Aurora bekommt rote Wangen und beißt herzhaft in einen gegrillten Fisch hinein. „Ist das lecker, ich könnte weinen." Zuerst ist sie sehr verunsichert gewesen, da Reiner so plötzlich die Richtung geändert hat. Doch umso erstaunter ist sie dann, nachdem er einen See angesteuert, die Eisplatte zerschlagen, und geschickt ein paar Fische gefangen hat. Sie sitzt auf seinem Bein und nagt glücklich das saftige Fleisch von den Fischgräten. Manchmal zieht sie sich einen von den kleinen Knochen aus dem Mund. Doch stören tut sie das überhaupt nicht. Ohne ihren großen Freund würde sie an diesem kalten Abend jetzt nicht so schlemmen. Bis jetzt hat sich Aurora meist über Diebstähle und Arbeit über Wasser gehalten. „Der große müsste jetzt fertig sein. Das ist deiner." Der Gepanzerte legt den Kopf schief und schaut sie argwöhnisch an. „Was schaust du denn so? Du hast die Fische gefangen, also solltest du auch einen essen." Sie grinst von Ohr zu Ohr und nimmt sich noch einen der kleineren Fische. Ungeschickt klettert sie wieder auf sein Bein hoch und nagt auch diesem das Fleisch ab. Schließlich gibt Reiner nach und schnappt sich den größten aller Fische, um ihn gekonnt mit den Zähnen vom Holzstock zu ziehen und in einem Stück zu verschlingen. „Bei dir könnte man wirklich sagen: Nein, der beißt nicht. Der schluckt im Ganzen." Aurora lacht einmal und sinkt dann gesättigt auf seinem warmen Körper zusammen. „So voll ist mein Bauch wirklich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gewesen. Ich bin dir echt was schuldig, Reiner."
Sie schließt die Augen und gähnt einmal wohlwollend. Schon bald ist sie dann eingeschlafen und der Panzertitan sieht sehr zufrieden aus. Vorsichtig packt er sie am Oberteil und legt sie wieder auf seinen Hals, wo sie sich in einer der Panzerplatten einrollen kann. Am nächsten Morgen wird Aurora von dumpfen Geräuschen und gleichmäßigen Bewegungen geweckt. Sie reibt sich müde die Augen und linst dann einmal unter der Panzerkuhle hervor. „Morgen...du bist ja schon unterwegs." Nun gähnt sie einmal und streckt sich kräftig. „Brr...ist das kalt, wenn man da raus kommt." Sie wickelt sich ihre Decke aus dem Rucksack um und setzt sich wieder auf seine Schulter. Auf einmal werden ihre Augen ganz groß. „Da ist eine Mauer, also hast du bewusst die Stadt angesteuert?" Aurora muss bitter auflachen. Sie wird aus ihm wirklich nicht schlau. „Kannst du mich hier bitte runter lassen?" Er bleibt stehen und sieht sich verstohlen um, bevor er sie auf die Hand nimmt und sanft auf dem Boden absetzt. Nun geht er auf ein Knie herunter und sieht sie an, als ob er eine Erklärung erwartet. „Tut mir wirklich Leid, Reiner. Aber ich kann dich nicht mit in die Stadt nehmen. Es gibt in dieser Gegend zwar nicht mehr so viele Titanen wie früher, aber die Menschen haben noch immer Angst." Sein unglücklicher Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte. „Sei bitte nicht sauer..." Sie legt beide Hände an seinen Kiefer. „Ich bin in zwei oder drei Stunden wieder da. Warte hier einfach auf mich, in Ordnung?" Obwohl er nicht gerade damit einverstanden ist, nickt er schließlich. Dennoch wirft er seinen scharfsichtigen Blick über die Ebene, ob sich nicht doch irgendwo ein Titan versteckt und auf seine Chance wartet. Immerhin werden diese hinterlistigen Monster von purer Fressgier geleitet. In dieser Hinsicht wundert es Aurora sowieso, dass ihr neuer, großer Freund keinen Appetit auf sie hat.
„Also, ich geh dann mal." Sie bindet sich die Haare zusammen und versteckt sie unter einem Kopftuch. „Bis später." Sie wendet sich ab und nähert sich der Mauer. Am Falltor angekommen, kauft sie sich eine Lizenz für eine kleine Gebühr. Aurora muss sich das wenige Geld wo sie noch von früheren Arbeiten hat gut einteilen. Sie ist nervös, versucht aber sich das nicht anmerken zu lassen. Stattdessen sucht sie ein paar Händler auf, die frisches und knackiges Wintergemüse verkaufen. Geduldig, schaut sie sich verschiedene Kohl und Spargelsorten an. Immer darauf bedacht ihr schwarzes Haar unter dem Kopftuch zu verbergen. Nachdem Aurora das Gemüse gekauft hat, traut sie sich zu einem Händler mit Fleisch. Allerdings ist das unglaublich teuer, weshalb sie sich davon nicht einmal einen kleinen Bissen leisten kann. Vielleicht noch ein bisschen Käse und ein paar Eier, dann wird sie zu Reiner zurückgehen. Doch plötzlich rempelt sie Jemand an, der es nicht einmal für nötig hält sich bei ihr zu entschuldigen. Dazu kommt noch, dass das Kopftuch von Aurora verrutscht ist und ein paar schwarze Haarsträhnen hervorgetreten sind. Auf einmal lächelt der Fleischhändler sie freundlich an. „Ich weiß, dass das Fleisch sehr teuer ist, junge Dame." Auf einmal verändert sich der Blick des Mannes. „Allerdings werde ich für dich einen guten Preis bekommen." Ohne Vorwarnung, wird sie am Handgelenk gepackt und er versucht sie hinter sich her zu zerren. Aurora lässt einen Schrei los und verliert das Gemüse dabei. „Schwarzhaarige Frauen sind fast ausgestorben und erzielen einen sehr guten Preis auf dem Sklavenmarkt." Sekunden später, werden auch andere aufmerksam und selbst unter Menschen entbrennt ein Streit. Jeder will die Beute haben und erneut lässt Aurora einen lauten Schrei los. „FASST MICH NICHT AN!"
Reiner hebt den Kopf und richtet seinen Blick zu der Mauer. Er hat ein kleines Nickerchen gemacht, während ein Vogel auf seiner Schulter sich das Gefieder geputzt hat und nun davon fliegt. Der gepanzerte Titan richtet sich nun auf und fixiert das Falltor der Mauer. Derweil wird Aurora weiter von zwei Männern an beiden Handgelenken mitgezerrt. Sie schreit, weint und beißt ihnen in die Hände. „Du Miststück! Hör auf dich zu wehren, sonst werde ich dich..." Auf einmal verstummt er. Plötzlich fängt die Erde an zu beben, während der aktuelle Wachposten heftig gegen die Alarmglocke schlägt. „Titanenangriff!" Nun spürt auch Aurora die Vibrationen unter ihren Füßen. Kanonenschüsse fallen und knallen laut durch die Gegend. „Sie prallen an ihm ab! Die Kanonen sind absolut wirkungslos", kreischt ein Gardist. Auf einmal lässt der Mann sie los. „Was zum..." Die schweren Schritte werden immer lauter. „Was ist das?" In wenigen Sekunden, bricht in dem Stadtteil eine Massenpanik aus. „Evakuiert die Bevölkerung! Er wird durchbrechen!" Reiner hat genug Anlauf genommen, um das dicke Falltor zu zerstören. Trümmer fliegen umher, begraben alles mögliche unter sich und die Massenpanik erreicht ihren Höhepunkt. Der Panzertitan stößt ein wütendes Gebrüll aus und sucht mit den Augen nach seiner kleinen Freundin. Endlich schafft es Aurora sich auch vom zweiten loszureißen und prallt ein paarmal mit anderen Menschen zusammen.
Endlich hat er sie gefunden und geht mit großen, schweren Schritten auf sie zu. „Lauf weg, du dumme Nuss. Er wird dich fressen", jault der Händler, der sich inzwischen vor Angst eingenässt hat. Doch Aurora macht keine Anstalten, sich auch nur einen Schritt wegzubewegen. Als Reiner sie erreicht hat, geht er auf ein Knie herunter, sodass sie sein Gesicht berühren kann. „...Was...?" Da versteht der Mann die Welt nicht mehr. Ein paar mutige, Schaulustige haben sich angesammelt und sehen dabei zu, wie Aurora in aller Ruhe das Gemüse wieder einsammelt. Nun fällt ihr Blick auf den nun feigen Kerl und entscheidet sich dazu, ihre Chance zu nutzen. „Und jetzt her mit dem Fleisch, sonst hetze ich ihn auf euch." Und ihre Drohung zeigt durchaus Wirkung. Sämtliche Handelsleute nehmen ihre Waren und werfen sie ihr angsterfüllt vor die Füße. So schnell wie sie nur kann, füllt sie ihren Rucksack mit allen möglichen Dingen. „Uff...ganz schön schwer." Aurora wünscht sich, dass es anders gekommen wäre. Aber manchmal hat das Schicksal wirklich eigenartige Launen. „Lass uns einfach von hier verschwinden." Reiner nimmt sie auf die Hand und setzt sie wieder auf seiner Schulter ab. Dann wendet er sich ab und will diesen Bezirk verlassen. Doch dann kommt nochmals der feige Fleischhändler ein Stück aus seinem Versteck. „Du bist eine Teufelin! Nur schwarzhaarige wie du haben mit Titanen einen Bund geschmiedet. Man sollte dich augenblicklich an einem Galgen..." In der nächsten Sekunde dreht sich der Gepanzerte um und zerquetscht ihn unter seinem Fuß. Aurora hält sich schockiert die Hände vor den Mund. „Reiner...irgendwie...." Sie starrt auf die totgetrampelte Leiche. „....Hat er es verdient..." Schließlich wendet er sich ab und verlässt den Bezirk durch das zerstörte Tor wieder, ohne den noch lebenden Menschen nur einen Hauch an Beachtung zu schenken.
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Mein großer Freund, der Panzertitan
ФанфикDas Schicksal hat es nicht gut mit ihr gemeint. Doch hat sie einen gigantischen Freund, der zu ihr hält. Aurora ist eine gewöhnliche Frau mit einem schweren Leben. Verstoßen und verbannt, ist es ein Wunder, dass sie noch nicht gefressen wurde. An ei...