Kapitel 5

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Anfang Mai 2015

Jetzt arbeitete ich seit vier Wochen als Praktikantin bei Interscope Records. Anders als erwartet gefiel mir die Arbeit beim Label. Sie war abwechslungsreich. Crystal, die sich vor allem um das Marketing und für die Social Media Plattform kümmerte, war eine gute Lehrmeisterin. Gemeinsam saßen wir Konferenzen, Pressekonferenzen und Gesprächen mit den Managements der Künstler. Auch wenn sie etwas anders war, als ich eigentlich gedacht hätte. Ich fühlte mich wohl. Die Mitarbeiter waren alle sehr nett und freundlich und waren zum Beispiel nicht genervt, wenn ich eine Sache nicht direkt beim ersten Mal verstand. Sie erklärten es mir, bis ich es auch wirklich verstanden hatte, schließlich kannte ich mich mit der Musikindustrie nicht aus. Ich studierte Digital Media und nicht Music Business.

Besonders Crystal war eine große Hilfe. Sie selbst hatte Marketing im Bereich Musik Management studiert und arbeitete seit ihrem Abschluss bei Interscope Records. Sie wurde in Columbus, Georgia geboren und war fürs Studium nach Los Angeles gezogen. Michael und die anderen kannte sie seit fast einem Jahr, nachdem die Band einen Plattenvertrag mit Interscope abgeschlossen hatten.

Sie war zu einer echt guten Freundin geworden, auch wenn sie knapp sieben Jahre älter, als ich war. Wir verstanden uns richtig gut. Wir mochten dieselbe Musik, Bands und auch im Bereich Essen waren wir uns ähnlich.

Sie hatte sich auch wegen des DVD Abends entschuldigt, als sie mit Michael in seinem Zimmer verschwunden war. Sie wollte mich keineswegs alleine mit den drei anderen zurücklassen, war aber so fasziniert von Michael gewesen, dass sie nicht anders konnte. Doch ich freute mich für sie. Es schien so, als würde Michael ebenso etwas für sie empfinden, wie sie für ihn. Ich hoffte, dass die beiden zusammen kamen, denn eigentlich waren sie ein echt süßes Pärchen. Auch wenn Michael sechs Jahre jünger als Crystal war.

Ich wusste, dass Crystal den heutigen Freitagabend mit Michael verbringen würde. Daher wollte ich meinen im Wohnheimzimmer vor meinem Laptop mit einer Serie beenden.

Doch schon auf dem Flur konnte ich die nervtötende Stimme von Evelyn hören. Genervt verdrehte ich die Augen, hoffentlich verschwand sie schnell auf der nächsten Party. Ich wusste, dass heute eine in einem der Verbindungshäuser stattfand. Je schneller sie verschwand, umso eher hatte ich meine Ruhe. Duschen würde ich morgen früh, heute Abend wollte ich die Zeit nicht dafür verschwenden.

Ich weiß nicht, wie oft ich schon das Studentenbüro angerufen hatte, um nach einem anderen Wohnheimzimmer zu fragen. Langsam hielt ich es echt nicht mehr hier aus. Mit Evelyn als Zimmergenossin war man schlimmer gesegnet, als ein Besuch in der Hölle. Sie verbrachte ihre Summer Sessions ebenfalls in der Uni, da sie noch einige Klausuren schreiben musste. Das wusste ich aber auch nur, durch ein lautstarkes Telefonat mit ihrer besten Freundin Jillian.

Ich öffnete die Tür und schloss sie mit einem lauten Knallen. „Kannst du die nicht leise schließen?", fauchte mich keine Sekunde später meine Mitbewohnerin an, die vor ihrem Laptop hing.

„Könnte ich, mache ich aber nicht!", erwiderte ich unfreundlich und schmiss meinen Rucksack auf mein ungemachtes Bett.

„Ist das deine freakige Mitbewohnerin?", ertönte eine männliche Stimme vom Laptop von Evelyn.

„Jap! Du verstehst also, was ich meine?" Sie gackerte los, der Typ, mit dem sie skypte ebenfalls.

Ihre Worte versetzten mir einen Stich im Herzen. War ich wirklich ein Freak? Weil ich auf Bücher stand, gerne zerrissene Jeans, Bandshirts oder gemütliche Hoodies trug?

„Hast du nichts Besseres zu tun, als über mich herzuziehen? Das neue Make-up ausprobieren? Dich aufstylen? Wie ne' Schlampe rumlaufen?", fauchte ich sie an. Ich spürte, dass mir vor Wut Tränen in die Augen stiegen.

Broken Home - Die fünf Sekunden meines SommersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt