Vollmond. Das helle Licht des Himmelskörpers taucht das schneebedeckte Land in seinen mystischen Glanz und lässt es wie eine magische Märchenwelt aussehen. Reiner hat sich unter einen großen, alten Baum gesetzt und lauscht den vertrauten Geräuschen der Nacht. Aurora hingegen, hat es sich auf seinem Fußrücken bequem gemacht, missbraucht sein Schienbein als Rückenlehne und kaut nachdenklich auf einem Stück Trockenfleisch herum. Dabei genießt sie sichtlich die angenehme Wärme, die sein riesiger Körper abstrahlt und ihren Rücken wohlig wärmt. „Du bist heute sehr still." Sie nimmt noch einen weiteren Bissen und packt das Trockenfleisch dann zurück in ihren Rucksack. Ihr treuer Weggefährte sieht ganz schön mitgenommen aus. Lange wird es das alte Ding wohl nicht mehr mitmachen. Nun legt sie den Kopf in den Nacken und sieht zu ihm empor. „Dich scheint etwas zu beunruhigen. Was ist denn los?" Mit dieser Theorie scheint Aurora nicht einmal falsch zu liegen. Denn tatsächlich scheint Reiner irgendetwas nervös zu machen. Seine innere Anspannung ist dabei, sich langsam auf sie zu übertragen. Aurora geht eine immense Gänsehaut auf und ein unnatürlicher Kälteschauer kriecht ihr ekelerregend über den Rücken. Langsam lässt der Gepanzerte seine hellen Augen durch die Dunkelheit wandern. Er spürt, dass sie beobachtet werden. Nun gleitet sein Blick in die andere Richtung. Es sind mindestens sieben. Vielleicht sind es auch acht oder sogar noch mehr. Kampf oder Flucht. Mehr Optionen hat Reiner nicht.
Nun klappt er die Panzerung seines Kiefers nach unten und knirscht angespannt mit den Zähnen. Normal würde er sich immer für den Kampf entscheiden. Doch in dieser ungünstigen Situation, bleibt ihm nur die Flucht. Ohne Vorwarnung, packt er Aurora etwas grober als gewollt und zischt wie ein geölter Blitz davon. Und dann wie auf ein stilles Kommando, preschen ein Dutzend Titanen aus ihren Verstecken hervor und nehmen mit wahnsinniger Geschwindigkeit die Verfolgung des Gepanzerten auf. Aurora entweicht ein lauter Schreckensschrei. Sie zieht hastig frische Luft in ihre Lungen und kann nun einen Blick auf ihre gefräßigen Feinde werfen. „Das ist unmöglich! Wo kommen die denn auf einmal her? Und das in der Nacht." Selbst sie weiß, dass Titanen zu dieser unmenschlichen Stunde tief und fest schlafen sollten. Da fällt ihr Blick gen Himmel und sie betrachtet das helle Mondlicht. Anscheinend reicht es in dieser hellen Nacht aus, dass die gigantischen Nimmersatte aktiv sein können. Plötzlich lösen sich vier der Titanen aus der Gruppe und schlagen eine andere Richtung ein. Aurora steht der Angstschweiß auf der Stirn, während sie noch immer in Reiners Umklammerung feststeckt. Völlig hilflos, kann sie nur darauf hoffen, dass ihr großer Freund stark genug ist, um dieser ausweglosen Situation zu entkommen. Völlig unerwartet, stellen sich ihm die vier Riesen in den Weg. Der Gepanzerte kann dem nicht mehr ausweichen und rast ihnen mit vorgestreckter Schulter entgegen. Beim aufkommenden Zusammenstoß, fegt er sie wie Bowlingpins aus dem Weg. Doch Reiner hat zu spät bemerkt, dass diese Titanen ihn nicht aufhalten, sondern ausbremsen wollen. Ein auf allen vieren krabbelnder Titan nutzt seine Chance und springt ihm von hinten auf den Rücken, um ihn schwerfällig zu Boden zu reißen.
Beide hinterlassen beim Sturz ihre Spuren im Schnee, während der Panzertitan seine kleine Freundin aus den Händen verliert. Aurora gibt einen Klagelaut von sich, überschlägt sich ein paarmal auf dem kalten Boden und versucht benommen wieder aufzustehen. Sofort wollen diese ausgehungerten Monster sich auf ihre Beute stürzen. Während sich zwei darum streiten und sich gegenseitig eine Schelle nach der anderen geben, freut sich ein dritter umso mehr. Er reißt sein stinkendes Maul weit auf und will die schreiende Aurora inklusive dem noch übrigen Schnee verschlingen. Völlig erstarrt, kann sie nur in den aufkommenden Schlund starren. Kurz bevor die gewaltigen Kiefer sie erreicht haben, verpasst Reiner ihm einen schmerzhaften Aufwärtskinnhaken, sodass nicht nur der Knochen bricht, sondern es ihm gänzlich den Kopf abreißt. Kraftlos fällt der enthauptete Titan zur Seite und ist für mindestens zwei Minuten außer Gefecht gesetzt. Doch dafür stürzen sich zwei andere direkt auf sie. Aurora spürt, wie sie von einer übergroßen Hand umfasst wird. Die plötzliche Wucht, drückt ihr die Luft aus den Lungen und ihr wird für einen Moment schwarz vor den Augen. Dann kommt auch schon der warme Atemzug. Als ihre Sicht wieder zurückkehrt, kann sie nur noch einen sich schließenden Kiefer sehen und es wird stockdunkel. Aurora verliert den Halt und rutscht an einer glitschigen Oberfläche aus. Mit letzter Verzweiflung, versucht sie sich ans Leben zu klammern und doch noch irgendwo Halt zu finden. Doch jetzt ist es vorbei. Gleich wird sie sterben. Mit einem letzten weinerlichen Aufschrei, rutscht sie schon die Speiseröhre des Monsters herunter.
Doch auf einmal wird sie wieder nach oben gewürgt. Das klaffende Maul wird für einen Moment geöffnet und ihr weht ein Hauch an frischer Luft entgegen. Nun hebt sich die riesige Zunge des Titanen an. Er sorgt dafür, dass Aurora in den entstandenen Hohlraum fällt und drückt sie mit seiner Zunge fest gegen den Unterkiefer. Die ständigen Bewegungen und diese heiße Umgebung sorgen dafür, dass ihr schlecht wird. Wenn sie genau darüber nachdenkt, hat dieser Titan alles daran gesetzt, um den Schluckreflex zu unterdrücken. Zuerst hat sie sich gegen die kräftige Zunge gewehrt. Und obwohl sie nicht gesehen hat, wer sie verschlungen hat, weiß sie nun mit Sicherheit, dass sie sich in Reiners Kiefer befindet. Jeder andere Titan hätte sie auf der Stelle aufgefressen. Doch nicht dieser. Er hat alles daran gesetzt, um sie vor den anderen zu beschützen. Wenn er sie in seinem Maul in Sicherheit weiß, hat er beide Hände frei, um zu kämpfen. Und genau aus diesem Grund entscheidet sie sich dazu, ihm zu vertrauen. Ja. Aurora vertraut ihm und hört auf, sich gegen seine glibbrige Zunge zu wehren. Dumpf kann sie den Lärm außerhalb ihrer sicheren Höhle hören. Doch auch Reiner weiß, dass sie die Hitze unter seiner Zunge nicht ewig durchhalten wird. Erneut stürzen sich zwei Titanen auf ihn und wollen ihrem Artgenossen das Essen streitig machen. In einem aufkommenden Wutanfall, wirft er die beiden ab und zerquetscht ihnen die Kehlköpfe.
Er muss von hier weg und zwar sofort. Der Gepanzerte richtet sich wieder auf und flüchtet zwischen zwei kleinere Titanen hindurch, die er einfach umrennt. Von der Fressgier geleitet, sprinten sie ihm sofort hinterher und holen ihn auch relativ schnell ein. Reiner hat keine andere Wahl mehr. Er opfert den Panzer an den Beinen und wirft ihn ab. Dadurch hat er eine größere Bewegungsfreiheit und kann an Tempo zulegen. Aurora, die sich noch immer in seinem Maul befindet, wird das nicht mehr lange durchhalten. Ohne auch nur einen Moment zu zögern, stürmt Reiner auf eine Schlucht zu. Absolut größenwahnsinnig, setzt er zum Sprung an und stürzt sich in die aufkommende Tiefe. An seinen Händen und Füßen bilden sich scharfe Metallklauen, die er in das Felsgestein rammt. Ein paar Meter rutscht er noch in die Tiefe, ehe er anfängt die Felswand nach oben zu klettern. Allerdings ist er dann doch ziemlich erstaunt, dass einer der Titanen doch tatsächlich so dumm ist und ihm kopflos hinterher springt. Natürlich verfehlt er den Panzertitan und stürzt ungebremst in die Dunkelheit. Mit letzten Kräften, klettert er nach oben auf die andere Seite der Schlucht und kann das laute kreischen seiner Verfolger hören. Reiner hat es geschafft! Er ist ihnen tatsächlich entkommen. Nun öffnet der Gepanzerte sein Maul, um die völlig erschöpfte Aurora aus seinem überhitzten Kiefer zu ziehen. Von Schleim und Speichel bedeckt, hustet sie erst einmal kräftig und ist dankbar für die frische, kühle Nachtluft. „Reiner..." Sie hustet nochmal und wischt sich den Titanensabber aus dem Gesicht. „...Mach das nie wieder..." Ihre schwarzen Haare sind total mit Sabber überzogen und sie muss einfach furchtbar aussehen. Nun lenkt sie ihren Blick zu der anderen Seite herüber und sieht dort die verärgerten Wüteriche, die noch immer nach einer Möglichkeit suchen, sie doch noch erreichen zu können. „Verdammt. Ich wäre fast gefressen worden. Ich muss mich bei dir bedanken, immerhin hast du mir den Allerwertesten gerettet." Ein weiteres mal wischt sie sich seinen Sabber aus dem Gesicht. „Ich weiß echt nicht warum du mich um jeden Preis beschützen willst. Aber wirklich..." Sie schenkt ihm ein ehrliches Lächeln. „Danke...ich bin dir einen Riesengefallen schuldig." Da grinst Reiner auf einmal zufrieden und macht sich auf die Suche, um für seine kleine Freundin eine Waschmöglichkeit zu finden.
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Mein großer Freund, der Panzertitan
FanficDas Schicksal hat es nicht gut mit ihr gemeint. Doch hat sie einen gigantischen Freund, der zu ihr hält. Aurora ist eine gewöhnliche Frau mit einem schweren Leben. Verstoßen und verbannt, ist es ein Wunder, dass sie noch nicht gefressen wurde. An ei...