällt Aurora auf, dass an der Stelle wo er sich befindet, der Schnee geschmolzen ist. Denn selbst sie weiß, dass Titanen eine hohe Körpertemperatur haben. Plötzlich lächelt Aurora einmal und ihre Angst scheint langsam nachzulassen. Sie weiß nicht wieso er lieber den Eintopf, statt sie gefressen hat. Doch diese Tatsache, entspannt sie ein wenig. Gleich nachdem sie wieder angefangen hat, ihr nun fast kaltes Essen zu verzehren, kommt ihr ein sehr interessanter Gedanke. >>Moment...<<, denkt sie sich. >>Der Gepanzerte hat sich erst den Eintopf genommen, nachdem ich ihm diesen angeboten habe. Das bedeutet doch, dass er Intelligenz besitzt und mich verstanden hat.<< Aurora ist sich unsicher, ob sie über diese neue Erkenntnis glücklich sein soll oder nicht. Dennoch hofft sie einfach, dass der Gepanzerte einfach weiterziehen und sie in Ruhe lassen würde.

Nachdem sie ihren Eintopf gegessen hat, stellt sie die leere Schale einfach zur Seite und legt ihren letzten Holzscheit ins Feuer. Aurora zieht ihre lumpige Decke enger an sich. Das wird eine harte Nacht werden. Der eisige Atem des Winters kriecht in ihre Knochen. Wenn sie einschläft, besteht die Gefahr, dass sie erfriert. Daher klappern auch ihre Zähne, während ihr Körper gegen die durchbohrende Kälte ankämpft. Da öffnet der Panzertitan ein Auge und richtet seinen Blick auf sie. Und dann streckt er den Arm erneut aus, doch diesmal packt er Aurora wirklich. Ein plötzlicher Schrei der Verzweiflung dringt aus ihrer Kehle, während sie hilflos zwischen seinen Fingern zappelt. „Nein...bitte nicht..." Sie kommt seinem Kopf gefährlich nahe und wieder treten ihr die Tränen in die Augen. Doch auch diesmal ist sie überrascht, als sie statt in seinem Magen, auf seiner Halsbeuge landet. „...Was...? Du....?" Sofort breitet sich eine angenehme Wärme in ihr aus. Vor lauter Erschöpfung und Müdigkeit, dauert es nicht lange bis ihr Widerstand bricht und sie sich auf ihm zusammenrollt. „Du bist so schön warm...", nuschelt sie leise. Er fühlt sich an wie ein Stein, der sich in der Sonne aufgeheizt hat. Aurora kann sich wirklich nicht erklären, warum er kein Interesse daran zeigt, sie zu fressen. Und genauso versteht sie nicht, warum er sie mit seinem Körper wärmt. Vielleicht ist das auch seine Art, sich bei ihr zu revanchieren, da sie ihren Eintopf mit ihm geteilt hat. Schon nach wenigen Minuten hat sie beinahe vergessen, dass sie auf einem Titanen liegt. Die enorme Erschöpfung zerrt an ihren letzten Kräften und die Müdigkeit lässt sie alles um sich herum vergessen und schickt sie schließlich ins Land der Träume.

Mein großer Freund, der PanzertitanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt